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Kolumne EbenDialektik des Rumnervens

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Studenten nerven. Das ist ihr Job. In der Hysterie um das „Münkler-Watch“-Blog aber wird der aufmüpfige Student zum Bombenleger gemacht.

Blink. Blink. Achtung, Achtung! Bombenleger-Studis in der Vorlesung Bild: dpa

S tudenten nerven. Rumnerver könnte sogar ihre standardisierte Profilbeschreibung sein. Richtig schlimm nerven sie dann, wenn sie glauben, ein Naturrecht auf Ermäßigung zu haben und dafür bis vor UN-Sondergerichte gehen, wenn ihnen Schwimmbäder und Busfahrer den vollen Eintrittspreis abknöpfen wollen.

Sie nerven aber vor allem, weil sie Besserwisser, Klugschwätzer, Rechthaber sind, weil sie sticheln und pieksen und bohren und ständig alles in Frage stellen. Besonders nerven sie aber natürlich, wenn sie auch noch so was wie links sind. Dann kommt zum permanenten Fingerschnipsen, das mal auf der Suche nach Anerkennung, mal auf der Suche nach Erkenntnis ist, auch noch der Sound der Werkstoragitation, der dem Statuseintrag als Rebell im Getriebe staatlicher Institutionen möglichst viele Likes bescheren soll. Das kann verdammt nerven, zumal in den vergangenen Jahren, in denen der fingerschnipsende Widerspruch schon bei der Ansprache einer Person beginnt.

Das allerdings, was linke Studenten in der vergangenen Woche über sich lesen mussten, war nicht Genervtheit. Es war Hysterie, eine, die der um den „langhaarigen Bombenleger" aus dem Deutschen Herbst starke Konkurrenz macht.

Denunzianten und Feiglinge

Der Professor für politische Theorie, Herfried Münkler schmähte die Betreiber des „Münkler-Watch"-Blogs, in dem ihm „Extremismus der Mitte" vorgeworfen wird, als „Denunzianten" und „Feiglinge". Seine Verteidiger, das kann man überall nachlesen, fanden das auch und warfen den Watchdogs in ihren Berichten vor, gar keine Studenten zu seien, sondern nur „angebliche", „vermeintliche", „behauptete". „Trotzkisten" und „Blockwart" hatte der Professor die Wächter genannt, „Linksextreme" hießen sie dann in der Presse.

Die wusste, dass „Linksextreme" auf Plattformen wie Indymedia unterwegs sind, wo „Mordaufrufe und Bombendrohungen" verbreitet würden. Nicht schlecht. Schlechter recherchiert eigentlich nur der Verfassungsschutz, wenn es um Rechtsextreme geht. Das Grimme-Institut hatte Indymedia noch für den Förderungspreis Medienkompetenz nominiert, die Mordaufrufe haben die sicher übersehen.

Wie würden die Leute genannt werden, wenn herauskäme, dass hinter denen, die das Blog „Münkler-Watch" betreiben, ordentlich eingeschriebene, also Gebühren zahlende und stinknormale, nicht mit Bomben drohende und zu Mord aufrufende, inhaltlich und begrifflich vielleicht nicht besonders präzise Studenten stecken?

Kann man ernsthaft denken, dass ein Dutzend Studierende einen in der Öffentlichkeit auf größten Podien sprechenden Professor in seiner freien Meinungsäußerung bedrohen und die Aufzeichnung seiner Vorlesungen mit Mordaufrufen vergleichen?

Aus dieser Hysterie spricht wohl eher die eigene Anst, dass eventuell irgendwas auch nicht ganz ok ist mit den eigenen Vorstellungen von Welt, Geschlecht, Krieg, Kapitalismus und Angel Merkel. Man ist ganz froh, wenn Akademiker den Job übernehmen, die Welt, wie sie ist, so in Frage zu stellen, wie es gerade der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaftler Joseph Vogl vorzeigbar tut.

Asymmetrische Theorien

Sand im Getriebe aber lässt sich nicht gut vorzeigen. Das knirscht, das tut weh. Man kann dieses Wachhundprinzip und vor allem seine polizeiliche Reflexhaftigkeit - wer Carl Schmit zitiert, ist Fascho, wer Witze über gegenderte Sprache macht, Sexist - falsch und nervig finden. Man kann das nervtötende Kläffen aber auch zum Anlass nehmen, mal genauer hinzugucken, was die eigentlich für politische Theorie zuständigen deutschen Lehrstühle derzeit so an asymmetrischen Theorien zu bieten haben.

Adorno - ebenfalls nicht zimperlich mit Faschismusvergleichen für aufmüpfige Studenten - hatte es auch mit inhaltlich und begrifflich nicht sonderlich präzisen Studenten zu tun. Wenn sie es arg trieben, rief er auch schon mal die Polizei. Und es gibt bis heute Leute, die behaupten, dass Adorno an den Folgen des „Busenattentats" starb.

Nun, man kann sich über allerlei aufregen und daran sterben. Aber würde es nicht eine Pflichtverletzung der Rumnerver sein, würden sie einem Professor für kritische Theorie und dialektisches Denken die Dialektik des Dekollétes vorenthalten? Eben.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Zu Münkler Watch gibt es jetzt auch eine Stellungnahme der Fachschaftsinitiativen Erziehungswissenschaften, Gender Studies und Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität, die sich hauptsächlich mit dem FAS-Artikel „Unser Professor, der Rassist“ von Friederike Haupt (FAS v. 17.5.2015) beschäftigt: https://ewistudierende.wordpress.com/2015/06/07/stellungnahme-zu-munkler-watch/ https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/Fachschaftsinitiative/aktuelles

  • der eigentliche Vorwurf ist doch eher, dass Studenten im zweiten Semester (oder so ähnlich weit) glauben, schon so schlau zu sein bewerten zu dürfen, was im Seminar erzählt werden darf und was nicht. Andererseits sind sie aber nicht schlau genug, dieses Wissen einfach offen in den Seminaren zu vertreten und zu erklären, warum es unangemessen sein soll, manche Autoren zu behandeln. Der Erkenntnis, dass man sich auch mit "bösen" oder angeblich bösen Menschen beschäftigen muss, wenn man die Welt verstehen will, wird ihnen wohl auf ewig verschlossen bleiben. Das steht aber auch dem Studienerfolg im Wege.

    Frage: wenn die schon alles wissen, wieso gehen sie eigentlich zur Uni? Vielleicht sollten sie selbst eine grünen, an der sie ihr Wissen teilen...

  • Asymmetrische Theorien... Der war gut, den kannte ich noch nicht.

    Spaß beiseite. Wenn ich den Artikel mal nicht gegen den Strich lese, dann impliziert die Forderung nach Nicht-Herrschafts-konformen Theorien, dass diese Theorien von den Professoren entwickelt bzw. vorgetragen werden?!

     

    Ein Vorschlag: Kann man diese Theorien nicht von der Rezeptionsseite lösen?! Theorien kann man selber machen! Hat den Vorteil, dass man nebenbei mitkriegt, wie SCHWER das ist. Viel schwerer als nur die Vorlesungszeit abzusitzen... Oder Münkler zu watchen...

  • Herfried Münkler des „Extremismus der Mitte" zu überführen ist eine verdienstvolle Fleißarbeit. Und wer so ignorant gegenüber Herrschaftsverhältnissen ist, Hierachien und Abhängigkeiten nicht als solche zu erkennen, disqualifiziert sich als KritikerIn des Blogs „Münkler-Watch" gründlich auf recht blamable Weise. Unter den Talaren, der Muff von tausendundsiebzig Jahren.

  • Eines vorweg: Ich mag Münkler nicht. Mir wurde anonym zugetragen, er solle im kleinen Kreis behauptet haben, die Wurstforschung könne man getrost Metzgern überlassen, sie sei einer Hochschule nicht würdig. Da kommen mir diese Münklerwatcher gerade recht, ob die nun "so etwas wie links" sind oder nicht.

     

    Allerdings frage ich mich, wie man schreiben kann:

    "Wie würden die Leute genannt werden, wenn herauskäme, dass hinter denen, die das Blog „Münkler-Watch" betreiben [...] Studenten stecken?"

    - wenn man nicht auf aktiver Suche nach dem allerletzten Strohhalm zur Verteidigung der kleinen anonymen Schmutzkübler ist, weil die ja sowas wie links, und daher ganz bestimmt gut, edel, wohlgesonnen sind?

