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Kolumne German AngstWehrsportgruppe Europa

Sonja Vogel
Kolumne
von Sonja Vogel

Wer hat jetzt gleich wieder welche Rechte? Und was ist das richtige Label für die Ereignisse in Köln? Straftat oder Zickenkrieg?

Plädiert für neue Männlichkeit: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke Foto: dpa

G erade darf sich jeder im Dreck suhlen. Alles ist möglich nach Köln, Rassismus oder Sexismus pur, liberale Deutschtümelei, linker Heimatschutz, feministischer Rassismus, konservativer Feminismus.

In schlimmster Weise hat der russische Schriftsteller und Ex-Dissident Eduard Limonow eine Zusammenfassung dieser Debatte gegeben. Man solle sich Migranten vorstellen, schrieb er, „schwarzäugig, dunkelhäutig, vom Alkohol angetrieben, wie sie blonde deutsche Fräuleins umzingeln wie Wölfe und ihnen die Kleidung vom Leib reißen“.

Der Höhepunkt ist eine Art feuchter Traum der hiesigen Matusseks – etwas, was man sich so noch nicht zu sagen traut, aber die Grenzen des Sag- und Denkbaren verschieben sich ja gerade flott: „Bereitet euch auf Deutschen-Pogrome vor, ihr Deutschen. In diesem Kampf auf Leben und Tod könnt ihr entweder mannhaft werden oder ihr werdet zertreten.“

Da ist für jedeN etwas dabei. Für den schmierigen Typ Frauenrechtler, der vom „Sex-Mob“ spricht und gern en détail darüber informiert werden möchte, wie der schwarze Mann die blonde Frau missbraucht hat. Für die konservativen FeministInnen um Alice Schwarzer und Erika Steinbach (1997 hat sie noch gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt) – oder heißt es „Feministen“ im generischen Maskulinum, weil ja alle mit gemeint sind?

So wie bei der Verkündung der Bürgerrechte 1789 für den weißen Mann, stellvertretend: Mit Mehrfachmaß jedenfalls wird bis heute gemessen. Die Gleichheit für alle ist eine Frage der Perspektive. Je nachdem, wer wen belästigt. Oder hat Gauck, Lackmustest für Volksempörung, nach Köln von „Tugendfuror“ gesprochen? Nein. Wenn man nämlich weiß, wer sich an wem vergreift, lässt sich leichter entscheiden: Straftat oder Zickenkrieg?

Bodenlose Liebe zur Nation

Weil das Strafrecht den Einzelfall prüft, man aber die gruppenspezifische Verurteilung will, wird die Dicke Bertha der deutschen Debattenkultur aufgefahren: so etwas wie Moral. „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht (…) verwirkt“ (Sarah Wagenknecht). Wenn der Rechtsstaat es nicht schafft, zwischen Deutschen und Ausländern zu unterscheiden, muss es die Krücke „Gastrecht“ tun.

Das hört sich doch an wie in den umliegenden Ländern. Und letztlich teilt sich Europa doch die bodenlose Liebe zur Nation. Die EU zerfällt, politisch und moralisch. Jeder Stamm bekommt sein Planquadrat, sein Schlagbäumchen. Grenzzäune.

Björn Höcke hat vorausgesehen, wie wir unser Gastrecht und unsere Frauen missbrauchen lassen: „Das drängendste Problem ist, dass Deutschland, dass Europa ihre Männlichkeit verloren haben. Nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft, und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft.“

Jetzt ist die Zeit dieser europäischen Stammesfürsten und ihrer Wehrsportgruppen und Kiezversammlungen. Man kann täglich einen Vorgeschmack bekommen: bewaffnete Hools, Neonazis und BürgerInnen, die das Recht gern selbst in die Hand nehmen, um sich gegen Nordafrikaner, Taschendiebe und Gesocks zu schützen.

