Klimakiller Methan: Pupsen verboten
CO2 kennt jeder, aber CH4? Dabei steht Methan auf Platz zwei der Liste der klimaschädlichsten Treibhausgase. Über Ausstoß, Klima und Kühe.
CH4: Was ist das?
Methan ist ein Gas, das wir weder sehen noch riechen können. Es hat die chemische Formel CH4. Wer sich an den Chemieunterricht erinnert: Das bedeutet, ein Kohlenstoffatom ist mit vier Wasserstoffatomen verbunden. Methan entsteht dadurch, dass organisches Material – zum Beispiel Pflanzen oder Kleinstlebewesen – ohne Luftzufuhr abgebaut wird. Erdgas, dessen Hauptbestandteil Methan ist, entstand zum Beispiel so: Vor vielen Millionen Jahren lagerte sich Plankton auf dem Meeresboden ab. Nach und nach wurde diese Schicht zum Beispiel von Sand überlagert. Durch hohe Temperaturen und hohen Druck entstand dann das Gas.
Aber auch Kühe erzeugen in ihren Mägen Methan, das sie ausstoßen, wenn sie rülpsen oder pupsen.
Methan ist nach Kohlendioxid das wichtigste Treibhausgas. Es bleibt zwar deutlich kürzer in der Atmosphäre als CO2, trägt aber pro Tonne stärker zur Erderhitzung bei. Um zu vergleichen, wie klimaschädlich verschiedene Treibhausgase sind, arbeiten Wissenschaftler*innen unter anderem mit dem Konzept der Treibhausgaspotenziale. Der englische Begriff dafür lautet Global Warming Potential, abgekürzt GWP. Laut dem aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC ist Methan über einen Zeitraum von 100 Jahren etwa 27- bis 30-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. Insgesamt ist Methan für etwa 30 Prozent der menschengemachten Erderhitzung verantwortlich.
60 Prozent der Methanemissionen werden von Menschen verursacht
Wir Menschen verursachen etwa 60 Prozent der Methanemissionen, die anderen 40 Prozent gelangen auf natürliche Weise in die Atmosphäre. Fangen wir mit der Natur an: Die größten Verursacher sind hier Feuchtgebiete, die ganz oder teilweise unter Wasser stehen. Wenn hier Mikroorganismen ohne Sauerstoffzufuhr organisches Material abbauen, entsteht Methan – zum Beispiel in Mangrovenwäldern in den Tropen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Auch Permafrost-Feuchtgebiete setzen beim Auftauen Methan frei. Zwei Studien, die im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Methanemissionen aus Feuchtgebieten zunehmen. Dadurch, dass die Klimakrise Niederschlagsmuster verändert, entstehen neue Feuchtgebiete in den Tropen. Außerdem tauen immer mehr Permafrostböden. Auch Teile der natürlichen Methanemissionen sind also streng genommen vom Menschen verursacht.
Bei den unmittelbar menschengemachten Methanemissionen spielen die Landwirtschaft mit etwa 40 Prozent und die fossile Industrie mit rund 36 Prozent die größte Rolle. In der Landwirtschaft entsteht Methan hauptsächlich in den Mägen von Wiederkäuern, vor allem Kühen.
Beim Abbau von Kohle und Öl ist Methan ein Abfallprodukt. Es gelangt ebenfalls an die Erdoberfläche und entweicht dort entweder einfach so in die Atmosphäre oder wird abgebrannt. Dadurch entsteht CO2, was etwas weniger, aber immer noch klimaschädlich ist. Und auch bei der Förderung von Erdgas entweicht unbeabsichtigt Methan in die Luft. Eine weitere wichtige Methanquelle ist die Abfallwirtschaft mit etwa 20 Prozent der menschengemachten Methanemissionen.
1.920 Methanteile pro Milliarde befinden sich in der Atmosphäre
Laut dem aktuellen IPCC-Bericht lag der Methangehalt in der Atmosphäre im Jahr 2019 bei 1866 parts per billion, also Teilen pro Milliarde. Damit war er etwa 2,6-mal so hoch wie in der vorindustriellen Zeit – so hoch wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht. Inzwischen liegt er bei etwa 1.920 ppb. Direkte Messungen von Methan in der Atmosphäre gibt es seit den 1970er Jahren. Für die Zeit davor können Forschende die Methankonzentration anhand von Luftbläschen ermitteln, die im Eis eingeschlossen sind.
Seit Beginn der direkten Messungen stiegen die Methanemissionen am stärksten im Zeitraum vom Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre an. Forschende sehen das unter anderem als Folge der sogenannten Grünen Revolution, in der vor allem Länder des Globalen Südens ihre Landwirtschaft intensivierten. Zwischen 2000 und 2006 gab es eine Phase, in der die Methanemissionen kaum anstiegen – danach nahmen sie aber wieder deutlich zu.