  • Aus dem Artikel:

    "Man kann das nervtötende Kläffen aber auch zum Anlass nehmen, mal genauer hinzugucken, was die eigentlich für politische Theorie zuständigen deutschen Lehrstühle derzeit so an asymmetrischen Theorien zu bieten haben. "

     

    Was sollen denn asymmetrische Theorien in dem Zusammenhang sein?

  • Sehr geehrte Faru Akrap,

    ich hoffe, sie werten meine Zuschrift nicht als Beleg für Ihre abwegige These vom Wachhundprinzip, wenn ich anmerke, dass sicher das Zitieren von Faschisten wie Schmitt nicht anstößig ist, wenn man die Zitate und Herrn Schmitt in ihren Kontext stellt und nicht unbesehen stehen lässt. Wenn dieser wissenschaftliche Zwerg, der den Profiberater mimt, dies aber tut, um sich mit Aura zu umgeben, dann sollte man die Hunde von der Leine lassen - wenn Sie die Ironie der Verwendung des von Ihnen benutzten Bildes zu goutieren vermögen...

  • Den Amok laufenden Journalisten (und auch Herrn Münkler selbst) empfehle ich zur rechtlichen Bewertung und Begriffsdefinition diesen Artikel von Rechtsanwalt Thomas Stadler:

    http://www.internet-law.de/2015/05/die-mediale-diskussion-um-den-muenkler-watchblog-ist-skurril.html

  • Ich finde es ganz schön überheblich und auch unverschämt, wenn du junge Leute als Opportunisten beschimpfst, nur weil sie sich vorausschauend und weise verhalten. Im Gegensatz zu dir, haben die Studenten begriffen, dass das Internet NIE vergisst.

     

    Die Studenten haben hier nicht nur kurzfristig von den notengebenden Profs und den Münkler-Fanboys aus der Fachschaft Repressalien zu befürchten, sondern könnten einen zukünftigen Job an dieser Uni komplett abschreiben und könnten selbst in 20 Jahren bei einer Bewerbung in der freien Wirtschaft mit einer Jobabsage rechnen, nur weil der Personalchef dummerweise rechtskonservativ eingestellt ist.

     

    Es gibt überhaupt keinen Grund, von jungen Leuten zu verlangen, Märtyrer zu spielen, die sich für einen Chauvinisten ihr gesamten Leben versauen sollen. Sowas kann man wirklich nur fordern, wenn man selber noch nie so etwas wie Existenzängste durchstehen musste. Ich möchte dich mal sehen, wie idealistisch du noch sein würdest, wenn du keinen Job bekommst und deine Familie wegen Geldmangel aus der Wohnung fliegt. Wer sich das alles für einen Münkler antun will, ist in meinen Augen nicht idealistisch, sondern dumm.

     

    Es reicht vollkommen und ist absolut ehrenhaft, wenn man anonym auf Mißstände in der Gesellschaft aufmerksam macht. Auch Whistleblower machen das so!! Wenn es nach dir ginge, würde es bald keine Leute mehr geben, die mutig und anonym auf Probleme aufmerksam machen, sondern nur noch Harakiri-Helden, die mit ihren kritischen Veröffentlichungen immer gleich sich selbst und ihre Zukunft mitvernichten.

    • @tazzy:

      ?? Obiger Text wurde als Antwort auf MARIUS gepostet, warum erscheint der nicht unter dem Text, sondern hier isoliert ??

      • @tazzy:

        Hallo Tazzy,

         

        ich kann deine Argumentation ein Stück weit nachvollziehen. Naja, was mich stört ist v.a. die Radikalität der Wortwahl. Wenn man sich z.B. auf Diskussionen über den Nahostkonflikt einlässt, bekommt man schnell üble Beschimpfungen an den Kopf geworfen, von daher weiß ich, was es heißt, hart beschuldigt zu werden. Wenn man zu Mitteln greift, die einer wissenschaftlichen Diskussion angemessen sind, wird der Ton schnell humaner und dann kann man es auch öffentlich tun, ohne Konsequenzen zu befürchten. Und so erreicht man vielleicht beim Prof keine Annäherung, aber kann anderen Studenten sein Anliegen besser rüberbringen. Bei schwerwiegenden Fällen mag die Anonymität berechtigt sein, insbesondere im Engagement gegen Neonazis, aber doch nicht bei Professoren, die Kant und Humboldt gutfinden. Wie aus anderen Artikeln hervorgeht, geht es um mehr Hochschullehrer als nur den Münkler, der offenbar tatsächlich kritisch einzuschätzen ist.

