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Kolumne Die eine FrageÖkotrulla! Großkotz! Peng.

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Die Meisten kennen gar keine FDP-Wähler. Jedenfalls keine, die es zugeben. Darf man sich als Ökosozialer für die FDP interessieren – oder muss man?

FDP-Politiker Christian Lindner Foto: dpa

G erade tritt eine super Frau an meinen Schreibtisch, sieht da so ein gelb-blaues Ding liegen und sagt barsch: „Was ist das?“

„Das ist ein Presseausweis vom Parteitag“, sage ich.

„Wirf das sofort weg“, sagt die Frau mit Ekel im Blick.

„Das ist mein Beruf“, sage ich, „ich gehe zu politischen Veranstaltungen.“

Worauf sie knurrt: „Aber doch nicht zur FDP.“

„Die FDP ist ein Teil des demokratischen Parteienspektrums“, sage ich sachlich, „außerdem interessiere ich mich für Christian Lindner.“

„Das wird ja immer schöner“, sagt die Frau, deren Anonymität ich selbstverständlich schütze. „Hätte ich das gewusst, hätte ich dich nicht geheiratet.“

Und das ist interessant und begegnet mir jetzt ständig: Wer sich mit Liberalen beschäftigt, macht sich in „linksliberalen“ Milieus verdächtig. Tenor: Sowas tut man nicht. Sich für Kretschmann und Macron interessieren, schlimm genug. Aber jetzt auch noch Lindner?

Die unbekannte FDP

Die meisten kennen gar keine FDP-Wähler. Jedenfalls keine, die es zugeben. Sonst wären die ja nicht mehr im Freundeskreis. Aber sie wissen genau, wie die sind. Arrogant. Besserverdiener. SUV-Fahrer. Privat versichert. Neoliberal. Sozial eiskalt. Brrrr. Das Bild des schneidig-besserwisserischen Guido Westerwelle ist in ihren Herzen eingefroren.

„Booah, war der unangenehm“, sagen sie.

Er war wirklich sehr unangenehm. Eine Spiegelung unserer selbst.

Wir waren die moralistisch-besserwisserischen Ökosozialfuzzis, die alles verhindert haben – außer Allgender-Klos.

All das steht als Chiffre im Raum, vermute ich, wenn FDP und Grüne eine gemeinsame Koalition verhandeln, wie das in Schleswig-Holstein geschieht. Irgendwann kommen die Vorurteile hoch – oder bestätigen sich an bestimmten Punkten als wahr. Wie diese Woche in Kiel. Und dann wollen die einen aufräumen mit der ganzen versifften Verhinderungspolitik der letzten Jahre. Und die anderen können sich kein neoliberales Scheißpapier gefallen lassen. Was für eine Ökotrulla! Was für ein Großkotz! Peng.

Die Sache mit dem Grundvertrauen

Woraus folgt? Zunächst mal die Frage, wie FDP-Chef Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki diese Regierungsfrage in ihre Bundestagswahlstrategie einbinden. Könnte ja sein, dass die FDP angesichts der nicht zu vermeidenden Koalition mit der CDU in NRW ihren strikten Inhaltismus – ein zentrales Versprechen Lindners – in Schleswig-Holstein exekutieren will mit einem starken: So nicht mit uns!

Zu sagen, das „Grundvertrauen“ in eine Koalition mit Grünen sei erschüttert, weil die ein Papier zur Verkehrspolitik aus einem künftigen FDP-Ministerium nicht durchwinken, ist jedenfalls intellektuell indiskutabel. Denn dieses Grundvertrauen gibt es ja eben noch nicht. Es muss in Kiel in den nächsten Monaten begründet werden.

Dafür muss man erst mal von dem einzigen positiven Vorurteil Abschied nehmen. Es lautet, dass sich FDP und Grüne wunderbar in ihrem Liberalismus bei den „Bürgerrechten“ treffen. Während also in den Welt-Leitartikeln davon geträumt wird, man könne unter der gemeinsamen Flagge der Bürgerrechte liberal durchwirtschaften, denken die modernen Grünen, sie könnten damit das Land sozialökologisch umgestalten.

So läuft das nicht. Es reicht auch nicht mehr, sich seine Vorurteile zu bestätigen. Selbst wenn sie stimmen. Die FDP muss akzeptieren, dass die Grünen ökosozial sind. Und die Grünen müssen damit umgehen, dass die Liberalen liberal sind. Und nicht Bindestrich-liberal. Und dann muss man was draus machen.

Hart. Aber sonst grüßt das Murmeltier namens CDU-SPD.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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27 Kommentare

 / 
  • Eine Haarimplantation ist möglich, wenn es vorher eine Haarexplantation gegeben hat.

    Von nüscht kommt nüscht !

    Also, wo kamen Herrn Lindners Härchen her ? Ich frag' halt mal.

    Ooooder wurde fremdexplantiert ?

    • @Pink:

      Die Antwort kennt nur der Wind. Bis heute konnte ja noch nicht einmal die eigentliche Haarfarbe von Gerhard Schröder geklärt werden.

  • @RAINER B.

    Danke, Sie brachten mich heute zum Lachen ! Danke - danke - danke :-))

    Erhielt am Samstag - der Grundgütige weiß allein warum - keine Wochenendausgabe der TAZ.

    Falls ich im Lotto gewinne, kaufe ich mich 6-stellig bei der TAZ ein.

    • @Pink:

      Na, da wird die taz aber wohl noch lange auf den Geldsegen warten müssen (;-))

      • @Rainer B.:

        Lach ... ganz im Ernst, würde ich tun, aber wer gewinnt schon im Lotto :-))

        Die TAZ wurde nachgeliefert.

  • Frühere FDP-Vorsitzende übten sich im Fallschirmsprung, die verhinderten segeln alle gern und Lindner macht jetzt erstmal den Jagdschein. (Nein, er hatte wohl doch noch keinen!)

     

    noch wat:

    Wenn man nach Christian Lindner googelt, erhält man als ersten Treffer „Haartransplantation - Volles Haar dank KÖ-Hair Methode“

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      "Haartransplantation", wahrlich ein Grund, nach Lindner zu googlen...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Kann also Tuchel beerben - wa!;)

        • @Lowandorder:

          So, wie Tuchel Kloppo beerbt hat - mit nahezu vollem Haupthaar. Kein Wunder, dass Uwe Seeler nie versucht hat, Trainer zu werden.

          • @Rainer B.:

            Also jetzt bin ich doch verwirrt -

             

            Wer hat da wessen volles Haupthaar -

            Beerbt! Bin scheint's nicht auf Höhe -

            Des Balles!

             

            Uns Uwe geht klar!

            Aber mal von vorn!

            Frankie Boy - "I hope I die before -

            I get old" - hat sich Sackhaare auf -

            Das durchwachsende Knie plantieren -

            Lassen. Ok soweit!

            Aber Kloppo - hat doch auch was - per

            Weaving - öh Aufgeschüttert - odr¿!;) &

            Erst Tuchel dann - schonungslos -

            Das Beatle-Schiebedach gleichsam -

            VorgeLindnert - kerr!

            So kommt das Runde ins KÖ-Hair - wa!

            Normal.

            • @Lowandorder:

              Zur Entwirrung: Beerbt wurde jeweils nicht das volle Haupthaar. Wovon sollte KÖ-Hair denn dann auch existieren? Nein, beerbt wurde jeweils m i t (nahezu) vollem Haupthaar.

               

              btw: Wissen Sie zufällig Näheres über die Geschichte des russischen Milliardärs, der sich ganz neue Haare für viel Geld hat einpflanzen lassen, später in Haft kam und dort als erstes kahlgeschoren wurde - wegen der Läuse?

  • Die Meisten kennen gar keine FDP-Wähler...

     

    Hauptsächlich Dink´s

     

    "Double income no kids" und ähnlich Geldgeschwängerte sozial entflogene...

  • Köstlich ! Jetzt ahne ich, warum ich die Printausgabe der taz vom 10. Juni 2017 nicht erhalten habe. Ist es denn die Möglichkeit ?

    Ja wenn die Sache so ist,

    und diese Ziege Gras frisst,

    dann pflast're ich die Wiese !

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      Habe schon ds öfteren keine WE-taz erhalten, was aber halb so schlimm ist, denn mit der eigentlichen tageszeitung hat sie wenig gemein, schon mehr mit "Gala". Mir fehlt dann halt jedesmal das geniale Kreuzworträtsel...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Heute morgen kam sie.

        Tröstet mich, wenn das vorkommt bei der WE-taz.

         

        Aber doch bitte niemals nicht ein Kreuzworträtsel. Da schlage ich ein Rad. Echt :-)

         

        DAS würde ich Herrn Unfried nicht verzeihen, ein KWR.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Pink:

          WAHRES RÄTSEL VON RU,

          kryptisch

          und echt gutes Training für Hirne meiner Altersklasse, dazu unterhaltsam, aber für Geübte leider zu schnell zu lösen.

          L&O kann das sicher bestätigen:-)

          • @571 (Profil gelöscht):

            L&O ist sophisticated :-)

            Ganz oben Richtung Küste ist Jamaica plötzlich ganz nah. Die SPD darf sich gratulieren. Deswegen gibt Schulz jetzt ein "Brigitte-Inverview".

