Kolumne Pressschlag: Frauen sind nur als Opfer ein Hit
In der Berichterstattung über Sportlerinnen fehlt eines: der Sport selbst. Dafür verkaufen sich anklagende Texte über sportelnde Frauen super.

M an könnte, wenn man sich selten mit dem Thema Frauensport befasst, davon ausgehen, dass sich Texte darüber nicht verkaufen. Ergo nicht geklickt werden, einfach nicht von Interesse sind, im digitalen Rauschen untergehen. Das ist nicht ganz richtig. Es gibt eine Art von Text über Frauensport, die sich sogar ganz wunderbar im World Wide Web verbreiten, anpreisen, verwerten lässt: Das ist das Klagelied.
Es geht dann wahlweise darum, dass sportelnde Frauen nicht ausreichend bezahlt werden, dass ihnen Steine in den Weg gelegt oder Chancen verbaut werden oder dass sie ganz generell keinen Sport treiben dürfen, weil Imame, religiöse Spinner jeder Couleur oder machistische Verbände das verbieten. Solche Texte sind gute Ware.
Am besten noch, wenn es einen Hauch Exotik mitbringt, also im Iran oder in Afghanistan spielt oder den Sexismus in Korea behandelt. Auch beim derzeit in Berlin stattfindenden 11mm-Festival für Fußballfilme, das großartigerweise erstmals seinen Schwerpunkt auf Frauenfußballfilme legt, dürfen die Mädchen mit den Kopftüchern nicht fehlen. Deren Geschichten kombinieren wohliges Gruseln mit Empowermentmärchen und sind gleichzeitig weit genug weg, um keine Anklage an den Zuschauer zu sein.
Geschichten über die unbezahlten Eishockeyspielerinnen in der Heimat erzeugen schon weniger Tamtam, denn so schlecht kann es denen ja gar nicht gehen (in Deutschland und überhaupt!), aber doch noch ganz ordentliche Aufmerksamkeit. Gegen Diskriminierung, für Equal Pay, das sind ja Themen, die zumindest im linken Spektrum super gehen.

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Männerteams auf die Füße treten
Doch eines fehlt auffällig in der Berichterstattung über Frauen: der Sport selbst. Meisterschaftsrennen, Abstiegskämpfe, Schlüsselspielerinnen. Große Turniere und kleine Dramen, Heldinnen und Schurkinnen, der ganze Kram eben, über den man bei Männern schreibt. Frauen im Teamsport sind vor allem dann einen Text wert, wenn es ihnen schlecht ergeht oder sie sich gegen die Opferstellung auflehnen. Sobald sie sich ein gewisses Standing erkämpft haben, sind sie uninteressant. Wenn jemand überhaupt mal darüber schreibt, dann liest es nämlich fast keiner.
Das ist eine etwas absurde Erkenntnis: Je ernster man Frauensport nimmt, je mehr Gleichbehandlung sich die Schreiberlinge tatsächlich auferlegen, desto weniger scheint es die LeserInnen zu jucken. Vielleicht weil die Möglichkeit zur Einordnung fehlt. Während die Männerfußball-Bundesliga eine große Aneinanderreihung von Staffeln einer Erfolgsserie ist, sind Berichte über Frauenteamsport die Folge 421 einer Serie, von der man sonst nichts gesehen hat, keine Protagonistinnen kennt, keinen Spannungsbogen vor Augen hat, und eigentlich also gar nicht wissen will, wie es ausgeht. Sport muss man aber lieben, nicht aus schlechtem Gewissen gucken. Oder ist das eine zu großzügige Auslegung des Missstands?
Vielleicht ist die progressive Gesellschaft selbst noch zu rückständig für den Wandel, den zumindest Teile von ihr einfordern. Sportelnde Frauen findet sie vielleicht insgeheim selbst nicht so cool und spannend. Es ist einigermaßen selbstverständlich geworden, sich vage Gleichberechtigung für Frauen im Sport zu wünschen, sogar Nike tut das, und das ist gut. Aber eine ganz andere Sache ist es, deren Konsequenzen mitzutragen.
Ganz ohne Umverteilung, ohne den Männerteams auf die Füße zu treten, wird das nicht gehen. Der spanische Frauenfußball hat jüngst einen weltweiten Zuschauerrekord aufgestellt. An diesem Tag allein waren drei Frauenfußballpartien in Spanien live zu sehen. In Deutschland fehlt der politische Wille. Wir interessieren uns sehr lebhaft für diskriminierte Frauen, aber kaum für emanzipierte.
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