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Kolumne Schlagloch zu PopulismusDem Volk etwas vormachen

Kolumne
von Georg Seeßlen

Linkspopulismus, gibt es das? Nö. Es gibt nur Populismus, der sich linker Inhalte bedient. Eine Bewegung nach links könnte als Gegengift dienen.

Diese Demo fand 2016 vor dem Kanzleramt statt. Abgenommen hat der Populismus seitdem nicht Foto: dpa

W enn man es aus dem Bauch heraus erklären wollte, dann wäre „Populismus“ nichts anderes als eine Form von Bewegung gegen Macht und Regierung. Eine, die sich dadurch legitimiert, dass sie auf „die Stimme des Volkes“ hört.

Du kannst, sangen einst die Folksinger gegen die Regierung, allen Leuten für kurze Zeit etwas vormachen. Und du kannst einigen Leuten für immer etwas vormachen. Aber du kannst nicht allen Leuten für immer etwas vormachen. Eine populistische Revolte findet dort statt, wo die Instrumente der Macht dabei versagen, eine offene, gerechte und verlässliche Beziehung zwischen Regierung und Regierten herzustellen. Sie findet natürlich auch dort statt, wo eine Regierung vermeintlich zu wenig für Sicherheit und Ordnung sorgt.

Die populistische Revolte ist weder von vornherein gut noch gar von vornherein demokratisch. So wie die Regierenden stets damit drohen können, den Ausnahmezustand zu verhängen, so können die Regierten stets mit einem populistischen Gegenschlag drohen. Die Möglichkeit einer populistischen Reaktion gehört, zumindest theo­retisch, zu den Garantien der Demokratie, wie auch das Widerstandsrecht gegen ihre Gefährdung oder Abschaffung.

Nun aber beginnt der Unterschied. Soll die populistische Reaktion dazu führen, die demokratischen Instrumente zu erneuern, Fehlentwicklungen (wie Korruption, Bürokratie oder soziale Gleichgültigkeit in einem Staat) zu beseitigen, oder soll sie umgekehrt ebendiese Demokratie abschaffen, um ein anderes Regime zu ermächtigen?

Jede Bewegung will auch wieder zur Ruhe kommen

Populismus als Institution ist, wiederum theoretisch, ein Widerspruch in sich selbst. In der Praxis hingegen führt sie dazu, dass die Demokratie technisch nicht mehr allein von Parteien, sondern mehr noch von „Bewegungen“ bestimmt wird, die sich weniger auf Programme und Modelle, dafür mehr auf Bilder und Erzählungen beziehen. Jede Bewegung, so viel weiß man aus der Physik, will aber auch wieder zur Ruhe kommen. Sie wird Richtungen ändern, neue Bewegungen auslösen. Populismus muss also entweder zu einer „verbesserten“ Stabilisierung der Demokratie führen oder zu einer Auflösung.

Ist also der Populismus, mit dem wir es derzeit in Europa und anderswo zu tun haben, noch mit einer populistischen Reaktion im Sinne der Gegenbewegung gegen Ungerechtigkeit und Entfremdung zwischen Regierung und Regierten zu vergleichen? Einige Exponenten dieser Reaktion haben es ja tatsächlich in die Regierungen geschafft und sehr deutlich gezeigt, was geschieht, wenn aus einer solchen Reaktion eine Institution wird. Es entstanden Regierungen, die zwar für sich in Anspruch nehmen, „in Volkes Stimme“ zu sprechen, die aber demokratisch nicht mehr kontrolliert werden können und die demokratische Opposition verfolgen. Könnte man tatsächlich so etwas von links statt von rechts wollen?

Die populistische Revolte ist weder von vornherein gut noch gar von vornherein demokratisch

Unter einem linken Populismus könnte man sich zunächst eine „Sammlungsbewegung“ vorstellen, in der, statt auf theoretische Modelle, politische Überzeugungen und moralische Gewissheiten zu setzen, nun eben eine Idee davon tritt, „auf das Volk zu hören“ und daher Konflikte untereinander möglichst klein zu halten oder auf später zu verschieben, weniger von Ideologie und Utopie zu sprechen als von „Sorgen und Nöten“, und vor allem eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Schon da, wir wissen es, wird es gefährlich. Denn „das Volk“, auf den sich jede Art von Populismus bezieht, existiert ja nicht, es wird durch Sprache, Bild und Erzählung geformt.

Es geschieht auf selbstverstärkende Weise, es soll vor allem die demokratische Zivilgesellschaft als Basis von Regierungshandeln ablösen. In den Institutionen, die Volkes Stimme empfangen, verstärken und umwandeln, wird aus einer kollektiven Reaktion eine ideologische (manchmal auch materielle) Droge, die, wie es bei Drogen so der Fall ist, nach immer mehr und immer stärkeren Dosen verlangt. So mag es, im Notfall einer kranken Demokratie, zwar eine populistische Reaktion von links geben, aber keinesfalls eine „linkspopulistische“ Bewegung. Die dauerhafte Ersetzung von Diskurs, Kritik und Debatte durch Emotion, Bild und Mythos lassen „Linkspopulismus“ absurd erscheinen.

Potenzial der Faschisierung in populistischen Bewegungen

Die Inauguration jener Empfänger und Verstärker von „Volkes Stimme“ als fundamental antidemokratische Führer der populistischen Bewegungen, die sich über alle gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Regeln hinwegsetzen. Die Umwandlung von „Volk“ als Ensemble der (unzufriedenen) Regierten in eine mythische Gemeinschaft, die sich als „Wir“ gegen „die anderen“ definiert und diese anderen als Projektionsfläche für Aggression und Verachtung ansieht.

Jede populistische Bewegung trägt das Potenzial ihrer Faschisierung in sich, denn nur durch sie bleibt sie in Bewegung, nur durch sie wird aus der populistischen Reaktion ein neues Machtkonstrukt, das sich eben aus ihr legitimiert. Um wieder die Physik zu bemühen: Um in Bewegung zu bleiben, werden neue Energien benötigt. Während man vorgibt, auf die Stimme des Volkes zu reagieren, schafft man die Kontrollmöglichkeiten und demokratische Instrumente ab, entzivilisiert man die Gesellschaft, erzeugt das Chaos, vor dem man zu warnen nicht müde wird.

Die populistische Regierung in Italien, nur zum Beispiel, demonstriert an der medialen Oberfläche vor allem ihre unmenschliche Härte gegen Menschen auf der Flucht, doch zur gleichen Zeit werden Antikorruptionsgesetze abgeschafft, wird die Militarisierung der Politik vorangetrieben, werden die Regularien für den Waffenbesitz fundamental verändert.

Es gibt Populismus, der sich linker Inhalte und Begriffe bedient. Es gibt Linke, die sich des Populismus bedienen. Aber einen „Linkspopulismus“ gibt es nicht. Der Populismus ist eine Kraft, die das Linke zersetzt, von außen wie von innen. Vielleicht gilt auch die Umkehrung: Nur durch eine Bewegung nach links kann der Populismus als Todkrankheit der Demokratie überwunden werden.

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25 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    "Jede Bewegung, so viel weiß man aus der Physik, will aber auch wieder zur Ruhe kommen." Nö. Jede Bewegung kommt durch ihr fremde Einwirkungen zur Ruhe, die ihr die Energie entzieht.

  • Der Linken steht nur die Position des Volkstribuns zur Verfügung, will sie gesellschaftlich wirken. Mit dem Kapital, dem Grossen Geld kann sie nie zusammen arbeiten – sie will ja umverteilen, aber nicht von unten nach oben, wie es der Neoliberalismus macht.

    Jetzt zu sagen, die Linke dürfe die Position des Volkstribuns nicht besetzen, bedeutet nichts anderes als sie weiter zu marginalisieren und damit unwirksam zu halten. Die Refeudalisierung, wie sie Habermas nennt, wird so ungehindert fortschreiten können.

    Der Autor dieses Artikels könnte also falscher nicht liegen.

