Kolumne Press-Schlag: Eigene Gesetze
Uli Hoeneß bleibt trotz Anklage Bayernboss. Das passt zum Rechtsverständnis des Sports. Und die Sponsoren? Die applaudieren noch kräftig.
D ass Uli Hoeneß auch jetzt noch Präsident des FC Bayern und Aufsichtsratschef der angeschlossenen Aktiengesellschaft bleibt, ist nur logisch. Denn der Sport hat seine eigenen Gesetze. Hoeneß mag sich im März vorm Münchner Landgericht wegen Steuerhinterziehung rechtfertigen müssen, seiner Reputation schadet das kaum.
Die Spezifik des Sports besteht in seiner Autonomie und seinem Sonderstatus. Das Sportrecht ist so ein Beispiel, die feudalen Strukturen in Sportverbänden ein anderes. Halblegales Verhalten wurde über Jahre nicht wirklich reglementiert. Es durfte lange Zeit ungestraft gedopt werden, und gerade das Geschäft um Transfers von Fußballprofis hat seltsame Blüten getrieben. Hier hätten Staatsanwaltschaften viele schwarze Konten und unregelmäßige Bankbewegungen entdecken können – wenn sie nur gewollt hätten.
Unversteuertes Handgeld? Das galt lange Zeit als Lappalie. Bargeldschiebereien zum Erwerb von Toptalenten? War immer mal drin. Trickser, Mauschler und Bauernschlaue machten im Bereich des Sports Karriere. Das soll freilich nicht heißen, dass im Fußball oder Radsport noch immer alles möglich ist, nein, ganz langsam gibt es eine Annäherung der Standards.
Eigentlich müsste sich auch der Aufsichtsrat des FC Bayern an die strengen Compliance-Bestimmungen zur Unternehmensführung halten. Im Code of Conduct regeln Firmen interne Rechtsnormen. Es geht vor allem um die Verhinderung von Korruption, aber auch um persönliche Integrität.
In einem Rechtsgutachten hat sich der FC Bayern nun schwarz auf weiß bestätigen lassen, dass Hoeneß immer noch ein würdiger Chef ist. Weil er sich über 30 Jahre lang „hervorragende Verdienste“ um den FC Bayern München erworben habe. Weil er für den FC Bayern München eine „wichtige Führungspersönlichkeit“ sei. Und weil er laut Umfragen von einer „überwältigenden Mehrheit“ der Mitglieder des FC Bayern München unterstützt werde.
Sonderrechte des Sports
Die Lebensleistung des Uli Hoeneß wird also aufgewogen mit dem Tatbestand der Steuerhinterziehung. Ergebnis: Hoeneß’ Wohltaten in der Sphäre des Fußballs überstrahlen alles. Es ist nicht weiter von Belang, dass er seine Zockermillionen vom damaligen Adidas-Chef just nach einem lukrativen Sponsorendeal erhielt oder dass Hoeneß Sebastian Deisler mit einer anrüchigen 20-Millionen-Überweisung nach München locken wollte.
Der Bayern-Patron genießt die Sonderrechte des Sports – unter gnädiger Mithilfe der Bayern-Sponsoren Telekom, Audi und Adidas, die beim 4:0-Kantersieg des FC Bayern über die Moral kräftig applaudieren. Es muss für Firmenchefs von Audi oder Adidas befreiend sein, der normativen Enge des eigenen Unternehmens zu entkommen. Gut, dass es den Fußball gibt mit so feinen Familienbetrieben wie den des FC Bayern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation