Kolumne Über Ball und Welt: Chilenische Eins gegen Israel

Viele beschweren sich über die Vermischung von Sport und Politik. Dabei gehört beides stets zusammen, wie nun ein Fall aus Chile zeigt.

Selbstdarstellung von Deportivo Palestino auf Facebook Screenshot: cd palestino / facebook

Unter dem Gesichtspunkt einer ästhetischen Geografie ist Chile 0x505e1131102b91d,Chile&gl=de&ei=bofXUo3TF6Gj0QWIp4Ew&ved=0CM0BELYD:ein langes und schlankes Land. Grafiker mögen vielleicht die Ziffer Eins in die Form des südamerikanischen Landes interpretieren. Ähnliches, nicht ganz so passend, 0x6a6b422013352cba,Israel&gl=de&ei=p4fXUt7bKqOk0QX96YHQCQ&sqi=2&ved=0CMMBELYD:könnte man mit Israel machen, zumindest, wenn man das Westjordanland und den Gazastreifen hinzunimmt: Länglich ja, aber ob es das Gebilde mit Chile aufnehmen kann?

Kann es, meinen zumindest Fußballer des Club Deportivo Palestino, Erstligist im chilenischen Fußball. Der hat neuerdings auf dem Rücken seiner Trikots, als typisierte Eins die Landkarte Israels plus Westjordanland plus Gaza gedruckt.

Schon das ist ungewöhnlich für einen chilenischen Erstligisten, aber da der Verein das Wort Palestino im Namen trägt und ein Symbol der in Chile recht großen palästinensischen Community ist, soll dieses grafische Gebilde, das nicht ganz so schlank wie die Darstellung Chiles ist, ganz Palästina zeigen.

Das ist nicht nur grafisch gewagt. Die jüdische Gemeinschaft Chiles protestiert energisch: Es sei doch verboten, „den Fußball als Plattform für politische Statements zu benutzen“. Das Anliegen ist sympathisch, das Argument jedoch großer Unfug. Denn nicht, dass sich Deportivo Palestino politisch äußert, ist skandalös. Auch nicht, wo sie es tun, auf ihren Trikots nämlich, ist zu verurteilen. Schlimm ist schlicht, was sie da machen.

Was alles politisch ist

Der Fußball als politische Plattform wird nämlich auch genutzt, wenn Mannschaftskapitäne vor einem Spiele Statements gegen Rassismus vorlesen. Politisch ist es auch, wenn Teams in Trikots auflaufen, die zu Billiglöhnen in Fernost produziert wurden. Politisch ist es, wenn Nationalmannschaften zur Steigerung des Ansehens ihres Landes auflaufen.

Nur hat man sich angewöhnt, bloß das „politisch“ zu nennen, was man nicht mag, um sich nicht damit beschäftigen zu müssen. Politisch, heißt es beispielsweise, sind die Sozialproteste vor der Fußball-WM in Brasilien, während der Umstand, dass der Staat Geld, das woanders dringend benötigt wird, in Stadionbauten und Infrastruktur kippt, mit Politik nichts zu tun haben soll.

So gesehen ist es alles andere als beklagenswert, wenn mit Deportivo Palestino der – bemerkenswert erfolgreiche – Fußballverein einer Einwanderer-Community sich selbst ein politisches Mandat zuspricht. Gegen – beispielsweise – türkische oder arabische Clubs in Deutschland, die für die Verbesserung ihrer Situation werben oder gegen Rassismus protestieren, ist ja auch kaum etwas zu sagen.

Eine Botschaft des Hasses

Was gegen die Aktion des Erstligisten spricht, ist, dass das vermeintliche Interesse, das da in Form der grafischen Eins artikuliert wird, eine Botschaft des Hasses ist. Mit Israel wird da ein Land von der Karte weggewischt, das real existiert, in dem 7 Millionen Menschen leben, die auch ein Recht dazu haben.

Tatsächlich spricht vieles dafür, dass sich der Club Deportivo Palestino nicht selbst als politischer Akteur versteht, was zu begrüßen wäre, sondern sich zum Büttel machen lässt: Exklusiv gesponsert wird der Verein von der Bank of Palestine, dem zweitgrößten privaten Arbeitgeber in Westjordanland und Gazastreifen. Die eng mit der Autonomiebehörde verbandelte Bank unterstützt keinen einzigen weiteren Sportverein – auch nicht in den palästinensischen Gebieten.

Ökonomische Motive, also Werbung fürs Bankgeschäft, zu vermuten, ist abwegig. Die Begründung der Bank of Palestine für ihr Engagement lautet entsprechend einsilbig, sie wolle die Verbindung zu im Ausland lebenden Palästinensern intensivieren.

All das ist ganz offensichtlich nicht dazu angetan, die Situation palästinensischer Migranten in Chile zu verbessern, noch weniger vermag es Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen helfen, und als ob das nicht ausreicht, artikuliert sich noch der unangenehme Wunsch, Israel möge verschwinden.

Nichts gegen Politik im Fußball. Nur nicht so eine.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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