Klimaschutz mit Hilfe der Natur: Wasser marsch für die Moore
In Europa und Südasien wurden Moorböden großflächig trockengelegt – und so von Treibhausgas-Speichern zu -Schleudern.
Moorböden bedecken rund vier Millionen Quadratkilometer der Erde, vor allem auf der Nordhalbkugel, in Kanada, Skandinavien, Schottland und Mitteleuropa; tropische Moore kommen im Kongo, in Uganda und Indonesien vor. Auch ganz im Süden, in Südafrika, Tasmanien und Feuerland gibt es Moore. „Viele Länder wissen gar nicht, dass sie Moorböden besitzen“, sagt Tanneberger, „wenn sie schon lange genutzt werden, dann erscheinen sie halt als Wiese oder Kartoffelacker“.
Rund drei der vier Millionen Quadratkilometer Moorfläche sind noch intakt; sie speichern Wasser, bieten Tieren und Pflanzen Lebensräume – und speichern enorme Mengen an Kohlenstoff. Rund 550 Gigatonnen binden sie global, 42 Prozent der an Land gebundenen Menge, und damit mehr als etwa die Wälder. In Deutschland liegen in den Moorböden 1.300 bis 2.400 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Trocknen die Böden aus, setzen sie Treibhausgase frei.
Weltweit gibt es zwei Regionen, in denen Moore großflächig trockengelegt und so vom Speicher zum Emittenten von Treibhausgasen wurden: Europa und Südostasien. Etwa in Indonesien sei dies als Problem erkannt, es werde gegengesteuert, so Moorexpertin Tanneberger. „In Europa reagieren wir ungenügend auf dieses Problem.“ Dabei müsse in allen Plänen zur Klimaneutralität die Wiedervernässung der Moore einberechnet werden – „sonst müssen wir Wälder aufforsten, um den CO2-Ausstoß der Moore zu kompensieren“.
Auf kleiner Fläche lässt sich viel erreichen
In Deutschland sind fast alle Moore entwässert – nur 2 Prozent sind intakt, 4 Prozent schon wiedervernässt. Obwohl Moorböden nur wenige Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen, tragen sie zu 40 Prozent zu den Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft bei. Hier könne man auf kleiner Fläche also viel erreichen, sagt Tanneberger.
Werden die ehemals feuchten Böden wieder nass, „sinken die CO2-Emissionen schnell“, sagt Bärbel Tiemeyer, Moorexpertin am Thünen-Institut für Agrarklimaschutz in Braunschweig. Eine naturnahe Vegetation und einen neuen Torfkörper aufzubauen dauere aber lange, „mindestens Jahrzehnte“. Vermutlich gelinge es nicht überall, dass sich neuer Torf bilde und neuer Kohlenstoff gebunden werde. „Es ist aber schon ein großer Gewinn für den Klimaschutz, wenn Emissionen aus Mooren möglichst stark verringert werden“, so Tiemeyer.
Die Restaurierung eines Moores kann beschleunigt werden, indem in einem wieder vernässten Gebiet Torfmoorfragmente aus naturnahen Mooren ausgestreut werden, sagt die Expertin, notwendig sei das aber nicht.
Unbedingt notwendig ist dagegen Wasser. Sogenannte Niedermoore speisen sich auch aus Grundwasser, Hochmoore aber brauchen Regen. „Ausbleibende Sommerniederschläge sind für Hochmoorstandorte ein Problem“, sagt Tiemeyer. Sei aber ausreichend Wasser vorhanden, wirkten sich höhere Temperaturen mitunter positiv aus. „Pflanzen wachsen besser, Mikroorganismen sind aktiver.“
Die Moorexpertin ist optimistisch, dass sich Moore auch unter den Bedingungen des Klimawandels wieder herstellen lassen. Im Laufe ihrer bisweilen acht- bis zehntausend Jahre alten Geschichte hätten sie einiges an verschiedenen Klimabedingungen durchlebt. Der Knackpunkt sei sicher die Geschwindigkeit des derzeitigen Wandels; man dürfe ihn aber auf „keinen Fall als Ausrede nutzen, beim Moorschutz nichts zu tun“.
Die Wiedervernässung von Mooren ist ein Instrument des Klimaschutzes, das auf die Selbstheilungskräfte der Natur setzt und als „nature-based solution“ diskutiert wird. Allerdings stehen hier bislang vor allem die Wälder im Fokus. Die Bemühungen um naturbasierte Lösungen konzentrierten sich heute unverhältnismäßig „insbesondere auf das Pflanzen von Bäumen“, sagt Zita Sebesvari, stellvertretende Direktorin am Umwelt-Institut der Universität der Vereinten Nationen. So sei die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zum Erhalt der Wälder zwar zu begrüßen, doch müssten wir „beispielsweise auch Grasland, Torfgebiete, Sümpfe und Meeresökosysteme in Betracht ziehen, die alle auf der reichen Vielfalt der Ökosysteme für Anpassung, Katastrophenrisikominderung und biologische Vielfalt aufbauen“, so Sebesvari.
Im Wald ist auch Totholz wichtig für Klimaschutz
Ökologen diskutieren außerdem, auf welche Weise Wälder am meisten zum Klimaschutz beitragen können. Während die einen – wie Hans-Joachim Schellnhuber, Ex-Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung – dafür plädieren, sie vor allem als Ressource für erneuerbare Rohstoffe zu sehen und das Bauen mit Holz zu forcieren, betonen andere die Leistungen natürlicher Wälder.
„Die Ökosystemleistungen werden oft unterschätzt“, sagt Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule Eberswalde. In einem Wald sorgten eben nicht nur lebende Bäume für Klimaschutz. „Wenn Wälder reifen, lagern sie fortwährend Kohlenstoff ein“, so Ibisch. Auch Totholz sei hier interessant, weil „es sich zwar zersetzt, aber eben nicht zu 100 Prozent zu CO2“. Es entstünden organische Moleküle, die ausgewaschen in tiefere Bodenschichten gelangen und dem Kohlenstoffkreislauf entzogen würden.
Wichtig sei nun eine staatliche Regulierung, die der Natur Raum und Zeit zur Selbstheilung gebe, sagt der Biologe. Die Trockenlegung und Nutzbarmachung der Moore, so Moorexpertin Tanneberger, wurden durch große Kampagnen des Staates ausgelöst und begleitet. Solch eine Kampagne brauche es jetzt wieder – um der Natur nasse Moore zurückzugeben.
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