    • @Volker Birk:

      Vollkommen richtig! Danke für Ihre Wortmeldung!



      Und ich kann mich an dieser Stelle nur widerholen: Der Begriff "Populismus" beschreibt gar nichts - außer die Verachtung mit der ein überheblicher kleinbürgerlicher und besserverdienender Mittelstand den unteren Bevölkerungsschichten gerne begegnet - und den Unwillen sich mit den Problemen dieses verachteten 'Populo' überhaupt zu beschäftigen.



      Noch was? - Achja, da war doch noch was:



      "Avanti o popolo, alla riscossa,



      Bandiera rossa, Bandiera rossa.



      Avanti o popolo, alla riscossa,



      Bandiera rossa trionferà."



      Vielleicht ein bisserl nostalgisch folkloristisch und in der Endkonsequenz auch ein wenig arg utopistisch, aber immerhin...



      ...vielleicht noch provozierend genug ?

  • Dank an Georg Seesslen für den Beitrag.

    Der Populismus ist zunächst einmal aus anfänglichem Ohnmachtsgefühl und Gebaren, angesichts Versagens der Opposition in Parlamenten bis hin zu deren Unsichtbarkeit, bei erstarkender Zivilgesellschaft, vorparlamentarisch sozialen Bewegungen, deren Kampagnenmacht, Medienpräsenz, Hoffnung, Chancen witterndes Generationsprohekt aus der 2. 3. Reihe als Spiegelfechterei zum Machterhaltungswillen Regierender, Oppositioneller Kohorten im Parlament, Amt und Würden zu verstehen, ein insgeheimes Verprechen auf Gegenseitigkeit an jene, die bisher in Regierung, Opposition auf der Karriereleiter ausgebremst, geschasst wurden, als Fleisch vom Fleisch der Machtgruppierungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Verbände, Gewerkschaften, Medien, Kirchen, nun bereit sind, diesen Populismus auf seinem stürmischen Karriere Hoffnungslauf in verschworener Gefolgschaft aktiv, womöglich zu dessen spekulativen Gedeih verschuldet investiert, mit in die Zentren der Macht zu tragen. Populisten sind von ihren Anlässen her Abstauber, die zu Themen inhaltlich gegen Null beitragen und das aus ganzem Herzen, um auf dem Weg in die Machtzentren nicht zu früh bei klaren Standpunkten erwischt verortet zu werden, was die Zustimmung durch Mehrheiten erschwert. Populisten verstehen sich niemals als die bessere Opposition, sondern als bessere Regierung. Genau das ist ihre Archillesferse, die es zu kennzeichnen gilt. Populisten kommunizieren auch nicht wirklich mit dem Volk am Puls der Zeit, sondern im gespielten bis geheuchelten Zorn eines Barnabas Ronald Schill mit Regierenden in einer Art Casting Show als Resonanzboden, sich Mehrheiten unverbindlich, gefühlt als die ungleich bessere, ohne Gewähr volksverbundenere Regierung zu präsentieren. Populismus ist dann unberechenbar, gefährlich, wenn dieser durch Schulden getrieben, zu größerem Kreditvolumen verführt, mit dem Kalkül bereit ist, diese niemals zurückzuzahlen, s. NS-Krieg gegen private Gläubiger, Staaten zu führen.

  • Sympathischer Kommentar, besonders der letzte Absatz.



    Ich würde es so formulieren: Linkspopulisten vereinfachen, um auf den Punkt zu bringen (mit dem Ziel der Verbessserung des Gemeinwesens); Rechtspopulisten vereinfachen, um zu hetzen (mit dem Ziel der Selbstaufwertung in der Zerstörung jedes Gemeinwesens).

    • @My Sharona:

      Inwieweit hat z.B. die Kulturrevolution zur Verbesserung des Gemeinwesens beigetragen?



      Die Grenze zwischen gut und böse geht durch jeden Menschen und liegt nicht zwischen Links und Rechts.

  • Teil 1



    Nach meinem Dafürhalten ist Populismus ein Begriff, der es allen Menschen, die hauptsächlich Macht gewinnen, erhalten und mit dieser Macht über das Volk und die Vernunft hinweg etwas bewirken wollen.