Woran die Schwankungen liegen, können Wissenschaftler*innen noch nicht eindeutig sagen. Zum einen könnten sie mit dem Abbau von Methan in der Atmosphäre zusammenhängen. Der passiert vor allem durch Oxidation mit dem sogenannten Hydroxyl-Radikal (OH) in der Troposphäre, also der untersten Schicht der Erdatmosphäre. Je nachdem, wie viel OH zur Verfügung steht, kann mehr oder weniger Methan abgebaut werden. Wahrscheinlich ist aber, wie so oft, der Mensch hauptverantwortlich für die Schwankungen der Methanemissionen. Den Anstieg seit 2007 führen Forschende unter anderem auf steigende Emissionen aus der Landwirtschaft und der fossilen Industrie zurück.
13,6 Kilo CO2 für ein Kilo Rindfleisch
Ist das gefährlichste Tier der Welt also die Kuh? Auf jeden Fall kommt der hohe Anteil der Landwirtschaft an den Methanemissionen vor allem durch die Viehhaltung – und da wiederum nahezu ausschließlich durch die Rinder. Grundsätzlich entsteht das Treibhausgas aber auch bei der Verdauung anderer Wiederkäuer wie Schafen und Ziegen.
Eigentlich ist es eine Superkraft, die diese Tiere besitzen: Sie können in ihrem Magensystem schwer verdauliche Kost wie Gräser und Heu verarbeiten. Allerdings entsteht dabei eben Methan, das die Tiere beim Wiederkäuen ausrülpsen. Außerdem entwickelt sich Methan auch während der Lagerung von Gülle, besonders von Rindern und Schweinen. In Pilotversuchen testen manche Bäuer*innen mittlerweile, ob man das mindern kann, etwa durch eine veränderte Ernährung der Tiere. Was auf jeden Fall hilft, ist eine Reduktion der Tierbestände. Das würde gleichzeitig mehr Platz für die einzelne Kuh und damit mehr Tierwohl ermöglichen.
Der hohe Methanausstoß der Rinderhaltung macht sich auch in der Klimabilanz von Nahrungsmitteln bemerkbar. Das durchschnittliche Kilo Rindfleisch verursacht laut Ifeu-Institut 13,6 Kilo CO2-Äquivalent. Zum Vergleich: Bei einem Kilo Gurke sind es nur 0,4 Kilo. Wer auf Fleisch und besonders auf Rindfleisch verzichtet oder seinen Konsum reduziert, macht seine Ernährung also deutlich klimafreundlicher.
1.000 Kilometer Pipeline haben viele Lecks
Verbrennt man Erdgas, wie es in Gaskraftwerken zur Stromgewinnung getan wird, entsteht unter anderem Kohlendioxid. Das ist sehr schlecht fürs Klima. Der Klimaschaden beginnt aber oft schon viel früher: wenn durch Lecks Erdgas unverbrannt in die Atmosphäre entweicht. Denn das Gas besteht zum Großteil aus Methan.
Wie groß das Problem ist, lässt sich schwer sagen, denn so ein Loch in einer tausend Kilometer langen Pipeline muss erst mal entdeckt werden. Als US-Wissenschaftler*innen vor zehn Jahren Anlagen der US-Gasindustrie überprüften, kamen sie auf 60 Prozent höhere Leckraten als die, die der US-Umweltbehörde EPA vorlagen. Das zeigt, wie man den Methanausstoß der Gasindustrie senken könnte: Anlagen müssen stabil gebaut, instandgehalten und regelmäßig überprüft werden.
Außerdem könnte auf Fracking verzichtet werden. Bei dieser besonders invasiven Methode der Gasförderung wird das Gestein im Boden hydraulisch aufgebrochen. Das sprengt oft unbeabsichtigt Gaslager, deren Inhalt dann einfach in die Luft geht. Auch bei konventionellen Bohrungen entweicht am Bohrloch Methan, aber weniger als beim Fracking. Und: Natürlich ist auch der Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas insgesamt geboten. Lecks werden sich schließlich nie komplett ausschließen lassen. Und selbst wenn das möglich wäre, bliebe die Verbrennung von Erdgas klimaschädlich.
184-mal so viel Methan wie angegeben
Wenn Energiekonzerne Kohle und Öl fördern, entweicht dabei auch Methan aus der Erde. Das ist keine Absicht, passiert aber, wenn durch das Bohren und Baggern Erdgaslager aufbrechen. Kohle enthält auch selbst Methan. Deutschland rechnet beispielsweise für jede Tonne Braunkohle 0,011 Kilogramm Methan in seine Klimabilanz ein. Die Zahl stammt aus dem Jahr 1989, und zwar aus Messungen des im Energiekonzern RWE aufgegangenen Unternehmens Rheinbraun. Aber das Problem könnte deutlich größer sein.
Das legt eine Untersuchung nahe, die das Londoner Analyseinstitut Ember Climate und die Deutsche Umwelthilfe im April vorgelegt haben. Die Expert*innen haben unter anderem Satellitenbilder ausgewertet. Die würden zum Beispiel besonders hohe Methanfreisetzung aus den Tagebauen Hambach und Welzow-Süd sowie den Tagebauseen des Lausitzer Seenlands zeigen. Das Fazit: Die Braunkohlegewinnung in Deutschland könne 184-mal so viel Methan emittieren wie offiziell angegeben. Umweltschützer*innen fordern deshalb, dass Energiekonzerne verpflichtet werden, reale Methanmessungen bei der Förderung fossiler Energieträger anzustellen – damit die wirkliche Größe des Problems bekannt wird.
Außerdem kann man bauliche Maßnahmen gegen den Austritt von Methan sowie die Reparatur von Lecks vorschreiben, das routinemäßige Ablassen und Abfackeln des Gases verbieten. Die gute Nachricht: Innerhalb der Europäischen Union wird mit der sogenannten Methanverordnung vieles davon bald eingeführt. Ganz grundsätzlich hilft natürlich der Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern. Wenn Kohle und Öl nicht mehr gefördert werden, entfallen auch die Methanemissionen als Kollateralschäden.
2035 sollen nur noch zehn Prozent der Abfälle auf Deponien landen
Ein großer Teil der Methanemissionen aus der Abfallwirtschaft kommt von Deponien. Wenn dort organische Abfälle lagern, an die keine Luft herankommt, entwickelt sich Deponiegas, das unter anderem aus Methan besteht. In der EU haben sich die Methanemissionen aus Abfalldeponien zwischen 1990 und 2019 etwa halbiert. Dazu trug unter anderem die EU-Deponierichtlinie bei. Sie wurde erstmals Ende der 1990er Jahre verabschiedet und beschränkt den Anteil der Abfälle, die auf Deponien landen dürfen.
Außerdem legt sie fest, dass Betreiber von Deponien das entstehende Gas entweder nutzen oder abbrennen müssen. 2018 hat das Europäische Parlament die Richtlinie angepasst: Sie schreibt jetzt unter anderem vor, dass bis 2035 nur noch 10 Prozent der Siedlungsabfälle auf Deponien landen dürfen. Das sollte dazu führen, dass die Methanemissionen aus der Abfallwirtschaft weiter sinken. Allerdings landen weltweit immer noch große Mengen an Abfall auf Deponien. Dort, wo es noch nicht möglich ist, die Abfälle etwa zu recyceln oder wiederzuverwerten, sollten Betreiber das entstehende Gas auffangen und als Energiequelle nutzen.
158 Länder haben den Methanpakt vereinbart
Methan ist zwar das wichtigste Treibhausgas nach Kohlendioxid – aber wurde politisch lange vernachlässigt. Dabei gilt die Reduktion von Methanemissionen eigentlich als „quick fix“ für die Klimakrise – als Lösung, die schnell viel bringt.
Bei der Weltklimakonferenz, die 2021 im schottischen Glasgow stattfand, vereinbarten Regierungen den sogenannten „Global Methane Pledge“, zu Deutsch: den Globalen Methanpakt. 158 Länder haben sich der Initiative angeschlossen, die die USA und die EU gemeinsam angestoßen haben. Das Ziel: den Ausstoß von Methan bis 2030 weltweit um 30 Prozent gegenüber 2020 zu reduzieren. Um mit dem Pariser Weltklimaabkommen kompatibel zu sein, hätten es eigentlich noch 4 Prozentpunkte mehr sein müssen, monieren etwa die Klimaschützer*innen von Germanwatch. Vor allem aber ist der Pakt eher eine politische Absichtsbekundung, kein verbindlicher Vertrag.
Die EU hat im Frühjahr ihre erste Methanverordnung final verabschiedet, die die Emissionen des Energiesektors in Angriff nehmen soll. Energiekonzerne werden damit verpflichtet, ihre Methanemissionen zu messen, statt nur zu schätzen, Lecks zu reparieren, das Abfackeln von Gas zu reduzieren. Nach und nach soll das auch für importierte Energieträger gelten.
In der Landwirtschaft wollte Neuseeland eigentlich Vorreiter sein. In dem Land leben doppelt so viele Kühe wie menschliche Einwohner*innen, nämlich 10 Millionen, und sogar 26 Millionen Schafe. Entsprechend groß ist der Anteil von Methan aus der Viehhaltung an den Treibhausgasemissionen. Eine Steuer auf Rülpser und Fürze von Rindern sollte einen Anreiz bieten, das zu ändern. Aber am Dienstag kassierte die Regierung das Gesetzesvorhaben des Vorgängerkabinetts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles