Klimapolitik in Norwegen: Kohleparadox im Norden

Das Land beschließt den Rückzug des Pensionsfonds aus Kohleinvestitionen. Zugleich subventioniert es den eigenen Bergbau.

Ein Boot mit Wissenschaftlern passiert einen Gletscher auf Spitzbergen.

Auch auf Spitzbergen baut Norwegen Kohle ab Foto: dpa

STOCKHOLM taz | Für Rasmus Hansson, den Vorsitzenden der norwegischen Grünen, ist der heutige Freitag ein guter Tag: „Unser Land wird seine Ersparnisse nicht mehr in die Zerstörung des Erdklimas investieren“, sagt er. Das Parlament in Oslo will beschließen, den staatlichen Pensionsfonds anzuweisen, sich vom Großteil seiner Investitionen in Kohle zu trennen.

Für den deutschen Energiekonzern RWE wird es dann keinen Platz mehr im Portfolio geben und nach ersten Berechnungen des norwegischen Finanzministeriums auch für 50 bis 75 andere Konzerne – vorwiegend aus den USA und China – auch nicht mehr. Für Klimaschützer gibt es einen Wermutstropfen: Einige große Mischkonzerne wie Anglo American und Glencore werden von der Regelung nicht betroffen sein – sie gilt nur für Unternehmen, die mindestens 30 Prozent ihrer Einkünfte aus der Kohle generieren oder zu mindestens 30 Prozent Kohle produzieren.

Hansson erwartet nun von der norwegischen Regierung, dass sie weitermacht und auch das „Spitzbergen-Paradox“ löst: Während es sich nämlich beim Pensionsfonds klimafreundlich gibt, subventioniert Norwegen auf der Arktisinsel jährlich mit umgerechnet Hunderten von Millionen Euro den Abbau einheimischer Kohle – als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Vor 100 Jahren war die Besiedlung dieses arktischen Archipels wegen der reichen und leicht zugänglichen Kohlevorkommen erfolgt. Inzwischen ist der Förderbetrieb längst nicht mehr profitabel.

Ließe man die Kohle in der Erde, würde der Staat rund 30 Euro pro produzierter Tonne sparen, mit denen er jetzt den Betrieb subventionieren muss. Doch die rund 200 Arbeitsplätze gelten als wichtig für die Bevölkerungsgrundlage. Und eine stabile Besiedlungsstruktur hält man in Norwegen für essenziell, um auch in Zukunft die Souveränität über diese Inselgruppe verteidigen zu können, die dem Land 1920 im Spitzbergen-Vertrag zugesprochen worden war.

Oslo möchte also, dass die Welt sich lieber heute als morgen von der Kohleverbrennung verabschiedet, aber für die von einem staatseigenen Unternehmen betriebene Kohleförderung soll das nicht gelten? „Man fasst sich an den Kopf“, sagt Lars Haltbrekken, Vorsitzender des norwegischen Naturschutzverbands. Und er erinnert daran, dass die Store Norske Spitsbergen Kulkompani trotz aller staatlicher Subventionen am Rande des Konkurses balanciert und mit umgerechnet 60 Millionen Euro zusätzlicher Steuergelder „nun weiter künstlich am Leben gehalten wird“.

Die auf Spitzbergen geförderte Kohle belastet die Erdatmosphäre mit jährlich 6 Millionen Tonnen CO2, das ist ein Zehntel der norwegischen CO2-Emissionen. Außer von Umweltschutzorganisationen kommt auch von den Vereinten Nationen Kritik. „Wie kann Norwegen ausgerechnet auf einer Insel weiterhin Kohlebergbau betreiben, die ein solches Symbol für den Klimawandel und die Klimaforschung geworden ist“, fragt Christiana Figueres, Generalsekretärin des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention.

Bislang sind solche Appelle verhallt. Doch spätestens mit dem kohlefreien Pensionsfonds sollte der Druck groß genug werden, die Subventionspolitik zu überdenken.

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