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Knochenfunde auf dem BalkanKein Sex mehr mit Schimpansen

Forscher aus Tübingen finden das bislang älteste Vormenschenfossil auf dem Balkan. Wo liegt sie denn nun, die Wiege der Menschheit?

Knabberkram: Dieser Kiefer nagte früher als gedacht Foto: dpa

Man möchte El Graeco ganz fest in die Arme nehmen, über seinen haarigen Rücken streicheln, ein Buserl auf die affigen Vormenschenlippen geben, mit ihm auf allen vieren durch die staubige Savanne Griechenlands toben und zur Feier der gemeinsamen evolutionären Errungenschaften einen ordentlichen Schluck Antilopenknochenmark aus einem Antilopenknochen zutscheln:

Endlich, nie wieder Sex mit Schimpansen! Und dann auch noch in Europa!

„Wer will nicht wissen, wo er herkommt? Was macht uns zu dem, wer wir sind?“, fragt Made­laine Böhme am Telefon rhetorisch. Die Direktorin des Senckenberg Centre für menschliche Evolution und Paläoumwelt an der Universität Tübingen hat in den letzten beiden Tagen mehr als 30 Interviews gegeben und ist darüber ziemlich erstaunt.

Manchmal rührt Wissenschaft eben an faszinierenden Grundsatzfragen, und in dem Fall korreliert das auch noch mit einer netten Schlagzeile: Die ersten menschlichen Vorfahren kamen doch aus Europa. Ätsch.

Vieh, das Atombomben baut

Genau genommen haben Böhme und ihr Team einen fossilen Unterkiefer, Fundort Griechenland, und einen in Bulgarien ausgegrabenen Zahn von zwei Individuen des Graecopithecus freybergi, „El Graeco“, untersucht und die These aufgestellt: Die beiden Viecher sind die ältesten bisher bekannten fossilen Vormenschen, rund 7,2 Millionen Jahre alt. Bisher gab es solche Funde nur in Afrika.

Vormensch heißt, dass sie sich bereits unwiderruflich getrennt hatten: Die beiden Entwicklungslinien, aus denen die heutigen Schimpansen hervorgingen und der Homo Sapiens, jenes Vieh, das Atombomben baut. Trennen heißt im evolutio­nären Sinn, dass die Nachfahren beider Linien keine gemeinsamen Nachkommen mehr Zeugen konnten, selbst bei innigster Zuneigung nicht.

Dass das so ist, entnehmen wir übrigens einem Zahn, genau genommen den Wurzeln der Vorbackenzähne. Die sind bei den beiden Graecos verschmolzen, was es sonst nur in der Linie der Lebensformen gibt, die später zum Menschen weitermutierten. Böhmes Team hat auch noch gleich das Sediment untersucht, in dem die Zähne gefunden wurden, und aus der Menge des dort gefundenen Sandes, diverser Gräser und anhand von Holzkohleresten festgestellt, dass sich vor 7,2 Millionen Jahren die Sahara stark ausgeweitet haben muss – was dazu beigetragen hat, dass sich Vormenschen von Vorschimpansen räumlich getrennt haben.

Paarung mit allerlei Neben- und Seitenlinien

Mit Paaren war dann innerhalb von ein paar tausend Jahren eben nichts mehr. Wobei die Evolution da nicht immer ganz so knallhart ist. Heute gilt als ziemlich sicher, dass der moderne Mensch, der seit 200.000 Jahren anatomisch ungefähr so ausschaut wie heute, nicht Ergebnis einer linearen Entwicklung ist. Nein, er hat sich mit allerlei Neben- und Seitenlinien gepaart, ist also eher wildes, unfertiges Gemisch als genetische Elite.

Insofern macht es wenig bis überhaupt keinen Sinn, jetzt die Wiege der Menschheit von Afrika nach Europa, Griechenland oder Bulgarien zu verlagern, wie einige Medien schon hocherfreut titelten. Böhme sagt, dass jene Wiege ganz klar in Afrika zu verorten ist. Hier geht es nur um einen weit entfernten Vorfahren. Zugegeben, den Griechen wäre zu gönnen gewesen, nach Jahren der Rentenkürzungen, Streiks und Agonie mal wieder Positives vermelden zu können: Haben den Vormenschen erfunden.

Platter Witz, aber einer der Gründe, warum Böhmes Thesen so einschlagen: Die Geschichte der Frage, in welchem Winkel der Welt ein Esel Namens Mensch sich erhob, ist auch durchsetzt von seltsamem National- und Regionalstolz – als hätten die in der Zwischenzeit erdachten Grenzen, Länder und Einteilungen irgendetwas mit der Welt von damals zu tun.

Dabei gab es in den letzten 7,2 Millionen Jahren ein paar Eiszeiten, das Mittelmeer trocknete mal fast aus, Tierarten verschwanden massenweise, vermutlich unter Zutun des modernen Menschen. Auch ein Haufen Menschenarten entstanden und erstarben wieder, und ohne Zweifel ist es ein Jammer, heute nach Feierabend kein Bier mit einem Neandertaler trinken gehen zu können. Mit dem könnten wir uns sogar noch paaren. Also rein theoretisch jetzt.

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12 Kommentare

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  • Die Überschrift ist übrigens irreführend. Sex muss nicht unbedingt der Fortpflanzung dienen. Auch die Paarung mit eventuellen Neandertalern nicht.

     

    Soll schon Menschen gegeben haben, die "es" mit Schafen hatten - obwohl, vielleicht aber auch gerade weil sie gewusst haben (müssen), dass Nachwuchs dabei nicht zu erwarten/zu befürchten ist.

