Kolumne Luft und Liebe: Plötzlich wird das Weiche hart

Quälinstrumente, Survival Sex, Wichsvorlagen und Viagra: Wenn es ums Geld geht, werden die schmodderigen Themen schnell hart.

Viel Glück bei diesem Vorhaben. Bild: ardi / photocase.com

Kein Schwanz ist so hart wie das Leben, pflegte mein Exfreund M. zu sagen, und soweit ich aus meiner bisherigen Erfahrung zehren kann, muss ich ihm recht geben.

M. wusste gar nicht, wie gut er mit diesem, nun ja, Lebensmotto, in die Zeit passte. Wir leben im Zeitalter der Hölle, des Vögelns, des Sterbens und des „Yeah“. Das sind, so hat irgendwer herausgefunden, die häufigsten Wörter in Popsongs unseres Jahrzehnts: We – yeah – hell – fuck – die. Was in den 60ern „Baby“, „Twist“ und „Lonely“ waren und in den 80ern „Love“, „Fire“ und „Rock“, ist heute die fickende Hölle. Sigmund, der alte Zigarrenlutscher, rotiert vor Freude im Grab. („Fickende Hölle“, das sagt wiederum meine Freundin S. zwecks Schimpftiraden, und ähnlich cool ist nur das „blöde Hölle“ von A., das sich sehr direkt aus dem britischen „bloody hell“ ableitet.)

Natürlich schwimmt diese Kolumne, die zwar nicht im Volks-, aber zumindest im Kollegenmund auch als „Fickificki“-Kolumne gilt, auf der schlüpfrigen Welle der Zeit mit. Schäbig, aber wahr. All diese Themen, die rausgekramt werden, wenn drumherum der Terror zu krass wird. Die weichen Themen, wie man sagt. Die Liebe und das schmodderige Drumherum, oder ehrlich gesagt, vor allem das Drumherum. Trieb und Triebabfuhr.

Und dann klickt sich dieses weiche Zeug auch noch so gut, das ist ätzend. „Es heißt ja oft, dass online nur Schund gut geklickt wird“, schrieb ein Kollege mal. Ja. Das liegt daran, dass auch in real life viel Schund gelebt wird. Das Draufhauen klickt sich besser als das Rumwühlen, und das Feuchte besser als das Trockene.

Das nächste Quälinstrument ist am Start

Apropos trocken. Die Ministerin für Dings, Sie wissen schon, ist wieder in der Hexenküche zugange, weiß Die Welt: „Ihr Gesetz zur Frauenquote ist noch nicht in trockenen Tüchern, da bereitet Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig schon das nächste Quälinstrument für die Wirtschaft vor.“ Das verrückte Ding will tatsächlich gleiche Löhne für Männer und Frauen. Uh.

Es ist hart, wenn weiche Themen sich plötzlich, da wo es ums Geld geht, in den vorderen Teil der Zeitung schummeln. Hart aber ist so vieles, denn, um in der Metaphorik zu bleiben: Was weich ist, kann hart werden.

Hart ist, dass Sie sich in Deutschland Kinderfotos oder -videos als Wichsvorlage reinziehen können, solange Sie irgendwo noch 5.000 Euro rumliegen haben. Wie beruhigend. Noch 89 Cent für eine Taschentücherbox und fertig. Ach, Moment. Das heißt auch gar nicht „Kinderfotos pder -videos als Wichsvorlage“, sorry, mein Fehler. Das heißt „Kinderpornos“. Warum denn auch nicht – es gibt Kinderschokolade, Kinderdöner, Kindersekt, warum nicht Kinderpornos.

Hart ist, wenn bei „Hart aber fair“ darüber diskutiert wird, dass niemand Unisextoiletten bräuchte, weil ja in Deutschland höchstens 0,1 Prozent der Bevölkerung nicht ins Frau-/Mann-Schema passten. 80.000 Menschen nicht zu erlauben, in öffentlichen Gebäuden aufs Klo zu gehen, das ist erfrischend brutal.

Hart ist, wenn Prostitution von armen Jugendlichen „Survival Sex“ genannt wird, das klickt sich gut, kurz nach dem Dschungelcamp. Hart ist, dass zehn Staaten in den USA Studentinnen empfehlen wollen, sich mit Schusswaffen gegen Vergewaltigung zu wehren. Weil Prävention … ach, egal.

Und wo wir schon in Amerika sind: Hart ist, dass das US-Militär in einem Jahr 84 Millionen Dollar für Medikamente gegen Erektionsstörungen ausgibt. Wer die Welt zu einem beschissenen Ort macht, muss sich nicht wundern, wenn alles andere in seiner Härte nicht dagegen ankommt.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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