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Kolumne Ich meld michEin Herz für Seelen

Echte Seelen gibt es nicht mehr nur im Allgäu und in Schwaben. Aber die Seele hält sich gut gegen die industrielle Gleichmacherei.

Seelen, eine kulinarische Tradition aus Schwaben und dem Allgäu Foto: imago/imagebroker

D er Fidelisbäck in Wangen hat die besten. Das ist im Allgäu ein fester Glaubenssatz. So wie: „Ohne Meckatzer Weiß-Gold lass ich das Biertrinken lieber gleich.“ Oder: „Eine gute Singate – saftiges Birnenbrot – hat noch jeden Kummer kuriert.“

Und es ist ja auch wahr. Die 500 Jahre alte Bäckerei hat nun einmal die längste Erfahrung in der Herstellung der Seelen, jener traditionssatten schwäbisch-allgäuer Brotspezialität. So um die 30 Zentimeter lang sind sie, unregelmäßig geformt, mit Kümmel und grobem Salz bestreut. Knusprig kommen sie aus dem Ofen, manche reißen beim Backen, andere weisen Blasen auf – jede Seele hat ihr unverwechselbares Gesicht, das sie der Handarbeit in der Backstube verdankt.

Anders als die moderne Brötchengeneration aber sind sie keine Windeier aus Luft und aufgeblasenem Billigteig. Unter der Kruste ist die Konsistenz eher feucht und fest, manchmal fast ein wenig schlierig – etwas zum Zubeißen, wie der Allgäuer es mag. Benannt wurden sie wohl nach einem Gebäck aus frühen Jahrhunderten, das zu Allerseelen an Kinder und Arme verteilt wurde.

Der viel gerühmte Purist isst sie am liebsten solo oder nur mit Butter. Freilich ahnt der viel gerühmte Purist dann auch gar nicht, welche Köstlichkeit ihm so entgeht: die überbackene Seele. Sie wird auseinandergeschnitten und dünn mit Butter bestrichen. Darauf werden Scheiben von Schwarzgeräuchertem geschichtet, Tomaten mit Pfeffer und Salz sowie Emmentaler aus der nächsten Käserei.

Glühend heiß kommt sie auf den Tisch. Wer sich jetzt nicht zügelt und vor lauter Gier zu schnell hineinbeißt, zahlt mit Blasen am Gaumen. Krachen muss es, wenn man sie zusammendrückt, damit sie in den Mund passt. Eine Mischung aus Tomatensaft und Fett rinnt über die Finger. Und der Geschmack – wie ein Gruß aus einem alten Räucherkamin.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Berliner Biobäcker ihre Seele verkauften.

Richtige Seelen gibt es nicht nur im Allgäu und in Schwaben. Wen wundert’s? Wenn neuer­dings mehr Kässpätzle in Kreuzberger Kneipen serviert werden als in ganz Kempten, Laugenbrezeln die Tiefkühltruhen von Essen bis Stendal verstopfen und inzwischen selbst in Husumer Metzgereien die Bauarbeiter Leberkässemmeln zum Frühstück bestellen, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Berliner Biobäcker ihre Seele verkauften. Der industriellen Gleichmacherei aber widersetzt sich die Gute bisher erfolgreich. Zu lange muss der Teig aus Weizen- und Dinkelmehl gehen. Zu aufwendig ist es, jedes Stück per Hand zu formen.

Damit ist sie eine der letzten Bastionen kulinarischer Widerständigkeit. Zuzelt die blauen Zipfel in Nürnberg! Löffelt Labskaus in Hamburg! Gönnt euch die Eierschecke in Dresden! Und die Seele, die bestellt ihr im Biergarten beim „Sohler“ in Schönau. Schließlich muss auch die akustische Begleitmusik stimmen. „Ihr gefülltes Kümmel-Salz-Baguette, bitte sehr“ – das geht gar nicht. „An Guate!“, muss es heißen. „Und mächtesch au no a Halbe drzua?“

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