  • Dass der Autor wirklich "herein[gefallen]" ist "auf seine eigene Argumentation", glaube ich nicht. Humor ist einfach, wenn man trotzdem lacht. Zum Beispiel, weil was ziemlich irre ist.

     

    Wer auch nur ansatzweise eine Vorstellung davon hat, welcher Anteil der Erdkruste inzwischen archäologisch untersucht wurde und wie viele alte Knochen die Jahrmillionen überdauert haben in der Erde, statt zu zerfallen, sodass sie entdeckt werden konnten von Archäologen, der glaubt an kein wie auch immer geartetes Copyright am Menschen. Der glaubt höchstens an Zufälle.

     

    Das ist in sofern erfreulich, als man sich eigentlich nicht zu streiten braucht darüber, wer Schuld hat an "uns" bzw. wessen Verdienst "wir" sind. Ein derartiger Streit wäre vollkommen lächerlich. „Uns“ gibt es schließlich nicht.

     

    Die einen lieben und die anderen hassen. Die einen bauen auf, die anderen zerstören. Die einen stecken noch im Stadium des Vormenschen fest, die anderen sind bereits etwas weiter. Wirklich „fertig“ ist jedenfalls keiner von uns. Wer also wollte beurteilen, was ganz genau letztendlich menschlich sein wird? Das wissen wir frühestens, wenn auch wir ausgestorben sein werden, denn Tote entwickeln sich nicht mehr.

     

    Man kann sich bloß blamieren, wenn man streitet, denke ich. Auch als Politiker oder als Journalist. Sollte mich wundern, wenn Ingo Arzt das nicht wüsste. Sie wissen es ja schließlich auch.

  • Darüber, ob man „den Griechen“ einen Gefallen tut, wenn man ihnen einredet, sie wären die Erfinder "des Vormenschen", könnte man streiten, denke ich. Schließlich hat sich ja "der Vormensch" - unter anderem - zu einem (in Ziffern: 1) Renten kürzenden, seinen Nationalstolz pflegenden, die Welt in Quadrate einteilenden und manchmal streikenden Atombombenbauer weiterentwickelt, der zwar vieles kann, dem es aber meistens völlig wurscht ist, ob er wirklich sollte.

     

    Eine Agonie (Agonie = länger andauernder Todeskamp) zu einer anderen zu addieren, mit dieser zu multiplizieren oder sie gar zu potenzieren, scheint mir dann doch eher nicht vernünftig zu sein. Gibt es hier Leute, die das anders sehen?

  • der Autor fällt hier auf seine eigene Argumentation herein. Er belächelt den europäischen Lokalpatriotimus - hält aber den afrikanischen für Ok.

     

    Übrigens ist "Wiege der Menschheit" ein politischer Begriff, wie so vieles in der Anthropologie. Geschäftemacher und Quacksalber sind da am Werke, und fast alle kommen aus Afrika, bzw haben dort ihre Karriere begonnen. Wissenschaftlich ist da gar nichts stichhaltig. Schon vor 30 Jahren haben israel. u. franz. Wissenschaftler nachgewiesen, das kein einziges Landtier das African Rift Valley überwunden hat, und Neandertaler gab es auch nie in Afrika. Die Ausgrabungen in Afrika sind alle politisch motiviert. Normalerweise müsste Süd-Sibirien /Altai ganz oben auf der Liste stehen.

    • @el presidente:

      Ach was! Der Mensch wurde vor 6000 Jahren minus 6 Tagen aus dem Staub der Erde erschaffen; im Garten Eden irgendwo im mittleren Osten, Punkt!

      Altai? Da kam der Malus domest. her, der alles zunichte machte.

      Alles andere ist schlicht gelogen, und man muss nur den obigen Artikel lesen, wie konfus da Alternativen gesucht wird. Der Baum der Erkenntnis ist zu einem Gestrüpp verkommen.

    • @el presidente:

      da sind sie aber ziemlich weit entfernt von den bisherigen fossilbefunden.

      ich vermute mal nicht, das sie der wissenschaft falschmeldungen unterstellen.

      wieso tippen sie auf den altai? haben sie dafür irgendwelche hinweise?

      • @nutzer:

        Während des Pleistozän wanderten die Primaten nach Norden, in der Interglazialzeit wanderten sie wg.Kälte wieder zurück gen Süden. Genau zu dem Zeitpunkt entstand der Mensch, es gab sogar mehrere Arten. Er kann sehr wohl in Europa entstanden sein.

         

        Südosteuropa/Südsibirien deshalb, weil es schlicht die größte habitable Zone außerhalb Afrikas war. Der Neandertaler verbrachte sogar 90% seiner Existenzspanne dort.

        • @el presidente:

          Das wissen Sie natürlich ganz genau, weil Sie ja dabei waren.

  • Da haben Wissenschaftler ein Fossil in Europa gefunden, das vielleicht in direkter Linie zum modernen Menschen stehen könnet.

    Man muss schon in einer merkwürdigen Welt leben, um daraus ein Politikum zu konstruieren.

  • Zur Stützung des eurozentrischen Weltbildes wird eben jeder Knochen so lange gedeutet, bis er passt.

    • 3G
      33293 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      hmm, irgendwie öde.

      • @33293 (Profil gelöscht):

        Stimmt. Mit einem Kieferknochen und einem Zahn die Menschheitsgeschichte umschreiben zu wollen, ist öde. Und hat mit Wissenschaft wenig zu tun.