Kochen in der Energiekrise: Deckel drauf

Pasta ist Nationalheiligtum in Italien. Umso emotionaler diskutiert das Land nun über eine alte Zubereitungsart. Nobelpreisträger inklusive.

Schwarz-Weiß-Foto: Die italienische Schauspielerin Sophia Loren gießt Spaghetti ab. Der Tisch steht voller Weinflaschen.

Möglicherweise mit Deckel gekocht: Sophia Loren serviert Pasta Foto: Mondad/akg-­images

Am wichtigsten ist der Deckel. Nein, diesmal nicht der für die Gaspreise oder wenn, dann nur indirekt. Es geht nicht um schnöde Wärme, es geht um ein Kulturgut: die Pasta, zu der wir, als wir noch Barbaren waren, Nudeln sagten.

In Italien soll die Pasta al dente sein, also nicht zwischen Zunge und Gaumen breiartig zerdrückbar, sondern zum herzhaft Reinbeißen. Es gibt Leute, die bei Blindverkostungen die Marke erraten oder zumindest überzeugend so tun. Wie die Teigware aber auch genossen werden soll – gekocht werden muss sie, und dazu braucht es Energie, die dem noch weithin üblichen italienischen Herd in Form von Gas entspringt; und das ist bekanntlich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und den Folgen teuer. Für den Winter rechnen Experten in Italien mit einer Verfünffachung der Kosten.

Bei ausgeschalteter Flamme spart man bis zu 47 Prozent Energie

Um diesen Preisanstieg zu drosseln, macht nun ein altes Rezept zum Pastakochen die Runde; eines, das populär war, als man nicht einfach den Hahn aufdrehte, sondern als für Hitze am Herd noch mühsam Brennmaterial gesammelt und angefacht werden musste.

Die Diskussion darüber ist so entflammt, dass sich nun sogar der letztjährige und grundsympathische Physiknobelpreisträger Giorgio Parisi eingeschaltet hat. Auf Facebook bestätigte er die Validität der Methode, vorausgesetzt die Regeln würden akribisch beachtet: „Das Wichtigste ist, den DECKEL immer draufzulassen, die Hitze verdampft sonst blitzschnell.“

Und hier die Anleitung

Und das ist, wie es sich für einen Nobelpreisträger gehört, auch schon die Zauberformel: Pastawasser mit Deckel zum Kochen bringen (spart Energie, 1); salzen und Pasta rein, zwei Minuten kochen lassen; Deckel drauf, Flamme aus- oder auf Minimum runterschalten (spart Energie, 2); ca. zwei Minuten länger drinlassen als die Kochanweisung besagt; Pasta kosten, abschütten, anschließend mit dem Sugo in den Topf zurückgeben und kurz zusammen durchziehen lassen; pronto. Wer es sich ansehen will, kann auch beim englisch untertitelten Youtube-Kanal des Chemikers Dario Bressanini reinschauen. Bis zu 47 Prozent betrage die Energieersparnis bei dieser sehr aktuellen, aber eben nicht neuen Methode, das Video ist von 2017.

Kritik gibt es natürlich auch, wenn ein Nationalheiligtum auf dem Spiel steht. Starkoch Antonello Colonna stellt bei der Reduktionstheorie Parisis eine „texture gommosa“, also eine gummiartige Textur als Ergebnis fest und empfiehlt die „cottura a freddo“ – „kaltes Kochen“. Dabei werden ein Liter Wasser und 100 Gramm Pasta zusammen erhitzt, das Wasser wird dann peu a peu mit der Schöpfkelle entnommen. Muss man mal ausprobieren. Die simple Pasta al burro, vor allem aber die unschlagbar leckeren Safranspaghetti, waren immer schon „One pot“-Gerichte, die Menge des zu erhitzenden Wassers ist auch hier geringer, weil die Pasta alles aufsaugen soll.

Ganz so harmlos-inspirierend wie bisher dargestellt ist die ganze Sache aber leider nicht. Die prorussische Querfront ist in Italien eine echte Macht und kommentiert die Gassparbemühungen hämisch-aggressiv. Sie ist in allen politischen Lagern zu finden, von alt- und jungstalinistischen Sowjetnostalgikern über die Fünf-Sterne-Bewegung bis hin zu Putins besten Freunden Silvio Berlusconi und Matteo Salvini, dessen Lega aus Russland finanziell unterstützt worden sein soll.

Eine massive Desinformationskampagne hat eine schwer nachvollziehbare prorussische Antikriegswelle ausgelöst, ganz als ob Putins Regime das Opfer und nicht der Täter wäre. Italienische Intellektuelle schauen geschockt auf ihr Land, in dem Demagogen im Fernsehen oft unwidersprochen Lügen verbreiten können. Insofern ist die Pastadebatte vielleicht das Äquivalent zum hiesigen Waschlappengate: mit dem Unterschied, dass das Ergebnis deutlich appetitlicher ist – Italien halt dann doch noch.

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