    In meinen Augen ein Begriff, der keine(n) Inhalt(e) hat. Populismus setzt immer dann ein, wenn keine Argumente vorgebracht werden können, Menschen zu überzeugen. Stattdessen wird von Populist*innen versucht, eine große Anzahl von Menschen durch populistische Manipulation auf ihre Seite zu ziehen, OHNE auf die vorliegenden Probleme einzugehen, ein Änderungskonzept zu erarbeiten oder auch nur die Sorgen der Menschen an- bzw. wahrzunehmen oder erstmal eine fundierte Diagnose der Probleme (die oft gar keine sind) zu erstellen. Es wird an die niederen Instinkte “appelliert“, Gefühle, die dienlich erscheinen, werden ohne Rücksicht auf Verluste verstärkt und geschürt. Das tun die sog. „Eliten“, die m. E. ALLE mehr oder weniger korrupt oder hypernarzistisch sind.

    Also m. E. unterm Strich eine ganz „simple“ Manipulation um an die Macht zu gelangen. Diese populistischen, leeren Worthülsen werden so lange „gepredigt“ bis sich der erwünschte Erfolg für die Populist*innen in Form von Macht eingestellt hat.



    Auf dem Weg an die Macht wird aber von Populist*innen so viel demokratisches „Porzellan“ zerschlagen, dass eine totalitäre Staatsführung – selbstredend ohne demokratische Beteiligung der dann schon Untergebenen – quasi zwangsläufig die Konsequenz ist.

  • Teil 2



    Ob dieser Populismus nun nur rechts oder gar nicht links oder rechts oder links sein kann, ist m. E. so was von wurscht, weil es auf jeden Fall eine Spaltung und undemokratische Veränderung der Gesellschaft nach sich zieht. So betrachtet könnte selbst der Kapitalismus als Populismus bezeichnet werden, weil er genau diese Nicht-Bekümmern um die Menschen zwar gut versteckt (hinter Wohlstandsversprechen, angeblich Zur-Elite-Gehören-Können, etc.), aber praktisch durch die Gewinnmaximierung als Hauptziel in sich trägt.

    Alle, die sich um eine demokratische Gesellschaft wirklich bemühen (wollen), sollten m. E. alles daran setzen, mit dem „Populismus-Populismus“-Gerufe aufzuhören und endlich die Dinge, die ungelöst sind, benennen, verhandeln, zur Sprache bringen, Lösungen erarbeiten – kurz: tätig zu werden, denn sonst sind ALLE an einer Gesellschaft Beteiligten am Ende „schuld“ daran, dass der Populismus siegen wird, siegen muss. Einfach durch Untätigkeit der Nicht-Populist*innen.



    Keine wirklich gute Aussicht …

    „Nur durch eine Bewegung nach links kann der Populismus als Todkrankheit der Demokratie überwunden werden.“



    Das halte ich für richtig und für sehr notwendig.

  • Wenn es Rechtspopulismus gibt, gibt es selbstverständlich auch Linkspopulismus.



    Die Entscheidung alle Atomkraftwerke nach Fukushima bei uns abzuschalten könnte man als eine linkspopulistische Entscheidung bezeichnen.



    Die Politik in den Staaten des Ostblocks war durchsetzt von Linkspopulismus.



    Enteignung von Großgrundbesitzern, Schauprozesse u.s.w.



    Besonders die Forderung nach Durchsetzung absoluter Gleichheit ist purer linker Populismus.



    Dieses zu verneinen ist in der Tat sehr populär unter Linken.

    • @Suchender:

      Ach was: Wenn mir das rechte Knie weh tut, dann muß also auch im linken ein Defekt sitzen, oder?



      Frau Merkel ist also nun eine 'Linkspopulistin' ? Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - Populismus wo immer man hinschaut ? Selbstverständlich auch der FC Bayern München und die Hitparade.



      Also, wenn Sie bei Ihrer Suche sonst nichts erhellendes gefunden haben...

