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Kolumne PressschlagAbbau der Kruste

Kolumne
von Markus Völker

Der DFB hat in den vergangenen Jahren eine merkwürdige Personalpolitik gepflegt. Jetzt ist Zeit für den Neubeginn – und eine Doppelspitze.

Reinhard Grindel verkörperte wie kein Zweiter die DFB-Maxime „Ihr könnt uns mal!“ Foto: dpa

W enn man ein Fest der Intersektio­nalität durch Aufsummierung identitätspolitischer Partikular­interessen feiern möchte, dann wäre eine ostdeutsche Frau mit Migrationshintergrund für den DFB keine schlechte Lösung. Vielleicht könnte sich unter diesen Voraussetzungen auch die ehemalige Frauenfußball-Bundestrainerin Silvia Neid zur Wahl im September stellen, wie es die grüne Parteichefin Annalena Baerbock ihren Twitter-Followern kürzlich zum Nachplappern empfohlen hat.

Der DFB, der in der vergangenen Dekade eine – gelinde gesagt – merkwürdige Personalpolitik pflegte, würde mit einer Silvia Neid, der ehemaligen Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk oder Ex-Nationalspielerin Steffi Jones den Zeitgeist in seine Flure in der Frankfurter Fleckschneise lassen.

Aber wäre dem größten Sportverband mit solchen Erwägungen, die ihre Impulse zumeist aus dem Spannungsfeld sozialer Erwünschtheit generieren, wirklich gedient? Und – ketzerisch gefragt: Warum sollte es den DFB interessieren, wenn in den sozialen und regulären Medien mit einer Luftpumpe ein personalpolitischer Testballon von formidabler Größe aufgeblasen wird?

Noch vor einem Jahr hätte man gesagt: Das hätte den DFB nicht gejuckt, im Fußballverband galt ja immer die Maxime: Ihr könnt uns mal! Oder anders gesagt: Was interessiert es den Mond, wenn ihn ein Pinscher anheult. Reinhard Grindel war ein Funktionär, der dieses Selbstverständnis mit jeder Pore seines Körpers lebte.

Umbau in der Fleckschneise

Wer ihn je sah, wenn er seiner Meinung nach kritischen Geistern oder einfachen Zuträgern übers Maul fuhr, sie auflaufen ließ oder klein machte, kann verstehen, warum er jetzt, da er seine Hausmacht im DFB verloren hat, selber aufpassen muss, nicht wie ein Hund vom Hof gejagt zu werden. Die Petitesse um die Annahme einer Uhr und die angebliche Verheimlichung von Einkünften aus einer Aufsichtsratstätigkeit werden zu Belegen ultimativer Funktionärsverruchtheit hochgejazzt, dabei waren seine Präsidiumskollegen wohl eher die Anmaßungen und das fehlende Feingespür von Grindel leid. Hier werden nun offensichtlich alte Rechnungen beglichen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Würde der DFB die neuerliche Krise dazu nutzen, seinen Führungsstil, ja seine gesamte Corporate Identity zu hinterfragen, was zwingend notwendig wäre, dann müsste eine Person den Laden übernehmen, bei der von untergeordneter Bedeutung ist, welchem Geschlecht sie angehört. Im Fokus stünde, ob sie durch ihre Hartnäckigkeit und ihren unbändigen Gestaltungswillen verkrustete Strukturen in diesem Moloch von einem Verband aufbrechen kann.

Doch damit nicht genug: Könnte sie ernsthaft ein Transparenzversprechen einlösen, die Verbandskommunikation von rechts auf links drehen, die Fans wieder auf ihre Seite bringen, das Geheim- und Männerbündische hinterfragen – und könnte sie, last, but not least, den Amateur- mit dem Kommerzfußball versöhnen?

Die Aufgaben eines künftigen Präsidenten sind derart fordernd und vielfältig, dass es einen Menschenfänger und Verwaltungsprofi bräuchte

Das sind Mammutaufgaben. Andere würden sagen: Hier geht es um die Quadratur des Kreises. Die Aufgaben eines künftigen Präsidenten sind derart fordernd und vielfältig, dass es einen Menschenfänger und Verwaltungsprofi bräuchte, um diesen Verband in die Postmoderne zu führen. Aber wenn das offensichtlich so schwierig ist, warum sollte der DFB dann nicht eine arbeitsteilige Doppelspitze unter Beachtung der Geschlechterparität installieren. Das wäre ein kluger Schachzug, und zwar nicht nur unter symbolpolitischen Gesichtspunkten.

Es müsste dann aber anders laufen als in der Fifa. Da hat Gianni Infantino in Fatma Samoura eine Generalsekretärin berufen, die über den Status einer Alibi-Funktionärin nicht hinauskommt.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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2 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Eine Doppelspitze beim DFB wäre nicht ausreichend. Zumal es da Reibungsverluste geben kann.

    Eine Frau muss her. Ich wüsste auch schon eine verdiente Foristin, die mit ihren Beiträgen in diesem Forum nicht ausgelastet ist.

    Was Herrn Grindels Schicksal angeht, bin ich beruhigt. Wie ich gerade las, hat er ein Rückkehrrecht zum ZDF.

    Diese geballte Inkompetenz darf nicht verloren gehen. :-)

  • Hahaha, der war aber echt gut! Sorry für den fiesen Sarkasmus, aber wieso sollte auch eine Doppelspitze in Weiblein/Männlein Konstellation, plötzlich beim DFB etwas zum Guten wenden?



    Der Laden muss im Kern geknackt werden, sonst wird jede Grindel Nachfolgerin keinen frischen Wind in die Flure bringen, sondern am ausgestreckten Arm verhungern, also im besten Fall Aussenwirkungsstaffage sein.



    Das wird für den DFB ein langer, steiniger und evtl. auch existenzbedrohender Weg, aber diesen müssen die Konservativen alten weißen Männer zu Recht allein gehen. Eine Frau, welche diesen unumgänglichen Weg startet, böte diesen nämlich die Chance einer Dolchstoß Legende, denn vorher war doch noch alles gut, gell!