Klimaschutz im Flugverkehr: Flugzeuge bleiben Klima-Killer
Die UN-Luftfahrtorganisation ICAO will wegen Corona ihr geplantes Klimaprogramm auf Eis legen. Ein großer Rückschritt, klagen Umweltschützer.
Mit ihrer steilen Kursänderung reagiert die ICAO unter Druck der Luftfahrtlobby IATA, in der Airlines und Flugzeugbauer zusammengeschlossen sind, auf den Absturz der Branche durch die Coronapandemie. Die IATA hatte im Mai gefordert, die ICAO solle „die Methoden anpassen, mit denen die Grundlage für Corsia berechnet wird“. Ursprünglich sollte mit dem Corsia-Programm der Flugverkehr ab 2020 „klimaneutral wachsen“: Für die CO2-Emissionen über einem Schnitt aus den Jahren 2019/2020 sollten die Airlines Zertifikate ähnlich wie im Emissionshandel erwerben. Das sollte zu effizienteren Flugzeugen, fossilfreiem Kerosin und anderen Flugrouten führen, so die Hoffnung.
Der Rückgang der Flüge durch die Coronakrise hätte nun diese Rechengrundlage radikal verändert. Die IATA schätzte, die Emissionen in 2020 würden „auf das Niveau von 2010 fallen“ und damit 30 Prozent niedriger sein. Airlines müssten entsprechend mehr für Zertifikate bezahlen. „Viele Airlines wären nicht in der Lage, diese höheren Preise zu zahlen“, warnte die Lobby, und viele Staaten in der ICAO „könnten ihre Unterstützung für das Corsia-System überdenken.“
Deshalb ist der Druck auf die Staatenvertreter in der ICAO gewaltig. Die Veränderung sei so gut wie beschlossen, heißt es von Beobachtern. Die ICAO selbst erklärte in einem Tweet am Freitagabend, die Verhandlungen seien „nicht abgeschlossen und werden Montag fortgesetzt“. Auch die EU und Deutschland, vertreten durch das Bundesverkehrsministerium, stimmten der Verwässerung des Klimaprogramms zu, allein Schweden habe sich dagegengestellt, sagten Beobachter. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Die UN-Organisation ICAO arbeitet hinter verschlossenen Türen. Nur Vertreter von Staaten und Lobbyisten sind zugelassen.
Die Mehrkosten pro Flug sind gering
Eine übergroße Belastung für die Fluglinien durch Corsia sehen Experten allerdings nicht. Eine Analyse des Öko-Instituts sagt voraus, dass selbst bei unveränderten Bedingungen die Mehrkosten für teurere Zertifikate durch die geringere Nachfrage etwa ausgeglichen würden. „Bei einer langsamen Erholung des Verkehrs, wie ihn die IATA selbst prognostiziert, würden die Belastungen für die Konzerne kaum steigen“, sagt Lambert Schneider, Autor des Reports. Durch die neuen Regeln würde die Nachfrage an Zertifikaten nun für drei bis sechs Jahre ausgesetzt. Insgesamt sparten sich die Airlines dadurch „25 bis 75 Prozent“ der CO2-Scheine und „die nächsten 15 Jahre passiert beim Klimaschutz nur sehr wenig“, so Lambert. Andere Kritiker wie der US-Umweltverband EDF monieren, mit der Entscheidung entfalle der Druck auf Fluggesellschaften, etwa in sparsame Flugzeuge zu investieren.
„Das könnte der Todesstoß für Corsia sein“, sagte Gilles Dufresne, Experte beim Thinktank Carbon Market Watch, gegenüber der Webseite ClimateHome. „Es war immer ein lächerlich schwaches System, aber jetzt wird es praktisch bedeutungslos.“ Selbst mit den Zertifikaten werde ein Transatlantikflug nur etwa 20 Euro teurer, schätzen Experten.
Der Startabbruch kurz vor dem Abheben passt ins Bild. Der internationale Flugverkehr hat sich bisher beharrlich allen Forderungen nach mehr Klimaschutz entzogen. Er macht etwa 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus (etwas mehr als Deutschland), aber die Wirkung auf die Erderhitzung ist etwa durch Wolkenbildung zwei- bis dreimal so stark, schätzen Fachleute. Wie der Flugverkehr nun das Ziel des Pariser Abkommens einhalten soll, bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu sein, steht in den Sternen.
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