  • Der FAZ/FAS-Artikel ist ganz sicher tendenziös, v.a. in der Art und Weise, wie über die Verantwortlichen spekuliert wird, nennt aber auch Vorfälle, die in taz/jw so nicht genannt wurden: zum Beispiel den als Rassisten beschuldigten Erziehungswissenschaftler, der Studenten Kant lesen ließ. Das ist schon ganz schön arm. Nicht, dass Kant als Heiliger zu verehren sei, aber man kann kaum erwarten, dass ein Mensch des 18. Jahrhunderts alle gesellschaftlichen Normen des 21. Jahrhunderts repräsentiert. Kant hat trotzdem einiges auf den Weg gebracht.

     

    Es ist auch klar, dass Sexismus und Rassismus existieren, mitten in der Gesellschaft, auch bei Professoren. Dagegen kann und soll man sich engagieren, aber ich teile die Ansicht von Münkler, dies öffentlich und nicht anonym zu tun. Münkler vorzuwerfen, dass er die Aktivisten Feiglinge und Denuntianten genannt habe, ist ziemlich lächerlich, wenn man als Chauvinist, Rassist und Kriegsverherrlicher beschimpft wird. Das sind, ähnlich wie Antisemit, sehr starke Vorwürfe, die ihre Wirkung entfalten, auch wenn sie nicht oder nur bedingt zutreffen. Zudem emotionalisieren sie und machen eine sachliche Debatte unmöglich. Ohne Anonymität würde es u.U. nicht so weit kommen. Weiter bekannte eine Aktivisten (nach Pseudonym) in einem jw-Interview, dass sie anonym bleiben wollten, um sich Chancen auf Hiwi-Stellen etc. zu bewahren. Zeugt irgendwie auch von Opportunismus.

    • @Marius:

      Hut ab! Sie sind offenbar das, was man einen "Blitzmerker" nennt. Natürlich sollen Beschimpfungen "emotionalisieren". Was denn sonst?

       

      Jede Kultur hat ihre Riten. Ähnlich wie der Haka bei den Mãori sollen "starke Vorwürfe" wie "Chauvinist", "Rassist", "Kriegsverherrlicher" oder "Antisemit" Signale an den Gegner sein. Sie sollen den Mut, den Ärger und die Freude des Absenders am Konfliktaustragen verdeutlichen, gleichermaßen herausfordern und einschüchtern. Mit dem Tanzen, dem Zungerausstecken und dem Augenrollen hat man es wohl hierzulande einfach nicht so sehr. Würde vielleicht auch etwas seltsam aussehen im Fall des Herrn Professors.

       

      Im prätasmanischen Neuseeland hat der tiefere Sinn der Sache die Tänzer dazu verpflichtet, auf Anonymität zu verzichten. Den Haka muss(te) man schon selber tanzen, sonst hat er nicht gezählt. Die Europäer lassen lieber kämpfen. Wozu, schließlich, gibt es einen Rechtsstaat? Professoren wie Herr Münkler vertrauen vermutlich ganz auf ihren persönlichen ABV, den teuersten Juristen ihrer Wahl und eine Staatsanwaltschaft, die hierarchisch strukturierter gar nicht sein kann. Wenn er die jedoch in Bewegung setzen will, muss er ihnen ganz konkrete Namen nennen.

       

      Ob er damit zum Denunzianten und Feigling wird, ob sein Vorwurf also auf ihn selbst zurückfällt (was rein psychologisch gut erklärbar wäre), könnte jeder, der sich interessiert, allein entscheiden – wenn die mutigen Studenten sich denn aus der Deckung trauen würden und die Probe aufs Exempel machen. Den Kopf wird es ja nicht gleich kosten. Ob ihre "Sache" ihnen ein paar Euro und die eine oder andere Zukunfts-"Chance" wert ist? Vermutlich nicht. Neuseeland ist ja mittlerweile auch zeitlich weit, weit weg.

      • @mowgli:

        Sie haben Recht. Wenn man die Wahrheit gepachtet hat, kann man auf jede sachliche Debatte verzichten.