Kolumne Eier: Patriarchat smashen für die Umwelt
US-Forscherinnen untersuchen umweltfreundliches Verhalten und dessen Genderkonformität. Das Ergebnis ist so überraschend wie trügerisch.
H and heben: Wer trägt Greta Thunberg im Herzen und hat auf eine Flugreise verzichtet? Einen fleischlosen Monat ausgerufen? Ist zu einer Fridays-Demo gegangen? Ich weiß, wir sind eigentlich ja alle ultraklimabewusst, aber Bahn fahren, da verliert man einen Tag Urlaub, und immer nur Bulgurbowls essen … Sie kennen das, alle diese Gründe, warum man nicht einfach umsteigt auf ein Verhalten, mit dem wir dieses Jahrhundert überleben. Alles echt schwierig. Zusätzlich hat eine Gruppe Wissenschaftlerinnen aus den USA eine weitere Klimaschutzbremse gefunden. Sie ahnen es: Männlichkeit.
In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Sex Roles“ steht ein Paper von Forscherinnen des Penn-State-Psychologieinstituts über umweltfreundliches Verhalten und dessen Genderkonformität. Die Studie ist interessant, denn zwar ermittelt sie das Offensichtliche, nämlich dass es starke Männlich-weiblich-Assoziationen mit Umweltschutz gibt. Aber sie tut es eben auch genau zur richtigen Zeit. Sie wissen schon, diese Klimaproteste, die überwiegend von jungen Frauen besucht werden und an deren Spitze junge Frauen stehen.
Die Autorinnen stellen zunächst in einem absurden Versuchsaufbau fest, dass Umweltschutz gegendert ist: Den Reifendruck am Auto regelmäßig checken ist männlich, Wäsche aufhängen statt in den Trockner werfen weiblich. Sie erzählten ihren Testpersonen Geschichten über ausgedachte Frauen und Männer, die dies und jenes tun, um die Umwelt zu schonen. Im Anschluss mussten die Testpersonen die sexuelle Orientierung dieser erfundenen Figuren erraten.
So kam auf unnötig komplizierte Weise heraus: Sorge ums Klima, um die Natur wird als etwas Weibliches gesehen, im Patriarchat ist das ganze Thema abgewertet. Irrational, sentimental, bisschen hysterisch, diese Klimaleute. Und selbst wenn man das Problem erkennt, muss man es durch technischen Fortschritt lösen (m) statt durch umsichtiges Haushalten (w). Auf keinen Fall darf man das Autofahren und Fleischessen einschränken!
Und Onkel Manfred?
Ich mache mich zwar lustig über die US-Forscherinnen, weil sie Testsubjekte mit Fragen verwirren, um rauszukriegen, wozu man auch Onkel Manfred ein Faltrad und Salat mit Mungbohnensprossen in die Hand hätte drücken können. Dennoch ist das Forschung an der richtigen Stelle. Natur gilt als Frauensache (zumindest heute), darum wird Umweltpolitik depriorisiert als Nebensache, um die sich Frauen kümmern sollen und deren Auswirkungen Frauen als Erste zu spüren kriegen. Wenn man also fragt: Wie machen wir Umweltschutz cool?, dann fragt man implizit immer auch: Wie machen wir Umweltschutz männlicher?
Wahrscheinlich ist das der falsche Weg. Wahrscheinlich müssen viel eher alle ein bisschen weiblicher, schwuler, queerer, mehr trans und regenbogig werden, was unser Verhältnis zur Umwelt angeht.
Ich weiß, ich weiß, als feministisches Argument ist das fürchterlich 70er-retro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung