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Kolumne Nach GeburtWir Väter würden ja gern, aber …

Ein paar mehr Männer nehmen Elterngeld in Anspruch – und viele jubeln. Dabei sind die Zahlen zum Schämen. Kinderbetreuung bleibt Frauensache.

Dieser Löwe ist Papa von Fünflingen geworden. So guckt er auch Foto: dpa

E s gibt sie doch noch, die guten Nachrichten aus Sachsen: Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der Väter, die 2016 Elterngeld in Anspruch genommen haben, höher als im Freistaat. 26,5 Prozent der Elterngeldbezieher waren dort Männer. Sachsen reichten diese 26,5 Prozent, weil im Bundesdurchschnitt im Jahr 2016 nur 22,2 Prozent der gut 1,6 Millionen ElterngeldbezieherInnen die Väter waren.

Am Dienstag hat das Statistische Bundesamt diese Zahlen veröffentlicht. „Mehr Väter entscheiden sich für Elterngeld“, titelte Spiegel Online daraufhin. „Mehr Väter beziehen Elterngeld“, schrieb die Hannoversche Allgemeine über ihren Text. Und sueddeutsche.de entschied sich für: „Elterngeld bei Vätern immer beliebter“.

Wahnsinn, das liest sich ja, als wären wir Väter kurz davor, uns die Betreuung und Erziehung der Kinder unter den Nagel zu reißen. Denn die Überschriften sind alle nicht falsch.

Es nahmen 2016 tatsächlich mehr Väter Elterngeld als 2015. Aber man hätte auch titeln können: „Nur jeder fünfte Vater kriegt Elterngeld.“ Oder: „Erziehung ist immer noch Müttersache.“ Oder: „Leck mich am Arsch, denn an dem geht vielen Vätern das erste Jahr ihres Kindes immer noch vorbei.“

Gut, das wäre vielleicht ein bisschen lang für ’ne Überschrift.

Und ja, das ist total plakativ und pauschalisierend. Und im ersten Jahr ist es eh besser, wenn die Mutter fürs Kind da ist, Stillen und die Biologie und so. Und – mein Lieblingsnarrativ – viele Mütter würden ihre Männer bei der Erziehung und Betreuung ja auch gar nicht ranlassen.

Ich kann den Scheiß nicht mehr hören. Männer, die sonst keine Probleme oder Selbstzweifel haben, im Job sofort die Hand zu heben, wenn es um neue Stellen und Beförderungen geht, können sich zu Hause nicht durchsetzen, obwohl sie doch wirklich sooo gerne mit der Brause die Kacke aus der Badewanne spülen würden, wenn Tochter zweimal wieder das warme Wasser genoss und einfach laufen ließ, woraufhin erst mal Tochter eins aus der Wanne gehoben werden muss, dann Tochter zwei, die dann auch noch auf den Badezimmerteppich kackt und anfängt zu weinen, während wiederum Tochter eins einem Ratschläge gibt, während man versucht, die Kackebrocken irgendwie durch den Abfluss zu bekommen. „Das passt da nicht durch, Papa.“

Nein, liebe Väter, diese Zahlen sind kein Ruhmesblatt. Denn eigentlich sind die 77,8 (Frauen) zu 22,2 Prozent (Männer) noch geschönt: Die vielen Frauen nahmen oder beantragten 2016 nämlich im Schnitt für 13,3 Monate Elterngeld (in all seinen Variationen), die wenigen Väter für nur 3,5 Monate. Das gilt zumindest für alle Kinder, die nach dem 1. Juli 2015 geboren wurden. Seitdem gibt es das Elterngeld Plus, eine Art Verlängerung der Elterngeldbezüge, um den Berufseinstieg zu vereinfachen.

Die Frauen sind uns also nicht nur mehr als 55 Prozentpunkte, sondern auch knapp 10 Monate voraus.

Ach, und Sachsen, bevor du jetzt abhebst: Bei dir beziehen zwar viele Väter Elterngeld, aber im Durchschnitt nur für 3,3 Monate. In dieser Statistik bis du Vorvorletzter.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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10 Kommentare

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  • Der Autor hat offenbar keine Kinder oder zumindest keine Beziehung, in der das Thema ausgiebig diskutiert wurde. Auch wenn (fast) alle Frauen große Anhänger der "Gleichstellung" sind, sind doch die wenigstens bereit, selber abzugeben. Das fängt bei der Aufteilung der Elternzeit an und hört, im Falle einer Trennung, beim gemeinsamen Sorgerecht noch lange nicht auf. Etwas weltfremd, der Artikel.

    • @inte inte:

      Woher wurden Sie denn hierher verlinkt?

  • "Es gibt keine guten Väter, das ist die Regel, die Schuld daran soll man nicht den Menschen geben, sondern dem Band der Vaterschaft, das faul ist. Kinder machen, ausgezeichnet; Kinder HABEN, welche Unbill !"

    So ein Auszug aus Die Wörter von Jean-Paul Sartre. Ein gutes Buch übrigens.

  • Lieber Herr Kruse,

    ich befürchte, Sie sind den Fallen der Statistik erlegen. 26,5 % der Gesamtzahl der Elterngeldbezieher sind Männer.

     

    Angesichts der Tatsache, dass jedes Kind eine Mutter hat, die - wenn sie wenigstens während des Mutterschutzes Geld bekommen möchte - einen Antrag auf Elterngeld stellen muss, können Männer die 50%-Marke realistisch nicht knacken. Wenn wir von einer Normalverteilung von einem Vater und einer Mutter pro Kind ausgehen, dann bedeuten 50 % der Gesamtbezieher, dass 100 % aller Väter Elterngeld beziehen. Bei 22,2 % sind es immerhin 44,4 % aller Väter.

     

    Ihre Überschrift "Nur jeder fünfte Vater kriegt Elterngeld" wäre sachlich falsch. Sie müsste lauten: "Nur knapp jeder zweite Vater kriegt Elterngeld".

     

    Übrigens können Väter normalerweise nur 11 Monate Elterngeld bekommen, weil bei der Mutter das Elterngeld zwingend beim Mutterschutzgeld angerechnet wird. Da relativieren sich auch die 10 Monate, die die Mütter voraushaben. https://www.elterngeld.net/mutterschaftsgeld.html

    • Jürn Kruse , Autor des Artikels,
      @rero:

      Sie haben vollkommen Recht. Die Überschrift wäre falsch. Mein Fehler. Sorry.

  • Ist das die öffentliche Verarbeitung eines Traumas?

    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Es zählt da Ergebnis - der Weg ist Privatsache.

    Solange das so ist, kann man sich sämtliche sozialpolitische Wunschvorstellungen abschminken.

     

    Erziehung kostet Zeit und Geld.

    Der Staat setzt einen Rahmen, und die Familien stellen fest, dass es praktisch immer günstiger ist, wenn die Frau aussetzt.

     

    Dann nicht lamentieren, sondern rechnen und die Rahmenbedingungen ändern...

  • Geht's noch'n bisschen platter? Pöse pfaule Männer? Schon mal die Dog-Eat-Dog Strukturen der heutigen Arbeitswelt angeschaut? Gegenderte Karrierielogiken? Nicht jeder Arbeitgeber und jedes Arbeitsumfeld sind so sozial (unterstelle ich jetzt mal) wie die taz. Und selbst gewisse biologische Realitäten sind eben genau das, oder ist man jetzt Faschist, wenn man darauf hinweist, dass in den frühesten Lebensphasen eines Säuglings die Mutter bzw. eine Frau die Primärversorgerin ist, und zwar in allen menschlichen Kulturen und bei allen Säugetieren? Gender Mainstreaming heisst ja letztlich, dass z.B. Arbeitswelt und Elternbedürfnisse so eingerichtet werden, dass solche sozio-biologischen Differenzen kompensiert werden - also vielleicht Elterngeld für Väter NACH dem ersten Jahr? Da musste wohl auf Kosten von etwas Recherche und Reflektion das eigene Kackewegspültrauma journalistisch verarbeitet werden.

    • @hessebub:

      Ich finde es super, dass er die Realität des Alltags mit kleinen Kindern so detailgetreu beschreibt. Alltag mit Kindern ist nicht gleich "Trauma".

  • Bei den meisten dürften das ganze banalen ökonomischen Erwägungen geschuldet sein.

     

    Sie hätten ja mal fragen können, warum Frauen in Zeiten der Gleichberechtigung immer noch so verdammt erpicht darauf sind nach oben zu heiraten? Wäre dies nämlich nicht mehr der Fall und sie damit selbst öfter die Hauptverdienerin, würden sich die Zahlen wohl recht schnell ein pendeln.

     

    Aber Himmel hilf, wenn das stimmen würde, auf wen könnten Sie dann noch moralisch überheblich einbashen? Also bleiben wir einfach bei Ihrer Weltsicht, wir Männer sind Schuld! Die Welt kann ja so einfach sein. Herrlich!

  • Es gibt auch Väter - und nicht zu wenige - die beantragen gar kein Elterngeld. Einfach weil sie keines bekommen würden. Trotzdemgehen sie in Elternzeit oder Elternteilzeit.

     

    Warum keines beantragt wird? weil für die Berechnung der Mittelzufluss im Bezugsmonat verrechnet wird. Wer also während der Elternzeit Gehalt oder Gehaltsbstandteile oder andere Einnahmen überwiesen bekommt, bekommt wenig oder kein Elterngeld mehr. Bei nur 1 oder 2 Monaten Unterbrechung passieren solche Zuflüsse schnell mal ...

     

    Es sollte also nicht um Geld für sondern um Zeit von Vätern gehen. Und diese Zeit nehmen sich mehr Väter als Statistiken vermuten lassen ...