Kolumne Leipziger Vielerlei: Christliches und Unchristliches
Durch die Woche in Leipzig mit schwarz gewandeten Gestalten, Perlen des Lokaljournalismus und dem drohenden Sieg des Atheismus.
S eit Freitag findet das 26. Wave-Gotik-Treffen statt – aus PR-Gründen gerne auch „das weltweit größte Treffen der Schwarzen Szene“ genannt. Keine Ahnung, ob das stimmt. Macht sich aber gut, um ein Thema aufzublasen. Denn das WGT wird bis Montag neben rund 20.000 erwarteten Besuchern auch wieder gefühlt ebenso viele Journalisten anlocken.
Kaum ein Onlinemedium kommt dann ohne 783-teilige Bildergalerie von der milchstraßenweit redundantesten Beschäftigungstherapie der lokaljournalistischen Szene aus. Wie üblich sind diese Fotostrecken dann vollgespült mit Aufnahmen von Menschen, deren Stilgefühl irgendwann zwischen dem späten 19. Jahrhundert und den späten 90ern hängengeblieben ist. Obligatorische Überschrift: Schauderhafte Schreckgestalten geistern wieder durch Leipzig.
Aber wenigstens kann man sich auf all das noch verlassen. Wenigstens kommen die 20.000 dann auch. Anders bei den Christen mit ihrem evangelischen Kirchentag am vergangenen Wochenende. Neben den Hauptveranstaltungsorten in Berlin und Wittenberg fand der in diesem Jahr mit dem „Kirchentag auf dem Weg“ auch in acht weiteren Städten statt, unter anderem in Leipzig.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
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Aber das hat anscheinend kaum jemand mitbekommen hat. Von den eingeplanten 50.000 Besuchern kam nur ein Drittel. Und die Hälfte davon waren auch noch Helfer und Mitwirkende. 7.500 Tickets wurden insgesamt verkauft. Seitdem herrscht Verwunderung. Waren die Leipziger noch ausgelaugt vom Katholikentag im vergangenen Jahr? Fehlen Ostdeutschland die Christen? Zieht die Politprominenz nicht mehr, weil man die ja auch bei Anne Will sehen kann?
2,25 Millionen Euro hatte das Land Sachsen zuvor an Fördergeldern zugeschossen. Angesichts der schlechten Bilanz stellte das Kultusministerium jedoch direkt klar: Ist nicht unser Problem, sollen sich die Veranstalter drum kümmern. Beim Geld hört die christliche Nächstenliebe anscheinend auf.
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