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Kolumne Der Rote FadenDer warme Atem des Patriarchats

Saskia Hödl
Kolumne
von Saskia Hödl

Ständig wird man als Frau bevormundet. Wie man als Mutter zu sein hat. Wie man seine Entscheidungen zu fällen hat. Wieviel man wissen darf.

Bloß nicht aufs Smartphone gucken! Foto: dpa

Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“ – jeden Morgen, wenn ich das Kind, 17 Monate, in die Kita bringe, ich selbst schon seit 2 Stunden wach bin und noch eine Stunde habe, bis ich in der Redaktion sein sollte, keift mich dieses Plakat an.

Ob ich schon mit meinem Kind gesprochen habe? Ja. Ich hab ihm, als er morgens neben mir lag, gesagt, dass er bitte aufhören soll, mir den Finger ins Auge zu stecken. Ich hab ihn gefragt, was er geträumt hat. Ich hab ihn beim Frühstück gebeten, das Käsebrot nicht auf den Boden zu werfen. Er hat’s trotzdem gemacht, den Hund hat es gefreut, das Obst, das hinterherflog, liegt immer noch unterm Tisch.

Ich hab ihn getröstet, als sein Papa loshetzte, um früher in der Arbeit zu sein, damit er nachmittags früher in der Kita sein kann, damit er mit ihm spielen, ihm etwas kochen und ihn dann auch noch ins Bett bringen kann, falls ich es nicht rechtzeitig schaffe. Ich hab ihn getröstet und ihm gesagt, dass wir jetzt in die Kita gehen – „Kitita!“ hat er freudig gerufen.

Also ja, wir haben gesprochen. Danke. Dieses Plakat will aber gar nicht darauf hinaus, ob man redet. Es zeigt Erwachsene mit Smartphones auf dem Spielplatz und ein Kind, das offenbar um Aufmerksamkeit ringt. Es will sagen: Leg das Handy weg. Spiel nicht die ganze Zeit Candy Crush und scrolle nicht durch Facebook, du Honk. Liebst du denn dein Kind nicht?

Das Problem ist, dass wir uns wirklich den Arsch aufreißen, wie andere Eltern auch. Da brauche ich den erhobenen Zeigefinger vom Plakat wie einen nassen Stiefel.

Denn die Umstände sind in Berlin für Eltern nicht unbedingt die besten: hohe Mieten, keine Wahlmöglichkeit bei der Kindertagesbetreuung, kaum kinderfreundliche öffentliche Einrichtungen (außer da, wo die Mieten teuer sind), schlecht bezahlte Kita-Erzieher*innen, die am Dienstag völlig zu Recht gestreikt haben (und eigentlich streiken sollten, bis sie bekommen, was ihnen zusteht); ein öffentlicher Nahverkehr, der nicht nur zu teuer ist, sondern es auch Eltern, die in günstigeren Außenbezirken wohnen müssen und in teureren Innenbezirken arbeiten, oft unmöglich macht, pünktlich in der Kita am Stadtrand aufzuschlagen.

Lasst uns doch leben

Kurz gesagt: I got 99 Problems, but my Smartphone ain’t one. Im Gegenteil, das Ding macht den Spagat erst möglich: Mails beantworten, im Familienkalender Termine koordinieren, Kita-Schließtage und Fasching nicht vergessen, Arzttermine vereinbaren, bei „Landkorb“ frisches Obst und Gemüse bestellen und die Familie weit weg mit Fotos beglücken, die belegen, wie süß der Kleine doch lacht, wenn er morgens Käsebrote durch die Gegend wirft. Und bei allem Verständnis dafür, dass man ein gutes Vorbild sein soll: Lasst uns doch leben.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Dass diese beiläufige Bevormundung vor allem von Frauen ein tief liegendes gesellschaftliches Problem ist, weiß jede Frau, die sich schon mal für eine Lebensveränderung entschieden hat – einen Jobwechsel, ein Kind, kein Kind –, aber dann noch mal zur Seite genommen wird und behutsam, den warmen Atem des Patriarchats an der Wange, die Frage gestellt bekommt, ob sie sich denn auch der Konsequenzen bewusst sei.

Was die Leute immer denken, wie panne Frauen eigentlich sind. Nehmen wir mal den Jens Spahn. Das Gesundheitsministerium plant nach all dem Streit über die Reform des Paragrafen 219a StGB (taz berichtete) nun doch, eine Studie zu den seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen durchzuführen. Aber was soll denn da bitte rauskommen? Dass das keinen Spaß macht? Natürlich nicht. Solche Entscheidungen werden ja auch auf Basis anderer Aspekte getroffen – ob es sich nachher geil und fresh anfühlt, ist meist keiner davon.

Zwischen Waxing und Mani-Pedi?

Der Irrsinn ist, dass in der Debatte den Frauen zweierlei gegensätzliche Dinge unterstellt werden. Erstens: dass sie in ihren kleinen Köpfen gar nicht einschätzen können (Männer schon), welch schwerwiegende Folgen ein Schwangerschaftsabbruch haben kann.

Zweitens: dass man Frauen zu viel Information über diese Eingriffe unbedingt vorenthalten muss, weil sonst bei der ganzen Leuchtreklame für die geilen, trendy Schwangerschaftsabbrüche all die Schwangeren in Deutschland wie bekloppt die Praxen stürmen und sich mal eben für einen Abbruch auf die Liege schwingen, weil noch Platz zwischen dem Waxing und der Mani-Pedi war. Echt – lasst uns doch leben.

In Österreich gab es derweil schon sechs Frauenmorde seit Jahresbeginn. Nun wird an Zahlen gezerrt, über „importierte Gewalt“ gesprochen (FPÖ/ÖVP) und kritisiert, dass die Regierung seit Antritt bei der Finanzierung von Frauenprojekten massiv gespart hat. Worüber man aber auch reden muss, ist eine Gesellschaft, die Frauen als unmündige Wesen behandelt und Männern nicht von Anfang an beibringt, dass sie Frauen nicht besitzen, nicht bedrohen und nicht bevormunden dürfen.

Lasst uns doch leben.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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12 Kommentare

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  • Dieses ständige Schaulaufen: "Schaut her, ich bin Mutter und habe Stress, weil ich ein Kind habe" geht auf die Nerven. Ich habe sechs Kinder großgezogen, jahrelang drei Kinder als allein erziehender Vater im Schichtdienst. Na und? Meine Kinder konnten alleine die BVG benutzen, kannten ihren Schulweg auswendig und nachmittags gingen sie spielen. Nicht Klavier oder Geige. Nee, auf dem Spielplatz oder bei Freunden.



    In den 60-er Jahren galt eine Regel: Du hast Kinder in die Welt gesetzt, also kümmere dich darum. Dafür wurde man nicht bewundert, sondern es war eine Bringeschuld.

    • @finches:

      Aha

  • Ja.das leben ist mühselig.

  • Richtet sich das Plakat nur an Mütter? Zum Reinquatschen gehören immer 2, einer der es tut und einer, der es zulässt.

  • Na klar doch. Aber.

    “Kurz gesagt: I got 99 Problems, but my Smartphone ain’t one. Mails beantworten, im Familienkalender Termine koordinieren, Kita-Schließtage und Fasching nicht vergessen, Arzttermine vereinbaren, bei „Landkorb“ frisches Obst und Gemüse bestellen und die Familie weit weg mit Fotos beglücken, die belegen, wie süß der Kleine doch lacht, wenn er morgens Käsebrote durch die Gegend wirft. Und bei allem Verständnis dafür, dass man ein gutes Vorbild sein soll: Lasst uns doch leben.…“

    Schonn. Aber - “- ain‘t one“ ^?^ Ehrlich? Ah - Geh.



    & Däh! “…Im Gegenteil, das Ding macht den Spagat erst möglich:…“ -

    Mein geringstes Problem: - “Wie war that whole shit - ohne dess Teil früher bloß möglich - (…ala long vier kiddies) & sogar ohne Atem des Patriarchats^¿^ Wollnich.



    Vermutlich vor allem, weil frauman sich halt einfach nicht jeden.



    Aber auch jeden - wa. Dumpfbackenstiefel halt - angezogen hat. Newahr.



    Normal.

    kurz - Lamoryantes Gezwitscher negligable.



