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Kolumne „ Durch die Nacht“Jazz ist immer noch das neue Ding

DJs haben ausgedient: Die Berliner Jazzwoche feiert vom 24. bis zum 30. Juni Premiere. Und auch sonst gibt es immer und überall Jazz in der Stadt.

Jazz-Ikone Herbie Hancock, schon mal Gast beim Jazzfest: da hört Berlin gerne zu Foto: dpa

Regelmäßig abends gibt es diesen bestimmten Sound bei mir im Hinterhof: Jazz. Zumindest so etwas in der Art. Ein Saxofonist gegenüber, dessen Fähigkeiten auf dem Instrument noch hörbar ausbaufähig sind, dudelt sich dann bei geöffnetem Fenster einen ab. Gelegentlich mit Begleitung, einem Bassisten und einem Keyboarder.

Die Sessions sind eigentlich wahnsinnig laut, aber komischerweise scheint sich nie jemand zu beschweren. Meine Nachbarn meinen sogar, das Getröte habe eine geradezu beruhigende Wirkung auf sie, was sie, wenn mal wieder jemand zu laut Techno hört, wirklich nie sagen.

So wie sich der Jazz in meiner Nachbarschaft eingenistet hat, scheint er langsam die ganze Stadt zu durchdringen. In Hinterzimmern kleiner Kneipen und in Galerien, wo vor ein paar Jahren noch irgendwelche DJs das Publikum unterhalten hätten, gibt es jetzt Jazzkonzerte. Die Musik findet nicht mehr ausschließlich in den einschlägigen lokalen Jazzclubs statt, sondern in kleinen Theatern und Ateliers. Über 50 Locations gibt es für diese Musik inzwischen, verteilt über die ganze Stadt. Ein Laden wie das Donau115 in Neukölln, gerade mal so groß wie ein normales Wohnzimmer, wurde vom britischen Guardian dabei sogar zu einem der besten zehn Jazzclubs Europas gewählt.

Gut, Jazz ist wieder hip, das heißt es schon seit einer ganzen Weile. Jemand, der die Arctic Monkey hört, mag vielleicht sogar den Tenorsaxofonisten Kamasi Washington, der es mit seinen hymnischen Jazzklängen erstaunlicherweise weit nach oben in die Popcharts geschafft hat. Und wenn ich mich so umhöre, was es gerade Neues aus der immer noch sehr fortschrittlichen Musikstadt London gibt, hieß es zuletzt eigentlich immer: Irgendwas mit Jazz.

Das Donau115 in Neukölln wurde vom Guardian zu einem der besten Jazzclubs Europas gewählt

Mehr öffentliche Aufmerksamkeit!

Was jetzt noch fehlt, ist ein wenig mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den neuen Jazzaufbruch in Berlin. Beim Jazzfest und wenn Herbie Hancock in die Stadt kommt, dann gibt man sich interessiert, doch was so an Spannendem etwa im Kreuzberger „exploratorium berlin“ – dem Veranstaltungszentrum für improvisierte Musik und kreative Musikpädagogik –, läuft, kriegen nur ein paar Eingeweihte mit.

Jazz bracht mehr mediale Berichterstattung! Um an dieser Stelle deswegen gleich mal mit gutem Beispiel voranzugehen, sei gesagt: Ende Juni gibt es nicht nur Konzerte verdienter Rockgrößen wie Ministry, Toto und King Crimson in großen Hallen und Freiluftarenen zu erleben, sondern ganz viel Jazz. Die Berliner Jazzwoche feiert dann ihre Premiere, sie findet vom 24. bis zum 30. Juni statt. Die Macher lassen in einer Presseerklärung verlauten, die Jazzwoche sei kein Festival, nichts sei kuratiert, sie wolle einfach nur unter einem bestimmten Claim das präsentieren, was sowieso Woche für Woche in Berlin laufe. Demnach ist eigentlich jede Woche in Berlin Jazzwoche, nur spricht man es jetzt halt mal aus, so ist das wohl gemeint.

Diese Zurückhaltung und der Verzicht auf ein in Richtung Hype schielendes Vokabular ist sicherlich nobel. Aber ganz so, dass jede Woche in Berlin so sehr Jazzwoche ist wie nun innerhalb der offiziellen Jazzwoche, so ist es dann wahrscheinlich doch nicht. 100 Konzerte aus dem Bereich Jazz wird es während dieser sieben Tage geben, an 40 verschiedenen Orten. In Läden wie dem KM28 in Neukölln und dem Café Tasso in Friedrichshain oder dem Kühlspot Social Club in Weißensee und dem Neuköllner Peppi Guggenheim. Also an Orten, von denen vielleicht sogar noch nicht einmal der Guardian etwas gehört hat.

Und ziemlich sicher bin ich mir auch, dass nicht jede Woche ausgerechnet in Schöneweide eine Podiumsdiskussion zu einem Thema wie „Geschlechterverhältnisse im Jazz“ stattfindet, wie jetzt im Rahmen der ersten Berliner Jazzwoche.

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