König Charles und Camilla in Hamburg: Rathausmarkt und Sex Pistols
Ihr Kurztrip an Elbe und Alster führt Charles und Camilla an sechs Hamburger Orte – die taz hätte noch ein paar weitere Vorschläge.
Im Anschluss: Besichtigung des Denkmals „Kindertransport – Der letzte Abschied“ sowie der St.-Nikolai-Ruine mit Kranzniederlegung: zwei Bekenntnisse zum Zweiten Weltkrieg als dem Königreich und Hansestadt verbindenden Ereignis der jüngeren Geschichte (wichtiger noch als die Beatles, Barbour-Jacken-Dichte oder der James-Bond-Dreh 1997).
Gegen 13 Uhr „Begegnung mit Bürgerinnen und Bürgern am Hamburger Rathaus“, was König Charles III. und Königin-Gemahlin Camilla Gelegenheit bietet, sich effektive „crowd control“ mittels „Hamburger Gittern“ vorführen zu lassen, ehe sie sich drinnen ins Goldene Buch eintragen – hinter eben erst von Klimaaktivist*innen orange besprühter Fassade.
Ist das erledigt, trennen sich die Wege der hohen Gäste: Am Altonaer Kreuzfahrtterminal stechen König Charles, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bürgermeister Peter Tschentscher in See beziehungsweise Elbe River, um sich informieren zu lassen „über die Dekarbonisierung der maritimen Wirtschaft, die Förderung der regenerativen Energien und der Wasserstofftechnologie sowie die umwelt- und klimagerechte Transformation der Industrie“.
Während die Jungs also Industriezweige gucken, gibt es an Land Gemahlinnenprogramm: Mit Elke Büdenbender und Eva Maria Tschentscher beehrt Camilla, Queen Consort, die Rudolf-Roß-Grundschule, die bilingual auf Deutsch und Englisch unterrichtet. Der Staatsbesuch endet „mit einem Empfang auf Einladung der Britischen Botschaft“ im Hamburger Hafen.
So weit so gut. Aber wäre es nicht geboten, dass Charles und Camilla rasch ins NDR-Radiostudio huschen, zu „Hamburg am Morgen“ mit berufsmäßig gut gelaunten Gastgeber*innen sowie „Norichten op platt“? Es war immerhin der Brite Hugh Greene, der einst Pate stand für einen demokratischen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk im deutschen Nordwesten.
Oder wie wäre es mit einem kurzen Stopp in der Feldstraße 48? Hier, im Schatten des monströsen Weltkriegsbunkers, verkaufte ab April 1979 Hamburgs erster Punk-Laden Rip-Off auch die angesagtesten Punk-Anstecknadeln aus London.
Betreiber Klaus Maeck erinnerte sich später an hereinströmende Zwölfjährige, die unisono nach dem Motiv „God save the Queen“ fragten; die gleichnamige Single hatten die Sex Pistols 1977 veröffentlicht – zum Krönungsjubiläum von Charles’ Vor-Regentin, aber mehr noch: Über-Mutter Elizabeth II.; Your Highness, da wird es doch wohl das eine oder andere aufzuarbeiten geben?!
Na gut, am ehesten wäre dann wohl eine andere britische Fachkraft zu würdigen: Eine Skulptur erinnert am Hafenrand an den Ingenieur William Lindley (1808–1900), dem Hamburg unter anderem ein modernes Abwassersystem verdankt. Dieses könnte an selbigem Ort auch betreten werden – Gummistiefel mit eingeprägten „Royal Arms“ wird Ökolandwirt Charles doch wohl mitgebracht haben?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“