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Suchender:

      Ne, ne, ne, links ist per se gut, Populismus schlecht. Insofern kann es keinen linken Populismus geben. Klar, oder?

  • Selbstverständlich gibt es auch "Links"populismus. Die Ideen mit denen Leute wie Chavez und Maduro populär geworden sind, waren eindeutig links. An der Macht bauen sie die Mitspracherechte des ach so geliebten Volkes genauso ab wie die Kashinskys, Orbans, Salvinis und Straches. Und haben es außerdem geschafft, das ölreichste Land der Erde zu einem Armenhaus gemacht und müssen an hintere Ziffern auf Geldscheinen durchstreichen, damit die sogenannten kleinen Leute noch zählen können, wie viel sie in der Hand (bzw. im Portemonnaie) haben.

    • @Jojo Münch:

      Bitte recherchieren Sie bei mal "Sanktionen Venezuela". Und dann stellen Sie sich ein x-beliebiges Land vor, bevorzugt ein Ihnen bekanntes, und versuchen mal durchzubuchstabieren, welche Konsequenzen siese Sanktionen über Jahre haben.

      Sobald nämlich ein Land die Lust verliert, seine Rohstoffe für relative Brosamen von Konzernen anderer Provenienz vermarkten zu lassen, hagelt es Sanktionen, Skandalisierung und Versuche des "regime change". Während seit den 80ern von den Brosamen der "Wertegemeinschaft" immer weniger zu Boden bröseln, wirft man denen, die das anders angehen, vor, "nicht mit Geld umgehen" zu können. "Mit Geld umgehen können" bedeutet nämlich, es zu großen Teilen nach oben und in Steueroasen umzuleiten. Wer das so anstößig findet, dass er daran in irgendeinem Land außerhalb Europas etwas ändern möchte, müsste Sanktionen geradezu für Jahre im Voraus einpreisen können, um hernach nicht ins Elend gestoßen zu werden, um ihm hernach "Versagen" vorzuwerfen und an den IWF zu verkaufen. Die Geschichte Lateinamerikas ist voll von solchen Ereignissen.

    • @Jojo Münch:

      "An der Macht bauen sie die Mitspracherechte des ach so geliebten Volkes genauso ab wie die Kashinskys, Orbans, Salvinis und Straches."

      Würde mich über Beispiele freuen, wo die vier genannten Herren die "Mitspracherechte des Volkes abbauen".

  • Anmerkung: es geht ja nicht darum den Leuten etwas vorzumachen sondern darum ihre Bedürfnisse nach einfachen Lösungen zu befriedigen. Die Opfer von Populismus sind ausgesprochen willige Opfer und eigentlich könnte der Zustand des Populismus recht stabil sein, wenn denn die Wirklichkeit nicht doch manchmal stören würde. Radikalisierung ist natürlich unumgänglich und zwar in dem Maße, in dem die Populisten ihre Anhänger enttäuschen und das geschieht selbstverständlich zwangsläufig. Die wirklich bösartige Wut ist aber auch dann vor allem ein Produkt der bürgerlichen Seele, die so gerne weiter erfolgreich belogen worden wäre. Der Hass richtet sich bezeichnenderweise dann aber nicht gegen den Lügner, der hat ja auch tapfer sein Bestes versucht, sondern gegen die Wirklichkeit und ihre Überbringer.

  • Zugegeben. Mit ein paar Worten dieses Thema nur anzureißen ist schon fast unmöglich. Noch dazu mit ungeklärten Begriffsdefinitionen. Offensichtlich geht der Autor davon aus, dass Demokratie genau das ist, was die Herrschenden darunter verstehen. Und Populismus ist genau das, was die Herrschenden nicht haben wollen. Deshalb gefährdet Populismus nach Meinung von Georg Seeslen die Demokratie. Dass genau diese Demokratie offensichtlich den unerwünschten und zerstörerischen Populismus erst generiert, ist eine Tatsache. Und deshalb interessieren hier auch nicht die Bestimmungsgründe für Populismus.



    Dabei ist der Begriff Populismus ein Kampfbegriff des konservativen Mainstrems, der mittlerweile so inhaltsleer ist, dass er auch nur noch als Kampfbegriff taugt. Denn er verschont die Wortverwender, sich inhaltlich zu äußern. Außerdem "schützt" die Verwendung des Begriffes davor, sich um die Interessen der Menschen zu kümmern. Es könnte ja sein, dass man dann mit der Realität konfrontiert wird.



    Aus diesem Grunde haben Linke mit dem Begriff Populismus nichts am Hut, weil sie selber stets von den progressiven Neoliberalen als Populisten bezeichnet werden.



    Das entspricht auch der Meinung der rechten Konservative. Rechte Konservative sehen sich nämlich wie die progressiven Neoliberalen in der Mitte. Und Mitte ist natürlich nicht populistisch.

    • @Rolf B.:

      Auf den Punkt gebracht!

  • Es ist unseren Polit - Eliten zwischenzeitlich doch völlig egal geworden, was das Wählervolk möchte!

    Entschieden wird nach Parteirelevanz, ungeachtet dessen, was sowohl gut für das Volk oder den Zusammenhalt des Volkes und der Regierung an sich wäre!

    Die heutigen Parteien sind absolut austauschbar, ohne das sich etwas relevantes ändern würde. Zwar nimmt jede Partei eine eigene Agenda für sich in Anspruch, aber diese sind heute so identisch, als wären sie die einzig Wahre Doktrin der Zeit!

    Niemand unter den Politiker der etablierten Parteien macht sich die Mühe, sich einmal unter das allgemeine Wahlvolk zu mischen, um zu hören, welche Nöte und Sorgen für sie wichtig sind!



    Am schlimmsten ist aber, dass sollte sich ein Politiker mal zu so einem Weg entschließen, endet er damit, dass sich der Politiker zu meist dazu entscheidet, diesen Weg nur bis zu seinem Parteiklientel zu gehen und vergisst die untersten Schichten der Bevölkerung mit einzubeziehen!

    Den Begriff Populismus seit geraumer Zeit für alles heran zu ziehen, welches der Grundüberzeugung einer regierenden Kaste widerspricht, ist nicht gerade der klare Weg, der gegangen werden sollte!

    Die AFD wird Deutschland weit als populistische Partei bezeichnet!



    Dies ist aber nicht nur die einzige Intention, welche diese Partei tatsächlich verfolgt!



    Es geht der AFD, auch wenn es keiner aussprechen will, um die Wiederauflage des Nationalismus!

    Um den Begriff Populismus auf eine Person oder eine Partei anwenden zu können, muss man sich erst mal über die Definition einigen, ansonsten gehen die Meinungen dazu völlig in die Binsen.



    Beim Versuch gerade in alten Lexika die Definition zum Populismus zu bekommen, wird man scheitern, denn es scheint eines dieser Begriffe zu sein, die künstlich auf eine Definition erhoben wurden!

    Wenn man etwas tun will, um den "Populismus" nach der heutigen Definition einzugrenzen, muss man sehr viel mehr des Volkes Willen einbeziehen!

    Die Regierung sollte dem Souverän, dem Volk, dienen

  • Es gibt in der jetzigen politischen und medialen Debatte zwei Begriffe, die abwertend und meistens falsch, wobei sicherlich ganz bewusst, benutzt werden - Populismus und Autokrat.

    Der erste soll eine sich beim Wähler einschleimende Vereinfachung und Zuspitzung suggerieren, der zweite eine mehr oder weniger undemokratische Regierungsform.

    Mehr oder weniger erinnert diese an den beiden Stichworten orientierte Kampagne ziemlich an frühere Propagandamachwerke in den Ostblockstaaten. Da würde auch die Komplexität des Westens auf Stichworte wie "Imperialismus" oder "Faschismus" reduziert.

    Orban in Ungarn, Erdogan in der Türkei, Trump in den USA oder PiS in Polen sind an der Macht und deren Programm lässt sich nur von einfachen Gemütern auf Zaun, Macht, the wall oder Kampf der liberalen Gesellschaft reduzieren.

