Kolumne Flimmern und Rauschen: Wiederauferstehung in Mainz
Vor knapp drei Jahren verdrückten einige Krokodilstränen wegen eines abgeschalteten Kanals. Jetzt ist ZDFkultur wieder da.
T homas Bellut ist ja ein Fuchs. Der ZDF-Intendant hält meistens die Klappe, wenn es um die Wurst geht. Und schnappt dann zu, wenn der Rest der Medienkarawane hübsch mit sich selbst beschäftigt ist, weil mal wieder ein Barde geteert oder eine Linguistin gefedert werden muss. Letzte Woche durfte man also Zeuge einer Wiederauferstehung sein, mit der die Mainzer so ganz nebenbei auch noch das Genöle über ihren Hauptkanal locker kontern konnten: ZDFkultur ist wieder da.
Genau: ZDFkultur, dieser vor knapp drei Jahren unter Verdrückung der einen oder anderen Krokodilsträne abgeschaltete Digitalkanal. Wir erinnern uns: Statt einen digitalen Jugendkanal im richtigen Fernsehen zu platzieren, hatte die Medienpolitik in einer ihrer raren Sternstunden den Öffentlich-Rechtlichen ein junges Angebot im Netz – und nur dort – verordnet. Es war die Geburtsstunde von Funk. Und dafür mussten ARD und ZDF jeweils einen ihrer digitalen TV-Ableger stilllegen.
Das ZDF hat daraus gelernt und funkt ZDFkultur jetzt ebenfalls online only. Übrigens mit Vorwarnung: Schon gleich 2016 hatte Bellut – um den Kulturpessimisten etwas entgegenzusetzen – eine „Kulturplattform“ angekündigt. Konnte keine was mit anfangen, die meisten hatten es auch vergessen. Jetzt ist sie da. Und sie ist gut. Der Kulturbegriff ist breit, das Angebot bunt und tatsächlich auch mal in weiten Teilen onlineaffin. Den Rest kann sich jedeR in der ZDF Mediathek selbst angucken.
Dafür gab’s bei der Berlinale, wo das ZDF der anwesenden Medienpolitik und Kulturdeutschland das Ding vorstellte, auch jede Menge Honig ums Herz. So viel Lob fürs Öffentlich-Rechtliche kam schon lange nicht mehr aus Malu Dreyers Mund – in Sachen Auftrag und Struktur fährt die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder mit ARD und ZDF aktuell ja eher Schlitten.
Medienprofi Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.
Aber bei ZDFkultur geht’s ja auch nicht ums Geld, jedenfalls hat laut Bellut das ZDF alles aus Bordmitteln und mit den Kulturpartnern gestemmt. Und wer jetzt weiterlamentiert, dass damit vermutlich bis auf Reste wie „aspekte“ die Kultur im ZDF Hauptkanal auch nur noch als Krimi weiterexistiert, hat vielleicht sogar recht. Aber es nützt nix.
Die Killer-Application von Bellut kam da aber noch: ZDFkultur will nämlich nicht nur für Partner aus dem Kulturbereich weit offen stehen. „Wir sind offen für Koalitionen mit allen willigen Sendern.“ Das heißt vermutlich außer RT Deutsch und meint natürlich die ARD, wo einzelne Herren ja auch Plattformpläne hegen. Und so goss der alte Kriminologe sein Plädoyer für Durchlässigkeit in den unsterblichen Satz: „Warum sollte ein etwas Verwirrter, der bei uns in der ZDF Mediathek den ‚Tatort‘ sucht, nicht zur ARD weitergeleitet werden?“ Ja, warum eigentlich nicht!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt