Kolumne Die rätselhafte Welt des Sports: Griaß di, Dante!
Besinnung in der Vorweihnachtszeit? Nicht im Fußball. Hier gibt es Tattoo-Stecher, Prostata-Kontrollen und lästernde Expräsidenten. O du fröhliche.
W eihnachten, Fest der Liebe. Das weiß nicht jeder – Waldi zum Beispiel weiß es offenbar nicht. Denn Waldi war böse. Waldi ist kein Hund, sondern Geschäftsführer beim Traditionsverein SAP 1899 Hoffenheim. Alexander Waldi hat am 1. Advent dafür gesorgt, dass Babbels Lichter ausgehen, er hat ihn einfach entlassen.
Zumindest war Trainer Markus Babbel diesmal so weise und hat sich nicht „Hoffenheim“ auf den Arm tätowieren lassen, so wie er das bei seinen bisherigen Karrierestationen immer zu machen pflegte („TSV Gilching-Argelsried, FC Bayern, FC Liverpool, VfB Stuttgart, Hertha BSC“).
Ein Glück, dass sich Trainerlegende Rudi Gutendorf nie Tattoos hat stechen lassen (55 verschiedene Vereine und Nationalmannschaften!) und dass Babbel nie im holländischen Breda Trainer war – der dortige Verein hat den längsten Klubnamen der Welt: „Nooit Opgeven Altijd Doorzetten Aangenaam Door Vermaak En Nuttig Door Ontspanning Combinatie Breda“. Da wäre der Platz an Babbels Oberarm ausgegangen.
geboren 1965, ist Autor der taz.
Vorweihnachtliche Unruhe gibt es auch bei der DFL wegen der Fanproteste (12 Minuten Schweigen in den Stadien). Am 12.12. sollen strengere Fangesetze erlassen werden. Dann darf man vielleicht überall Zelte in den Stadien aufbauen zur Komplettdurchsuchung wie kürzlich bei den Frankfurter Fans in München. Die hatten sich gegen diese kostenlose Prostata-Kontrolluntersuchung gewehrt. Seltsam.
Langweiliger Apparatschik!
Auch beim DFB gibt es immer noch vorweihnachtliche Unruhe wegen der Lästereien von Expräsident Theo Zwanziger in seiner Autobiografie. Gegen Sammer, Klinsmann und die Nationalmannschaft (die er einst zum Jubiläum seines Heimatvereins VfL Altendiez zu einem völlig unnötigen Freundschaftsspiel gegen ebendiesen zwang). Er hat jedoch vermutlich diesen ganzen unqualifizierten und provokanten Müll nur deshalb geschrieben, um möglichst viele Bücher zu verkaufen, weil die ganzen Einnahmen einem guten Zweck dienen (VfL Altendiez?).
Sogar über seinen von ihm selbst vorgeschlagenen Nachfolger als DFB-Präsident, den langweiligen Apparatschik Wolfgang Niersbach, meckert Zwanziger in seinem Buch „Die Zwanziger Jahre“, weswegen Niersbach angeblich mit einem Antwortbuch kontern will. Geplanter Titel: „Die Niersbach-Jahre“. Ein Muss unterm Tannenbaum!
Weihnachtszeit, das heißt beim Herbstmeister Besuchszeit. Einmal im Jahr werden die Stars vom FC Bayern dazu verdonnert, Fanclubs auf dem Land aufzusuchen. Am 9. Dezember müssen Ribéry, Lahm & Co raus und tatsächlich leibhaftige, ganz normale Menschen in der bayerischen Prärie treffen.
Mit unangenehmen Aufgaben wie „Griaß di, Dante, jetz sog amoi Oachkatzlschwoaf!“ („Grüß dich, Dante, jetzt sag halt einmal Eichhörnchenschwanz!“) oder „Auf geht’s, Robben, eine Maß Bier auf ex oder nie wieder Sex!“. Oder peinlichen Nachfragen wie „Philipp, Hand aufs Herz, stimmt es, dass du im Jahr genauso viel verdienst wie alle unsere 833 Mitglieder zusammen?“
Apostroph-Wannsinn im Advent
Vielleicht kann ja Luiz Gustavo dem „Gäuboden e. V.“ in Atting/Niederbayern die besten Promi-Tätowierer der Landeshauptstadt empfehlen, Mario Mandzukic salutierend kroatische Kriegsgeschichten beim FCB-Fanclub in Eichendorf an der Vils erzählen und 40-Millionen-Euro-Einkauf Javi Martínez kann mal schauen, ob sein Navi „Kolbermoor“ kennt. Und in „Etti’s Bayern Stüber’l“ ist es Daniel Van Buyten’s Aufgaber’l, dem Apostroph- Wannsinn’s-Kerl Etti Deutsch’s beizu’bring’n.
Hauptsache, man verhält sich nicht wie der englische Fußballprofi Liam Ridgewell. Der Spieler von West Bromwich Albion war in der Zeitung The Sun auf einem Foto zu sehen, wie er auf dem Klo sitzt und sich mit 20-Pfund-Noten den Po abwischt (der Durchschnittskicker Ridgewell kann sich das leisten, er verdient unglaubliche 25.000 Euro pro Woche!).
Das Ganze sei „ein privates Foto“ gewesen, nicht für die Presse gedacht, verteidigte sich der Verteidiger, ein „Schnappschuss“, eine „Wette mit einem Freund“ (um die besagten 20 Pfund-Noten? Igitt!!) , ein „privater Scherz“. Worüber man halt so lacht in der krisengebeutelten Gegend von Birmingham.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?