Kolumne Gefühlte Temperatur: Es stinkt und es kostet
Die Konferenz in Paris tut etwas fürs Klima. Mit dem Wohlfühlklima auf dem Konferenzgelände ist es hingegen nicht so weit her.
a pue!Es stinkt. Und das beim Betreten des Hochsicherheitszeltes, in dem alle Gipfelstürmer durchleuchtet werden. Es stinkt nach Schweiß, nach beengt gehaltenen Insassen von Terrarien und nach über eine Woche Gipfel beginnt die dunkelgraue Auslegware auf dem Boden auszufransen. Dass ich mir als nichtmanikürte Frau beim Betreten des Securitybereichs am kantig-spitzen Türknauf fast die Hand aufgeschnitten hätte: geschenkt.
Ansonsten gibt es gratis nur Wasser und Reden – Letztere in Gängen, in Hallen, live zum Angucken, übertragen auf hunderte Bildschirme, oder auch nicht zum Angucken, weil hinter verschlossenen Türen. Alles andere: ça coute cher, es kostet Knete. Ein zierliches Sandwich ist unter 5 Euro nicht zu haben, dafür aber mit Einweg-Holzbesteck.
Ordentliches auf die Hand gibt es zu reellen Preisen nur bei Achsele, wie er sich ausspricht, oder Axel, wie sein Namensschild verkündet. Er betreibt den modern gehaltenen Bretterverschlag „Chalet Montagnard“ und hat Raclette im Angebot, mit Pellkartoffeln und Käse. Für 6 Euro gibt es einen Glühwein dazu. Sie nennen ihn hier Vin Chaud und er trinkt sich so plörrig wie auf jedem Christkindlmarkt.
Das findet auch der recht junge Scheich Hamad bin Hamdan al-Khanran aus dem Oman. Letzte Woche sei er in Köln gewesen: „Der Glühwein dort war zu süß.“ Scheich Hamad wird abgeholt von einer Dame auf Stilettos. Sie trägt ein gefrorenes Lächeln und viele Akten. Er verabschiedet sich von mir, im Fortgehen rafft er sein mintfarbenes Gewand. Wenig später sehe ich die Rückenfront des Scheichs am Pissoir.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Die COP-Toiletten, und ich prangere das an, sind meist so konstruiert, dass der weibliche Blick zwangsläufig an den nahe der Männertür angebrachten Pissoirs hängenbleibt. Und manchmal stehen da eben Scheichs. Meine Raclettebekanntschaft bringt ihr Geschäft wohl zum Abschluss, ich verschwinde schon vorher diskret auf mein Örtchen.
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