    • @agerwiese:

      Ok, ich bin ein wenig spät dran ;-), aber dieser Beitrag von @AGERWIESE ist so typisch und gefährlich, dass er doch noch eine Antwort bekommt: Zu beiden Begriffen gibt es durchaus brauchbare Definitionen, da muss man gar nicht lange suchen. Und alle genannten Verdächtigen, Orban, Erdogan, Trump und PiS entsprechen mit den von ihnen angeführten Bewegungen trotz ganz unterschiedlichen Ausrichtung ziemlich weitgehend dem Begriff Populismus, die jeweiligen Ausprägungen als Autokraten ist zu unterschiedlich, als dass man sie mit ein paar Worten korrekt bemessen könnte. Der von Ihnen hier unternommene Versuch, recht gut definierten Begriffen, diese Definition einfach abzusprechen und damit die Betreffenden von diesem Makel gleich schnell mit zu befreien, ist wirklich durchsichtig: Ihnen ist diese Sammlung von Unholden in Wahrheit sympathisch und da erklären Sie die Anwendung der Begriffe auf sie schnell mal zu Fakenews! Da passt der Begriff Populismus für Ihren Post dann also doch ziemlich gut.

  • 8G
    83933 (Profil gelöscht)

    Wen man etwas in der Physik genau weiß, dann gerade das Gegenteil von jede Bewegung will zur Ruhe kommen. Also allerspätestens seit Newton. Da muss schon eine andere Kraft wirken, damit Bewegung zum Stillstand kommt und von Bezugssystemen noch gar keine Rede. Sprachbilder mit physikalischem Bezug meide der Schreiber, so er/sie nicht ganz, ganz firm ist!

    • @83933 (Profil gelöscht):

      " Sprachbilder mit physikalischem Bezug meide der Schreiber, so er/sie nicht ganz, ganz firm ist!" (Zitat: Laimer)



      Sie sagen es! - Und ich erlaube mir zu ergänzen: Man meide generell komplett überflüssige 'populistische' Begriffe, wie eben "Populismus", die leiglich zu dem Zweck dienen um Bewegungen von Unten zu diskreditieren. Man trete sie zurück in jene Ärsche aus denen sie einst gepfurzt wurden.



      Der Begriff "Populismus" beschreibt gar nichts - außer die Verachtung mit der ein überheblicher kleinbürgerlicher und besserverdienender Mittelstand den unteren Bevölkerungsschichten gerne mal begegnet - und den Unwillen sich mit den Problemen dieses verachteten 'Populo' überhaupt zu beschäftigen.

  • 9G
    90634 (Profil gelöscht)

    "Die dauerhafte Ersetzung von Diskurs, Kritik und Debatte durch Emotion, Bild und Mythos lassen „Linkspopulismus“ absurd erscheinen."

    Das mag ja sein, aber das Problem ist, dass hier ein Entweder-Oder-Szenario suggeriert wird das es so nicht gibt. Diskurs, Kritik und Debatte sollten, nein, müssen sogar mit irgendeiner Art Erzählung verknüpft sein, im Idealfall mit dem mythischen Ziel einer Utopie.



    Das Gegenteil davon? Die völlige Reduzierung von Politik auf Sachzwänge und Empathielosigkeit (Merkel-Ära) oder die Überzeichnung von Emotionen und Mythen ohne realen Bezug (Rechtspopulismus).

    Die Menschen stehen genau dazwischen, und die Linke lässt sie dort im Moment ziemlich alleine stehen.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    "Eine populistische Revolte findet dort statt, wo die Instrumente der Macht dabei versagen, eine offene, gerechte und verlässliche Beziehung zwischen Regierung und Regierten herzustellen."

    Könnte das Grundproblem etwa Kapitalismus heißen? *Schockschwerenot*

    • @970 (Profil gelöscht):

      Nein, das schließe ich aus.



      Kapitalismus ist das Rinderhüftsteak.

      Wie das gegrillt und mit welchen Zutaten serviert wird steht dem Koch bzw. der Politik frei.