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Kolumne Der entscheidende UnterschiedAufruf zum Putsch

Kolumne
von Markus Völker

Nicht die Schiedsrichterinnen dieser Weltmeisterschaft sind schuld, sondern ganz andere.

B evor wir uns zum zwanzigsten Mal über die WM-Schiedsrichterinnen echauffieren, gucken wir uns doch mal an, was männliche Pfeifen so alles verzapft haben. Da ist zum Beispiel Charles Ariiotima aus Tahiti, der 2004 bei den Olympischen Sommerspielen von Athen einen Elfmeter-Wiederholungs-Rekord aufgestellt hat, gültig übrigens für beide Geschlechter.

In der Partie zwischen Tunesien und Serbien-Montenegro ließ er den Elfer des Tunesiers Mohamed Jedidi fünfmal wiederholen, ehe der endlich zum 2:1 traf. Zwei der fünf Fehlversuche konnte der serbische Torwart halten. Der Schiri hatte sich immer wieder daran gestört, dass Spieler zu früh in den Strafraum gelaufen waren.

Da muss man doch sagen: So schlimm war die gestrenge Frau Melksham aus Australien gar nicht. Nur zwei Strafstöße hat sie zurückgepfiffen im epischen Wettstreit der Brasilianerinnen mit den US-Girls. Das ist im Grunde läppisch. Außerdem verhielten sich die Spielerinnen in Dresden wirklich mustergültig. Keine Rudelbildung. Kein Aufplustern und kein Mackertum.

Bild: taz

MARKUS VÖLKER ist Redakteur im WM-Team der taz.

Selbst Hope Solo, der ein großer Moment gestohlen wurde, ruderte nur ein bisschen mit dem Armen und bedrängte die Schiedsrichterin allenfalls sanft. Bei den Männern hätte es in der gleichen Situation Tumulte gegeben, im Publikum großen Aufruhr, jedenfalls mehr als jene Pfiffe, die durchs Harbig-Stadion gellten. Aber was will man von Zuschauern erwarten, die Plakate mit „Schnetti“ und „Borsti“ aufhängen und die aus Gumtow, Goltern oder Heidelsheim anreisen, um das Stadion mit Wohlwollen und Eindrittelleidenschaft zu füllen.

Ja, komisch ist das schon: Da können die Schiedsrichterinnen groben Unfug anstellen – und die Erregung stockt auf einem Niveau, das einer geschichtsträchtigen Fußballschlacht eigentlich nicht würdig ist. Das betrifft Publikum – und Spielerinnen. Wollen die es nicht anders? Können sie nicht? Ist es eine Frage der Prägung, gar des Testosteronspiegels? Oder findet der Putsch gegen den Referee nicht statt, weil man in der Nische des Frauenfußballs bisher alles einvernehmlich gelöst hat? Das mag vor 800 Zuschauern gehen, aber jetzt ist Weltmeisterschaft mit 10 Millionen Leuten am Fernseher.

Es muss ja nicht gleich so kommen, dass der Ultrablock Leuchtraketen abschießt und den Platz stürmt; dass man sich auf den Rängen schlägt und Hundertschaften der Polizei die Lage befrieden müssen. Aber ein bisschen mehr Aufruhr darf schon sein, liebe Mädels und Frauenfußballversteher!

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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1 Kommentar

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  • K
    Kai

    "Bevor wir uns zum zwanzigsten Mal über die WM-Schiedsrichterinnen echauffieren, gucken wir uns doch mal an, was männliche Pfeifen so alles verzapft haben."

     

    Bis hier hin habe ich es geschafft, danach habe ich mir gedacht so einen sexistischen Quatsch lese ich nicht!

     

    Können Frauen nicht mehr selbständig schlecht sein? Muss unbedingt ein Mann gesucht werden der schlechter ist und darf sie deshalb nicht mehr kritisiert werden? Muss hier immer noch alles auf das Geschlecht bezogen werden? Ja, Frauen können nicht so gut Fussball spielen (im durchschnitt, trotzdem macht jedes dieser Weltmeisterteams einen Grossteil der Männerteams in Deutschland nass), hier kann ein Vergleich hilfreich sein. Aber eine Schiedsrichterin kann Geschlechterunabhängig auch ein Herrenspiel pfeiffen, da braucht es solche sexistischen Vergleiche nicht, erst recht nicht um schlechte Leistungen zu entschuldigen.

     

    Oder kommt demnächst: "Bevor wir uns zum zwanzigsten Mal über die Schwarzen (wahlweise roten, gelben, grünen, blauen oder lila) Schiedsrichterinnen echauffieren, gucken wir uns doch mal an, was weisse Pfeifen so alles verzapft haben."