    Schon ming Mouder*04 befand - “ man muß halt nicht auf jeder Hundehochzeit gewesen & nicht in jeden Haufen getreten sein!“



    No! = Alles fein säuberlich selbst serviert. Nothing else.

    & sodele - nochens - btw - stattdessen - hm?;) —



    “Wo lebt noch der gute wiener Schmäh?“



    m.youtube.com/watch?v=nGaJJ4CvWFs



    No - “…bei der olden Tante Dorothee…“ - by Ludwig Hirsch

    • @Lowandorder:

      & dazu - gar nicht mal - unwirsch



      Nö. Zisch - Mailtütenfrisch -

      “Auch hier gilt, was für viele moderne "Errungenschaften" gilt:







      "Mit dem smartphone lösen wir Probleme,



      die wir ohne solch ein Teil nicht hätten..."







      Kürzlich gehört: "Die Mensch ist eine Bio-App ihres smartphones. "







      Vielleicht ist es gar nicht der Atem des Patriachats,



      den die Autorin spürt. Vllt. ist es "nur" der Atem des



      kapitalistischen Systems?







      Allerdings: ["Kapitalismus, Substantiv, maskulin" - Duden] "

      Ja klar - Volkers Mund schon immer fand - Na aber Hallo! Aber - So!



      No! "Mutter Erde - Vater Sand*¡*"

      • @Lowandorder:

        Du bist garantiert nicht in Berlin aufgewachsen, Low. Wenn man sich das antut (Großstädte im Allgemeinen), muss man halt mit den Konsequenzen leben.



        Ich weiß schon, warum ich in den hohen Norden zurückgekehrt bin, als die bio. Uhr Alarm geschlagen hat.

        • @Cededa Trpimirović:

          Stimmt - bis sechs Halle/Saale - dann Lübeck. Mit Kiddies Mbg/L - Sauerland & Köln.

          Weiß aber nicht genau - was Balin so genau hier - bedeuten soll. Woll.



          Was ich hier - Aufgeschäumtes - lese.



          Kann ich - nicht nur in meinem Karee -prima beobachten. Aber auch - wie zu meiner Kiddies-Zeit too - daß es Eltern gibt. Die diesen Schmonzes schlicht nicht mitmachen. Und genau deren - ein paar davon - Kiddies begleite ich bei ihrer musikalischen Reise. Das macht mir Spaß.

          & deswegen nochens -



          Stimme Finches voll zu.



          Dieses lamoryante Geblubber - so neu ist das ja gar nicht - ging&geht mir schlicht auf den Sack.

          kurz - Wer kiddies als “verlängertes Wohnzimmer" pflegt & dann noch so was obskures wie den “warmen Atem des Patriarchs" (ming Mouder*04 - mit zwei WKs auffem Buckel hätte sich schlapp gelacht;) für seinen weitgehend selbst servierten Frust auf lächerlichem salviertem Niveau vors Loch schiebt - hat schlicht den eigenen Sockenschuß nicht gehört.



          Sorry & mit Verlaub.

      • @Lowandorder:

        Kanbst du mal übersetzten, was für einen Mist du schreibst?



        Die Autorin hat dich Recht, wir Frauen qerden immer bevormundet und für klein doofchen gehalten

        • @Mutter03:

          Also ich hab ihn verstanden :D

        • @Mutter03:

          Na dann. Was soll ich sagen*?*

  • Was jetzt das Thema Abtreibung und Handy-Abhängigkeit (Ich nenn das mal so) miteinander zu tun haben, erschließt sich mir aus dem Text nicht. Das Problem mit der fehlenden Kommunikation durch ständiges Glotzen oder Eintippen auf Handys während andere mit einem sprechen (wollen) ist doch evident und absolut genderneutral. Ich denke Ausbildung und Selbstbewusstsein der Autorin sollten ausreichend sein, um ohne psychotherapeutischen Beistand Plakate, die dies thematisieren, persönlich für sich einzuordnen.



    Das Thema Abtreibung und wie es verhandelt wird hat damit nix zu tun, es sei denn Herr Spahn plant ein Werbeverbot für Smartphone-Verkauf an Mütter.