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Koalitionsverhandlungen in PotsdamBündnis fossiles Brandenburg

Lob von Sahra Wagenknecht, kein Wort zum Klima im Sondierungspapier: Am Montag beginnen die Koalitionsverhandlungen von SPD und BSW.

Gibt Woidke Crumbach die Hand? Keine Frage. Er reicht sie ihm. Sogar gern Foto: picture alliance/dpa | Michael Bahlo

Berlin taz | Ist soviel Beifall von falscher Seite nicht eine Belastung? Wenn am Montag die Koalitionsverhandlungen zwischen der Brandenburger SPD und dem BSW beginnen, müssen die Verhandler der SPD mit einem giftigen Lob umgehen. Einen „guten Kompromiss“ nennt BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht das Sondierungspapier in Brandenburg. Den Wortlaut der Einigung in Thüringen hatte sie dagegen als „Fehler“ bezeichnet.

David Kolesnyk versucht das Wagenknecht-Lob wegzulächeln. Der SPD-Generalsekretär, der in der fünfköpfigen Sondierungskommission saß und auch in der großen Koalitionsrunde dabei sein wird, spricht von einem „Kompromiss“. „Russland hat die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen, daher rührt auch das Recht und auch moralisch die Pflicht, warum man die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen kann“, so Kolesnyk im Interview mit dem Inforadio vom RBB. „Wir müssen trotzdem weiter alles tun, um diesen Krieg zu beenden.“

Worin sich das Potsdamer vom Erfurter Papier – zur Freude von Sahra Wagenknecht – allerdings deutlich unterscheidet, ist die Formulierung zur geplanten Stationierung von US-Raketen in Deutschland. „Wir sehen (…) die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch“, heißt es in Brandenburg. Die SPD macht sich die Kritik Sahra Wagenknechts und ihres BSW also zu eigen, während in Thüringen lediglich festgehalten wurde, dass „viele Menschen“ die Stationierung kritisch sähen. Darüber hinaus bekannten sich CDU und SPD in Thüringen ausdrücklich zur Westbindung der Bundesrepublik.

Am für Wagenknecht strategisch so bedeutenden Thema „Frieden“ werden die Koalitionsverhandlungen in Potsdam also nicht scheitern, auch wenn Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, lautstark einen „Bruch mit der Politik des Bundeskanzlers und der SPD“ kritisierte. Zwar betont Kolesnyk, dass SPD und BSW auch in Brandeburg beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine nicht übereinstimmen. Im Sondierungspapier ist von diesem Dissens allerdings keine Rede.

Vor allem Allgemeinplätze

Eher haben sich die jeweils fünf Vertreterinnen und Vertreter beider Parteien Mühe gegeben, vor allem die Gemeinsamkeiten zu betonen. So wolle man „Brandenburg in der Bildung nach vorn bringen“ und die „Qualität in Kita und Schule verbessern“. Auch solle Bürokratie abgebaut und die Verwaltung „effektiv“ digitalisiert werden. Auch alle Krankenhausstandorte sollen erhalten und die wohnortnahe Gesundheitsversorgung gestärkt werden.

Für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger sollen die Energiekosten gesenkt werden. Vorgesehen ist die Zuwanderung von Fachkräften. „Maßnahmen zur Eindämmung und Verhinderung irregulärer Migration“, heißt es aber auch, „werden unterstützt“. Zu Corona heißt es im Sondierungspapier: „Um aus den Maßnahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie für die Zukunft die richtigen Schlüsse zu ziehen, setzen wir eine Enquete-Kommission ein.“

Ansonsten glänzt der „Kompromiss“ vor allem mit Allgemeinplätzen. „Die Menschen im Land“, heißt es etwa, „erwarten Verlässlichkeit uns Sicherheit. Im Dorf wie in der Stadt, im Alter wie in der Jugend.“

Woidke spricht von „Vertrauen“

Bei der Vorstellung des Sondierungspapiers am vergangenen Montag sprach Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) viel von Vertrauen, das in den Gesprächen mit dem BSW und seinem Landesvorsitzenden Robert Crumbach gewachsen sei. „Es ist jetzt die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass Brandenburg ein Land ist, das eine sichere Regierung bekommt“, so Woidke im Potsdamer Landtag.

Aber nicht nur in Sachen Ukraine atmet das Sondierungspapier von Potsdam eine Rückabwicklung der Zeitenwende. Fossil im wörtlichen wie übertragenen Sinne droht die künftige rot-lila oder auch Magenta-Koalition auch beim Thema Verkehrswende und Klimapolitik zu werden. Anders als die abgewählte Kenia-Koalition, die dem öffentlichen Nahverkehr „Vorrang“ eingeräumt hat, heißt es nun: „Wir unterstützen alle Verkehrsmittel“. Die Brandenburger Raser werden sich freuen.

Kein Wort verlieren SPD und BSW auch zum Thema Klimapolitik. Scharfe Kritik kam deshalb von den Grünen. „Das Sondierungspapier bleibt hinter den Anforderungen unserer Zeit zurück. Erschreckend ist auch die völlige Ignoranz des Klimaschutzes in den bisherigen Plänen“, erklärt die Landesvorsitzende der Brandenburger Bündnisgrünen, Hanna Große Holtrup. „Ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen riskieren wir die Zukunft unserer Kinder und zerstören die Lebensgrundlage für kommende Generationen.“

Grüne als Feindbild

Dass nicht nur für BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht, CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD die Grünen das Feindbild Nummer eins sind, sondern auch für den rechten Flügel der märkischen SPD, zeigte am Wochenende ein Interview von SPD-Finanzministerin Katrin Lange. Lange, die immer wieder die Sanktionen gegen Russland kritisiert, sagte dem Tagesspiegel in Bezug auf die wirtschaftliche Lage des Landes. „Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland verläuft außerordentlich schwach. Das ist wesentlich eine Folge der verfehlten grünen Wirtschaftspolitik Robert Habecks. Brandenburg kann sich davon nicht freimachen.“

Gleichzeitig machte die Finanzministerin klar, dass SPD und BSW keine großen Sprünge machen könnten. „Wir müssen mit deutlichen geringeren Einnahmen rechnen als bisher angenommen“, betonte Lange. Einen Ein-Milliarde-Euro schweren Zukunftsinvestitionsfonds, den sich die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen 2019 gegönnt hat, werde es diesmal nicht geben. Darüber hinaus werde der Haushalt 2025 auch erst kommendes Jahr verabschiedet werden. Sollten die Koalitionsverhandlungen tatsächlich erfolgreich beendet werden, würde ein Magenta-Bündnis aus SPD und BSW mit der Bürde einer vorläufigen Haushaltsführung starten.

SPD und BSW haben sich für die Koalitionsverhandlungen einen ambitionierten Zeitplan verpasst. Schon am 11. Dezember könnte der Landtag eine neue Regierung wählen, sagte SPD-Generalsekretär Kolesnyk. Einen Mitgliederentscheid wie in Sachsen solle es nicht geben. Entscheiden soll ein Landesparteitag.

Und noch eines haben sich SPD und BSW auferlegt. Im Falle einer Koalition wollen sie im Landtag gemeinsam abstimmen. Eine Sicherungsmechanik, die womöglich gar nicht nötig ist: Anders als in Thüringen und Sachsen sprechen SPD und BSW als fossiles Bündnis schon jetzt so gut wie mit einer Stimme.

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