Kölner Demo gegen Einmarsch in Syrien: „Wir alle sind bei Ihnen“
In Köln gehen über 10.000 Menschen gegen die türkische Militäroffensive auf die Straße. Die Polizei hatte zuvor ein Demonstrationsverbot geprüft.
Spezialeinheiten und Straßensperrungen – wenn in Köln demonstriert wird, rüstet die Polizei auf. Auch bei der „Großdemo gegen den Krieg in Syrien“ heute in Köln, bei der 10.000 Menschen auf die Straße gegangen sind.
Samstag mittag, Auftaktkundgebung am Chlodwigplatz in der Kölner Südstadt. An einem Ende steht ein Wasserwerfer, am anderen vier Berufspolitiker. Sie halten ein Transparent: „Kölner Bundestagsabgeordnete gegen den Krieg“. Darunter sind die Namen von neun MdBs aus der Domstadt – von der FDP bis zur Linkspartei, darunter der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich oder Katharina Dröge, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen. Nur die zwei Abgeordneten der AfD fehlen.
„Wir demonstrieren die Einigkeit der Demokraten. Ich freue mich, dass das in Köln möglich ist“, sagt MdB Mathias W. Birkwald (Linke). Er hat die Aktion ins Leben gerufen. „Wir verurteilen die Zwangsumsiedlungen, die dort stattfinden“, erklärt Heribert Hirte (CDU) über die Situation in Nordsyrien und seine Kollegin Gisela Manderla sagt zu den kurdischen Kölnern: „Wir alle sind bei Ihnen.“ Die kurdischstämmige Kölner Landtagsabgeordnete Beriwan Aymaz (Grüne) findet deutlichere Worte als ihre Kollegen aus der Regierungspartei: „Es muss sofort ein vollständiger Rüstungsexportstopp ausgesprochen werden.“
„Am liebsten würden wir dort helfen“
Während Aymaz spricht, werden auf dem Chlodwigplatz Fahnen der kurdischen Miliz YPG verteilt. „Die Kurden stehen für die Werte der Menschlichkeit“, verkündet eine kurdische Rednerin und betont die Rolle der kurdischen Miliz im Kampf gegen den „Islamischen Staat.“ Alle Redner fordern ein sofortiges Ende der Kämpfe und einen Abzug der türkischen Truppen. Immer wieder fällt das Wort „Völkermord“.
Auch die 23-jährige Robina aus Wesseling demonstriert heute. „Waffenstillstand? – Von wegen!“ steht auf ihrem Pappschild, ihr Sweatshirt und ihr Gesicht sind mit Kunstblut bemalt. „Wir sind sauer“, sagt sie. Die Kurden würden im Stich gelassen. Ihre Großeltern leben noch in den syrischen Gebieten, ihre Tante, eine Frauenärztin, ist 2013 nach Deutschland geflohen.
„Am liebsten würden wir dort helfen“, sagt Robina – so wie es die Freunde ihres Vaters getan hätten, die aus Deutschland in die kurdischen Gebiete gegangen sind. Sieben von ihnen seien dort gestorben, sagt sie. „Unsere türkischen Freunde sind uns gegenüber gleichgültig,“ erzählt ihre 26-jährige Schwester Roken. Von ihren deutschen Freunden würden sie mehr Mitgefühl erfahren.
Viel Unruhe in der kurdischen Community
In Köln demonstrieren viele deutsche Organisationen mit den Kurden. Ein Kölner Antifabündnis hat die Demo angemeldet, die Grüne Jugend, die Seebrücke und rund zwei Dutzend Schüler der Kölner Ortsgruppe von Fridays for Future laufen mit. „Wir haben in der Gruppe diskutiert, welche Meinung wir als Umweltbewegung zum Konflikt in den kurdischen Gebieten haben sollten“, sagt Lara von Fridays for Future. „Aber wir halten Rojava für das wichtigste linke Projekt der Gegenwart.“ Auf der Demo skandieren sie: „One struggle – one fight“.
„Mehrere Tausend“ gewaltbereite Demonstranten seien nach Köln unterwegs, hatte Polizeipräsident Uwe Jacob am Freitag gewarnt. Bis zuletzt hatte die Kölner Polizei ein Verbot der Demonstration geprüft. Ausschlaggebend dafür seien Einschätzungen „aus Sicherheitskreisen“, erklärte Uwe Jacob. Berivan Aymaz, die Mitglied im NRW-Innenauschuss ist, kann das nicht nachvollziehen: „93 Prozent der kurdischen Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen sind bislang störungsfrei verlaufen.“ Das hätten ihr die NRW-Sicherheitsbehörden bestätigt.
Die Äußerungen des Kölner Polizeipräsidenten hätten für viel Unruhe in der kurdischen Community gesorgt, sagt Aymaz: „Ich habe die ganze Nacht am Telefon verbracht.“ Am späten Nachmittag ziehen Polizei und Stadt Köln Bilanz: Die Demonstration sei „weitgehend friedlich“ verlaufen, die Wasserwerfer kamen nicht zum Einsatz. Nass sind die Demonstranten trotzdem geworden – vom Dauerregen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima