Klimaschädliche Energieträger: Weißes Haus stoppt LNG-Zulassungen
US-Präsident Joe Biden zieht die Reißleine: Für die Genehmigungen von Flüssiggas-Terminals gibt es erst mal ein Moratorium – wegen der Klimakrise.
Bevor solche Projekte genehmigt werden, muss das Energieministerium nun die Klimafolgen analysieren. Bis dafür Kriterien entwickelt sind, hängen etliche Bauprojekte der fossilen Industrie in der Schwebe.
„Wir werden diese Zeit nutzen, um die Auswirkungen von LNG-Exporten auf die Energiekosten, Amerikas Energiesicherheit und unsere Umwelt genau unter die Lupe zu nehmen“, erklärte Biden in einer Stellungnahme. „Diese Pause bei der Vergabe von neuen LNG-Genehmigungen sieht die Klimakrise als das, was sie ist: die existenzielle Bedrohung unserer Zeit.“ Auf existierende Exportvereinbarungen soll das Genehmigungsmoratorium laut Regierung keine Auswirkungen haben.
Umweltaktivisten bejubelten die Regierungsentscheidung. Allerdings könnten die USA ihrer Meinung nach noch einen Schritt weiter gehen und einen permanenten Stopp von LNG-Exporten beschließen.
Fossile Industrie beklagt sich
„Klimaschutz hat für junge Amerikaner oberste Priorität“, sagte Santiago Mayer von der politischen Jugendorganisation Voters of Tomorrow. „Wir freuen uns darüber, dass Präsident Biden das Bewusstsein der Generation Z für die Dringlichkeit dieses Themas teilt und uns zuhört, wenn es um den Schutz unserer Umwelt geht.“
Im Gegensatz dazu kritisieren Interessengruppen aus der Öl- und Gasindustrie und auch viele Republikaner die Entscheidung als eine „schlechte Nachricht“ für Amerika und einen Sieg für Russland. „Weitere Beschränkungen der LNG-Exporte werden die Energiekosten nur in die Höhe treiben, während der Westen versucht, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.
Diese Agenda ist nicht nur für die Amerikaner zu Hause schlecht. Es steht in direktem Widerspruch zu Amerikas Interessen auf der Weltbühne“, sagte der republikanische Senator Mitch McConnell bereits am Mittwoch.
Die Regierung widerspricht dieser Darstellung und erklärte, dass das Moratorium Ausnahmen vorsehe. Dazu zählen nationale Sicherheitsbedenken sowie die Unterstützung von Verbündeten in Europa, um deren Energieversorgung sicherzustellen, erklärte ein Regierungsmitarbeiter im Gespräch mit Journalisten.
LNG-Kapazitäten sind schon massiv gewachsen
Die USA sind schon jetzt der weltweit größte Exporteur von Flüssiggas. Insgesamt sieben Export-Terminals existieren entlang der amerikanischen Golfküste in Texas und Louisiana. Fünf weitere sollen in den kommenden Jahren folgen und sind bereits genehmigt. Doch die Gasindustrie will noch viel mehr bauen: Knapp ein Dutzend weiterer Projekte hängt durch das Moratorium in der Schwebe.
Amerikas LNG-Export-Kapazitäten haben sich in den vergangenen Jahren schon knapp verdreifacht, nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus Europa. Nachdem Russland den Gashahn aufgrund europäischer Sanktionen für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugedreht hatte, haben viele EU-Länder auf LNG-Importe aus den USA gesetzt, um künftig die leeren Gasspeicher zu füllen. Darunter ist auch Deutschland.
Die Bundesregierung will über die kommenden 14 Jahre gut 10 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die LNG-Import-Kapazitäten im Land zu erweitern. Es sollen sogar Überkapazitäten geschaffen werden, um gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein, wie das Wirtschaftsministerium im vergangenen Jahr verkündete. Sehr zum Missfallen von Klimaschützern.
Auf vereinbarte LNG-Lieferungen nach Europa oder Asien soll das nun verhängte Genehmigungsmoratorium keinen Einfluss haben, sagte die US-Energieministerin Jennifer Granholm. Die Biden-Regierung argumentiert: Der aktuelle Prozess zur Genehmigung von LNG-Exporten sei seit 2018 nicht mehr angepasst worden und kalkuliere deshalb nur unzureichend die tatsächlichen Kosten für Verbraucher und Industrie ein – und den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen.
Das Moratorium kommt zu Beginn eines Wahljahres um die US-Präsidentschaft und könnte bis nach der Wahl anhalten. „Es sieht stark danach aus, als ob der Prozess und der Zeitpunkt stark von der Politik unserer bevorstehenden Wahlen hier in den Vereinigten Staaten bestimmt werden“, sagte Robert Kleinberg, ein Experte für globale Energiepolitik an der Columbia University in New York, im Gespräch mit der taz.
Mit dem Wiederbeitritt der USA zum Pariser Klimaabkommen am ersten Tag seiner Amtszeit hatte Präsident Biden ein klares Signal gesetzt. Er verdeutlichte damit, dass Umwelt- und Klimaschutz ein Fokus seiner Regierung sein werden. Nun muss er auch auf die Unterstützung von Klimaaktivisten hoffen, um im kommenden Wahlkampf zu bestehen. Dort wartet als Konkurrent mit hoher Wahrscheinlichkeit Ex-Präsident Donald Trump.
„Wir werden den Aufrufen junger Menschen und Gemeinden an vorderster Front der Klimakrise Beachtung schenken, die ihre Stimmen nutzen, um Maßnahmen von denen zu fordern, die die Macht haben“, erklärte Biden.
Biden kämpft aktuell mit niedrigen Umfragewerten. Besonders unter jungen Wählern hat dieser mit seiner ungebrochenen Unterstützung für Israel seit Beginn des Nahostkriegs viel Unterstützung eingebüßt. Und auch Klimaschützer sind trotz der Fortschritte, die die USA unter Biden in den vergangenen Jahren erzielt haben, nicht zufrieden. Zum Beispiel haben die USA im vergangenen Jahr mehr Öl und Gas als jemals zuvor exportiert.
„Wenn es nach Donald Trump ginge, würden diese gefährlichen Öl- und Gasprojekte überstürzt vorangetrieben“, sagte die Vorsitzende der Klimaorganisation Climate Power, Lori Lodes.
Ob das Genehmigungsmoratorium der Anfang vom Ende des US-amerikanischen LNG-Booms ist, bleibt abzuwarten. „Hier in den Vereinigten Staaten sagen wir das gern, dass unser Gas zu den am wenigsten umweltschädlichen in der Welt gehört“, witzelte Kleinberg. Ob das stimmt und ausreicht, um den LNG-Boom trotz Klimakrise fortzuführen, soll der überarbeitete Genehmigungsprozess prüfen.
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