Kolumne Press-Schlag: Klingt nach Krise
Mit sechs Niederlagen für deutsche Klubs endete der zweite Spieltag im Europapokal. Da stellt sich die Frage: Sind die Vereine noch konkurrenzfähig?
N ee, bitte nicht schon wieder das Gefasel von der „Momentaufnahme“. Die Fußballsprache kann dröge sein. Aber wenn jemand mit der speckig-abgegriffenen Momentaufnahme daherkommt, um irgendetwas zu beschönigen oder zu relativieren, dann mag man gedanklich abschalten. Aber wie geht man mit diesem bemerkenswerten Befund um, dass sämtliche deutsche Teams im Europapokal versagt haben? Handelt es sich um ein systemisches Problem oder vielleicht doch um eine Momentaufnahme?
Die Fakten sind eindeutig: Mit sechs Niederlagen für deutsche Klubs endete der zweite Spieltag im Europapokal. So etwas hat es seit 1981 nicht gegeben. Am Donnerstag verloren Köln, Hoffenheim und die Hertha. Der FC Bayern wurde in Paris gedemütigt. Dortmund bekam seine Grenzen von Real Madrid aufgezeigt, und RB Leipzig war es in Istanbul irgendwie zu laut. Sechzehn Mal sind deutsche Klubs heuer in Europa angetreten. Zweimal haben sie gewonnen, zweimal unentschieden gespielt, die anderen Partien gingen verloren. Das Torverhältnis: 13:29. Klingt nach Krise.
Aber diese Krise gibt es nicht. Deutschland liegt auf Platz zwei der Fünfjahreswertung der Uefa. Das ist so etwas wie das Konjunkturbarometer des europäischen Klubfußballs. Weit enteilt ist die spanische Liga. Die Deutschen konkurrieren dahinter mit fast gleichstarken Italienern, Engländern und Franzosen. Dass sich Bundesligaklubs auf einmal nicht gegen Teams wie Roter Stern Belgrad, Östersunds FK oder Ludogorez Rasgrad durchsetzen können, ist per se kein strukturelles Problem, sondern lässt sich eher in den Schubladen „Formschwäche“, „Probleme im Umgang mit der Doppelbelastung von Bundesliga und Europa League“, „Pech“ oder „taktische Blödheit“ rubrizieren. Diese Teams sind schlagbar – und sie bleiben auch schlagbar.
Aufpassen müssen freilich die deutschen Champions-League-Teilnehmer. Sie befinden sich in einem gnadenlosen Verdrängungs-wettbewerb, der sich in den kommenden Jahren noch einmal verschärfen dürfte, jedenfalls so lange, wie das Financial Fairplay der Uefa nur ein Papiertiger bleibt. Weil der europäische Fußballverband ordnungspolitisch versagt, sind die führenden Klubs der Bundesliga im Nachteil gegenüber der englischen oder italienischen Liga. Durch die 50+1-Regel ist der Einfluss von Finanziers aus China, Katar oder Russland hierzulande begrenzt; der Verein muss über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen.
Während Paris Saint-Germain schon mal 400 Millionen Euro für zwei Offensivspieler ausgibt, weigert sich der FC Bayern standhaft, Summen im dreistelligen Bereich auszugeben. Die Klubchefs sagen, sie wollten diesen „Wahnsinn“ nicht mitmachen und nicht zu Handlangern von Oligarchen werden. Das klingt trotzig. Aber reicht das, um sich gegen einen Trend zu stemmen?
Es ist schon löblich, dass die Bundesliga auf Mitbestimmung der Vereinsmitglieder, auf Tradition und solides Wirtschaften setzt, aber wenn anderswo andere Maßstäbe gelten, dann muss die Liga überlegen, ob ihr Regelwerk noch zeitgemäß ist – oder nicht schon ein Anachronismus, den sich nur leisten kann, wer nicht mehr oben mitspielen will.
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