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Kolumne Flimmern und RauschenDie Untoten im Mediengeschäft

Die Idee der Medienkongresse ist nicht ganz schlecht. Die geringe Graudichte und viele junge Menschen unter den Teilnehmern geben Hoffnung.

Junge Messebesucher an einem Google-Stand der Medientage München Foto: dpa

D as Schlimme am Mediengeschäft sind die Untoten. Da passieren dauernd neue Dinge, eine ganze Industrie dreht digital durch, aber eigentlich bleibt alles beim Alten, sonntags läuft die „Lindenstaße“, und im Oktober trifft man sich in München bei den Medientagen.

Die finden – anders als die „Lindenstraße“ – immerhin wirklich in München statt, wirken wie so ziemlich alle klassischen Medienkongresse aber bei allen Bemühungen um krassdenglische Motti (zur Erinnerung: 2018 war es „Engage! Shaping Media Tech Society) aber seltsam aus der Zeit gefallen. Nein, da shaped nix, weshalb Nordrhein-Westfalen sein Medienforum schon im Vorjahr heimlich, still und leise zu Grabe getragen hatte.

Andererseits ist die Idee, Marktplätze zu haben, auf denen man mal den Stand, Sinn und Zweck des medialen Hin- und Hers verhandeln und vermessen kann, nicht ganz schlecht. Womit wir in Mittweida wären. (Für Banausen: Mittweida liegt in Sachsen, anderthalb Zugstunden von Leipzig entfernt).

Hier liefern Studierende der ortseigenen Hochschule jährlich ein Medienforum ab, das so gar nichts von der grauen Flanellmännchen-Tristesse hat, die die anderen Medienkongresse wie Mehltau befällt.

Völlig anders

In Mittweida liegt das vermutlich daran, dass hier wirklich alles von den Studis handgeschnitzt ist. Und weil die Studiengänge hier auch wunderbare Medieningenieurinnen hervorbringen und Mittweida neben der kleinsten UKW-Fequenz Deutschlands fürs Uniradio 99drei noch schlappe drei TV-Kanäle im Stream produziert, kommt kein Referent unter drei Interviews raus.

Beim Laden, der 1867 als Technikum Mittweida angefangen hat, geht’s um Technik, Filmmusik, warum das Drehbuch für „Dark“ und Netflix zu schreiben völlig anders ist als für klassische Sender, um E-Sports und Technik für die virtuellen Räume – alles ein bisschen mehr hands-on als bei den Großkongressen der Branche. Und parallel pressen die Studis in Workshops dann noch das Letzte aus ihren Gästen raus. Clever.

Hier wirken denn auch die englischen Workshop-Titel nicht so gewollt wie in München, und das auf unserem Satire-Panel keine Frau … okay, das wird nächstes Jahr besser.

Ähnlich vielversprechend ist vielleicht noch der Campfire-Zirkus in NRW, den Correctiv im Sommer vor den Düsseldorfer Landtag gekippt hatte: Auch hier normale, junge Menschen, jede Menge Medienthemen und die definitiv geringste Graudichte in diesem Jahr (in Mittweida müsste man den Lehrkörper mal neu einkleiden, der zog die Quote empfindlich nach unten.)

Es gibt also Hoffnung, und von den Branchendinos können wir getrost Abschied nehmen. Auch wenn das einigen – siehe „Lindenstraße“ – schwerfällt.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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2 Kommentare

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  • Die 'Medienkongresse' wurden in den 80er und 90er Jahren von den Landesregierungen nur ins Leben gerufen, um den jeweiligen Medienstandort zu promoten. So schmückten sich Hamburg (Presse - Studio Hamburg), Berlin (Presse), Köln (RTL) und München (Kirchgruppe) mit opulenten Kongressevents, der Mitteldeutscher Medientreff war nicht relevant. Gekennzeichnet durch langweilige Podien, in denen sich mediale und politische Selbstdarsteller tummeln durften, dienten sie der Standortpflege. Nachem die hochfliegenden Pläne der SPD in NRW scheiterten, Hamburg mit dem Abzug Springers zweitrangig wurde, Berlin als Medienstandort nur wegen der Bundesregierung wichtig ist und München nach der Kirch-Pleite auch nicht mehr der Nabel der Medienwelt ist, wurden die Kongresse abgeschafft oder eingedampft. Sie dienten nie der ernsthaften und kritischen Mediendebatte - insofern ist das Ende dieser PR-Dinos kein Verlust. Intertessant wäre, wieviele Steuergelder in den vergangenen Dekaden in diese Medienevents geflossen sind.

  • Eines ist sicher, wir brauchen nicht noch mehr Medien, sondern Qualität in den Medien. Was hilft es wenn hippe, junge, ganz krasse Influencer ihren 5. Channel online geben, oder noch ein Quasselradiosender ins Netz geht? Es ist sicherlich notwendig, die ganzen Dinosaurier, die ihr Handwerk noch in einer analogen Welt gelernt haben, noch eine Weile am Leben zu halten - sonst besteht die Medienlandschaft nur noch aus 15 Sekunden Spots, die die Aufmerksamkeitspanne der Konsumenten bedienen.