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Sonja Vogel
tazzwei-Redakteurin
Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.
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11 Kommentare

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  • Lieber Mowgu, mein Interesse an Besinnungsaufsätzen ist eher gering; deshalb nur soviel zu dem Ihren: Meine Andeutung bezog sich auf Frau Vogels ungelenkes Deutsch. Sie können sich diesen Hinweis gern teilen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wieso "hiesige Matusseks"?

    Hat der mit der Sache zu tun?

  • Alive Schwarzer ist eine konservative Feministin. Aha - habe ich mal wieder was gelernt: Feminismus ist jetzt konservativ!?

  • "… teilt sich Europa doch die bodenlose Liebe zur Nation" – liebe Frau Vogel, machen Sie es Ihren Lesern doch bitte etwas leichter und schreiben Sie weniger wirrsinnig.

    • @Erich Virch:

      Glückwunsch, sehr geehrter ERICH VIRCH! Sie haben es geschafft, alle Buchstaben des deutschen Alphabets auswendig zu lernen. Sie sollten nun unbedingt dran bleiben. Sie werden sehen: Irgendwann ergeben die Worte, die daraus gebildet werden, auch einen Sinn. Sie müssen nur sehr fleißig weiterüben. "Wir schaffen das!", würde Frau Merkel sagen.

       

      Bis es so weit ist, hier eine kleine Hilfestellung: Europa ist ein politisches Konstrukt. Wichtige Menschen haben es mit dem Ziel gegründet, die nationalen Grenzen der einzelnen Staaten zu überwinden. So sollte sich "die Wirtschaft" besser entfalten können. Das hat tatsächlich auch geklappt. Leider liebt "die Wirtschaft" nur das Geld und nicht die Menschen. Sie hat also die Menschen nicht sehr profitieren lassen von ihrer neuen, grenzenlosen Freiheit. Die Menschen sind deswegen sauer. Sie gönnen der Wirtschaft ihre Freiheit nicht. Lieber sperren sie sich selber wieder ein bzw. aus, als dass sie "die Wirtschaft" weiter grenzenlos wachsen lassen. Denn dank der grenzenlosen Wirtschaft können sie nicht mehr so richtig unterscheiden zwischen sich und allen anderen. Die Städte, die Autos, die Klamotten, das Essen - alles sieht gleich aus, schmeckt, riecht, klingt gleich und fühlt sich auch gleich an. Das irritiert. Das Ergebnis der Verwirrung ist überall in Europa zu beobachten und nennt sich neuer Nationalismus. Man kann aber auch "bodenlose Liebe zur Nation" dazu sagen.

  • Wenn die Politik, Regierung, Abgeordneten in Land und Bund auf die berechtigten Sorgen der Bürger aus welchen Gründen auch immer nicht mehr eingeht und einfach "Wir schaffen das"-Weiter so, dann ist es so wie es kam und jetzt ist. Ich lese nur noch ausländische Medien, es kotz einen an, immer dieselbe Soße vorgesetzt zu bekommen. Warum beharrt Frau Merkel auf ihrem am 4.9.2015 entschiedenen Unsinn, eine einsame Irrsinn's-Leistung die uns alle nun schon monatelang 24 Stunden/Tag im Ausnahmezustand dahin trudeln lässt und diesem Staat, den Ländern, Kreisen, Kommunen sinnlos irre Kosten aufbürdet? Klar, es gibt so auch bei uns Syrien-/Irak-/Afghanistan-Kriegsgewinner, 1,5 Mio Flüchtlinge aus den Ländern unterzubringen, zu versorgen, bewachen, u.v.a.m. sorgt für Aufträge bei den leistenden Firmen. Die wollen womöglich dass der Wahnsinn weitergeht. Die Gesellschaft will es NICHT!

    • @Joey Unterwerner:

      Sie verwechseln da etwas, verehrter JOEY UNTERWERNER. Sie sind NICHT "die Gesellschaft". Sie können also gar nicht wissen, was "die Gesellschaft will" und was nicht. Sie wissen ja nicht einmal, was Sie selber wollen. Sie "wissen" nur, was man Ihnen eingeredet hat.

       

      Sie tun mir leid. Es muss sehr unangenehm sein, "schon monatelang 24 Stunden/Tag im Ausnahmezustand dahin" zu "trudeln". Persönlich kenne ich zum Glück niemanden, der sich so fühlt. Was mich nicht wundert. Die "sinnlos irre[n] Kosten" schließlich, die "diesem Staat, den Ländern, Kreisen, Kommunen […] auf[ge]bürdet" werden, sind ein Problem, das es schon ziemlich lange gibt. Sehr viel sinnloser, als in Deutschland Geld für Flüchtlinge auszugeben, ist es, wenn die Knete in fremde Kriege, bodenlose Großbanken oder eine Exportwirtschaft gesteckt wird, für die Menschen nur ein Kostenfaktor sind. Mein Rat: Gehen Sie zum Psychologen, wenn Sie Panikanfälle haben. Der verschreibt Ihnen was dagegen.

       

      Ansonsten kann ich nur vermuten, dass Sie einer jener Männer sind, die Matussek und Co. sich wünschen. Das "Selbstporträt" neben Ihrem Kommentar spricht jedenfalls Bände. Sie haben, stelle ich mir vor, Angst um eine Identität, die zwar nicht Ihre ist, aber bedroht. Und zwar ausgerechnet von den Schwächsten, von Sprach- und Heimatlosen, Frauen und Kindern. Sie glauben, Sie müssten zurück in eine Zeit, in der männlich gleich mannhaft und mannhaft gleich wehrhaft war. Ein Mann, ein Schlag, sozusagen. Merken Sie denn wirklich nicht, wem Sie damit einen Gefallen tun? Kleiner Tipp: Sich nicht.

       

      Ich glaube kaum, dass "die Gesellschaft" Ihr schweres Los gern teilen möchte. Sie wäre ja schön blöd. Also träumen Sie ruhig weiter davon, Deutschland oder doch wenigstens ein echter Mann zu sein. Ich hoffe für Sie, man weckt sie nicht so bald. Es könnte schmerzhaft werde. Für uns alle.

    • 1G
      12239 (Profil gelöscht)
      @Joey Unterwerner:

      Und wer gibt dir das Recht für "die Gesellschaft" zu sprechen?

  • Warum wird das Thema Köln eigentlich vier Wochen hoch geschrieben? Vielleicht weil die Ereignisse selbst wie eine Karikatur rechtsextremer Propaganda waren und alle das erst mal unter den Teppich kehren wollten und sich dann schämten? Vielleicht weil es uns unsere eigene Realitätsbeschönigung um die Ohren geschmissen hat. Wenn man sich auch heute noch für Solidarität und Willkommenheit einsetzt, dann muss das realistischer sein, sonst verliert man alle Glaubwürdigkeit oder den eigenen Sinn für die Realität.

     

    "Und letztlich teilt sich Europa doch die bodenlose Liebe zur Nation. Die EU zerfällt, politisch und moralisch. Jeder Stamm bekommt sein Planquadrat, sein Schlagbäumchen. Grenzzäune."

     

    Woher kommen wir, wohin gehen wir? Grenzen waren früher Realität, mein Onkel musste als er nach Paris ging noch eine Liste mit jeder Socke in seinen Koffer auf Französisch führen, dann hat man sie abgebaut, wenn jetzt ein wenig Grenze zurück kommt, dann schadet das doch nicht. Hauptsache die Marschrichtung ist klar. Wie soll man denn die Lage sonst lösen? Man kann Binnengrenzen abbauen, wenn die Außengrenzen stärker verteidigt werden. Da die Außengrenzen gerade nicht stark genug sind, braucht man vorläufig wieder stärkere Binnengrenzen. Gar kein Grund zum Drama. Und selbst wenn man in die 80er Jahre zurück käme, wäre das nun wirklich kein Grund sich in die Hosen zu machen. Die Globalisierung für die Menschen war sowieso eine dreiste Lüge. Mit dem Beschäftigungsstand der 80er könnten wir auch 3,5 Millionen neue Sozialhilfeempfänger durchfüttern, aktuell wissen wir, dass alles zusammen krachen wird.

    • @Ansgar Reb:

      erst mal zu Köln:

      die stop!polizei hatte sich nicht klargemacht, dass für viele taschengediebte frauen die definition von sexualisierter gewalt/sexueller nötigung eine andere ist als die polizei-übliche, in der gewalt erst da beginnt, wo den taschengediebten männern ein messer ans gemächt gehalten wird. hat was mit bildern von männlichkeit+gewalt zu tun und mit nur mühsam gezügelter homophobie im deutschen polizey-corps.

      näheres entnehmen Sie diesem überaus aufschlußreichen polizei-presse-gespräch https://www.youtube.com/watch?v=Sa8XE8tfuDY

      danach verstehen Sie, weshalb die stop!polizei die anzeigenden frauen erst nicht ernst nahm, sich später auf komplette überforderung herausredete und sich am ende alle darin einig waren, dass diese nordafrikaner+flüchtlinge die wichtigste körpergrenze überschritten hätten, wo gibt: nämlich die zum am körper getragenen eigentum.

       

      über die socken Ihres onkels auf frankreichfeldzug muß ich erst noch nen bißchen nachdenken. aber ich bin sicher, dass mir dazu auch noch jede menge einfällt.

    • @Ansgar Reb:

      Gehen wir wieder da hin, wo wir hergekommen sind?

       

      Grenzen waren erst Realität, dann waren sie Geschichte. Nun sollen sie wieder Realität werden. Und warum? Weil es "[nicht] schadet"? Unsinn! Natürlich schadet es. Aber es nutzt halt auch. Nur nicht den ganz normalen Leuten. Es nützt Menschen, die von der Dummheit und der Feigheit anderer profitieren. Ich mag solche Leute nicht. Deswegen habe ich was gegen eine "Marschrichtung", die ausschließlich ihnen Vorteile verschafft.

       

      Welche "Lage" haben wir denn grade? Die Kriegstreiber haben eine Art "Völkerwanderung" ausgelöst. Menschen, die sich nicht abschlachten lassen wollten im Namen der Angst und zum Vorteil anderer, haben sich auf den Weg gemacht zu uns. Einige scheinen sich vor diesen Menschen zu fürchten. Weil sie glauben, dass sie Ansprüche stellen, denen unsere Gesellschaft nicht gewachsen ist. Blöde Idee! Hätten sie darauf warten wollen, dass jemand anderer sie rettet, wären die Flüchtlinge gar nicht hier. Deutsche Behörden überfordern sich selber. Manchem geht Kompetenzen halt über Sinn. Zu Onkels Zeiten haben solche Typen Frankreich mit langen Listen voller Socken und Unterhosen gerettet.

       

      Wäre Frankreich untergegangen ohne diese Listen? Ich glaube nicht. Und wenn Deutschland nicht jeden Flüchtling innerhalb von vier Wochen registriert, wird es vermutlich auch nicht untergehen. Selbst dann nicht, wenn die Bild das umgehend beschreit und Matussek ein Buch darüber schreibt.

       

      "Aktuell wissen wir, dass alles zusammen krachen wird"? DAS ist eine "dreiste Lüge". Unter geht, wer aufhört, an sich selbst zu glauben. Schon zu oft sind Deutsche Leuten nachgerannt, die andere gerne über Klingen springen sehen. Vor 2000 Jahren haben sie Gladiatoren kämpfen lassen. Heute lassen sie Idioten kämpfen. Nur, damit sie am Schluss ihren Daumen abwärts halten können.

       

      Nein, ich will nicht da hin, wo wir mal hergekommen sind! Ganz bestimmt nicht!