            Bevor ich fliege geh ich lieber baden.

  • Zitat: „Zu sagen, das ‚Grundvertrauen‘ in eine Koalition mit Grünen sei erschüttert, […], ist jedenfalls intellektuell indiskutabel. Denn dieses Grundvertrauen gibt es ja eben noch nicht. Es muss in Kiel in den nächsten Monaten begründet werden.“

    Ist diese Blauäugigkeit echt ist, oder Abgebrühtheit? Ich meine: Wer nimmt denn Politiker-Geschwätz ernst? Politiker haben einander – aus gutem Grund – noch nie vertraut. Die trauen nicht einmal sich selber. Wie sollten sie? Sie wissen doch genau, dass ihre Worte nichts bedeuten. Wie könnten sie also erwarten, dass auf die Worte ihrer Konkurrenten Verlass ist?

    Politiker bedienen sich in der Sprache wie in einem Supermarkt. Sie laufen durch die Gänge und packen Einzelworte in den Korb. Meist die anderer Politiker, gern aber auch die von Wissenschaftlern oder Künstlern. Sie entkleiden die Worte ihrer Bedeutung und bauen sie nackt in ihre eigenen Werbesendungen ein. Wenn also ein Politiker vom Grundvertrauen redet, meint er damit nicht das Grund- oder Urvertrauen, das Psychologen kennen. Er meint nicht einmal das Vertrauen im landläufigen Sinn, zu dem das Grundvertrauen befähigt. Er will nur seine Kontrahenten unter Druck setzen.

    Das ist wie in den alten Western: Wer schneller als der Andere zieht und abdrückt, der hat gewonnen. Wer zuerst Vertrauen einfordert, der braucht selber nicht vertrauen. Dass Peter Unfried das nicht weiß, kann ich mir nicht vorstellen. Der Mann ist ja kein junger Hase mehr. Wer für seinen Job auf Parteitage geht, der kann da schließlich was erleben.

    Für meinen Teil kann ich behaupten: Ich vertraue mir. Meistens jedenfalls. Ich vertraue auch einigen meiner Mitmenschen. Und ich vertraue darauf, dass das Leben lebenswert ist. Nur Politikern, die Vertrauen einfordern, vertraue ich nicht. Politikern muss man nämlich nicht vertrauen. Politiker muss man kontrollieren – und abwählen, wenn man merkt, dass sie einen belogen haben.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Meine letzte eine Frage zum Tage: Brauchen wir also nur etwas mehr christlichen Lindiberalökosozismus?

  • Ok - Einer war schneller wg papertaz!

     

    Bitte. Hörnmermalrein:

     

    "https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5415965&s=unfried&SuchRahmen=Print/

     

    "Die FDP muss akzeptieren, dass die Grünen ökosozial sind."

     

    Fiktionen akzeptieren. Haha

    &

    Virilio:

    "...da sind die Grünen nun endlich dort, wo sie auch im Bund hin wollen.

    Echt traurig, wie sich diese Partei gewandelt hat. "

     

    Gewandelt? (Ach was. - zit Loriot)

     

    Und ist das noch Journalismus, was

    PU so treibt?

    PU - PR

    Ich seh den Unterschied nicht mehr

     

    Was er nun noch mit FuturZwei angeleiert hat...

    Lehrer: "Futur 2, bitte ein Beispiel"

    Schüler: "Ich werde gewesen sein..."

     

    Danke. Das soll mal reichen - gell!

    Da mähtste nix.

    Normal.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      zeozwei

      futurzwei

       

      einerlei

      wird nix mehr, wetten?

  • Oh wie schön ist Jamaika! Man weiß, wie das ausgeht - die Bananen, die sind auch erst grün...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Wie sich Flaggenfarben eines Inselstaates auf die Stimmung im Lande auswirken können.

      Aber braun (alte Banane) ist noch nicht dabei - noch.

  • wieder mal ein guter Beitrag, aber ich bin sicher, dass auch der wieder massig Gegenwind bekommen wird von den Leuten, die die Wahrheit gepachtet haben.

    • @Dr. McSchreck:

      Wieso gut? Herr Unfried ist doch für jedwede Konstellation mit den Grünen, die ohne Soziales auskommt. Im Prinzip ist er so grün wie der Clement rot.

    • @Dr. McSchreck:

      No - my dear - ;))

       

      Wie zum "Himmel" by

      Heinrich Heine -

      Die Wahrheit in ihrem Sinne -

      Die überlassen wir gern Ihnen &

      "… den Spatzen!"

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      "die Wahrheit"

       

      Der war gut.