Klimakiller Luftfahrt: CO2-frei fliegen – noch weit entfernt
Die Bundesregierung will Deutschland zum Vorreiter für klimaneutrale Luftfahrt machen. Dazu soll nachhaltiges Kerosin produziert werden.
„Wir wollen die gesamte Community und Branche auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen“, sagte die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann (Grüne), bei der Vorstellung des Papiers „Klimaneutrale Luftfahrt“ zusammen mit Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP). Anlass war die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung, die am Mittwoch in Berlin eröffnet wird.
Die Weichen für effizientere Flugzeuge, neue Antriebe etwa mit Wasserstoff, nachhaltig erzeugte Kraftstoffe und einen klimaneutralen Betrieb der Flughäfen müssten schnell gestellt werden, forderte Christmann. Vieles, etwa neue Antriebe, sei wegen der langen Entwicklungszeiten in der Luftfahrt nicht kurzfristig umsetzbar. „Einige Schritte sind aber sofort möglich“, sagte sie. Allerdings fehlen in dem Papier klare zeitliche Vorgaben.
Schnell möglich wäre der stärkere Einsatz von nachhaltigem Kerosin in Form sogenannter Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL) oder von Agrosprit. Agrokraftstoffe werden aus Pflanzen gewonnen. Sie sind umstritten, weil auf den Anbauflächen auch Nahrungsmittel erzeugt werden könnten. Bei PtL-Verfahren wird Kerosin aus Strom gewonnen, was sehr energieintensiv ist. „Langfristig setzen wir auf PtL“, erklärte Christmann. Der Hochlauf neuer Kraftstoffe müsse zügig unterstützt werden. „Der Staat als Nachfrager kann diesen Prozess beschleunigen“, sagte sie. Der Koalitionsvertrag legt fest, dass Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer in die Förderung von CO2-neutralen Flugkraftstoffen fließen. Damit kommt die Regierung einem Wunsch der Branche nach.
Kein Verbot von Inlandsflügen
Das Verteidigungsministerium soll laut Oliver Luksic ein wichtiger Abnehmer von nachhaltigem Kerosin werden. „Es ist wichtig, dass wir der Wirtschaft zeigen, dass das Thema kommt“, sagte er. Zurzeit ist PtL noch sehr teuer und wird nicht in den erforderlichen großen Mengen hergestellt. Im Emsland ist im Herbst die erste Anlage in Deutschland in Betrieb gegangen, die nachhaltiges Kerosin produziert – gebaut von einer Klimaschutzorganisation. In Kürze will die Bundesregierung den Standort für eine Demonstrationsanlage bekanntgeben, die in industriellem Maßstab PtL herstellt.
In Deutschland ist eine Mindestquote an klimaneutralen Spritbeimischungen ab 2026 in Höhe von 0,5 Prozent nachhaltigem Kerosin vorgesehen. Bis 2030 soll der Anteil bei mindestens 2 Prozent liegen. Auf europäischer Ebene wird über die Quote zurzeit verhandelt. Luksic wollte dazu mit Hinweis auf die Gespräche nichts sagen. Maßnahmen wie ein Verbot von Inlandsflügen zur Senkung des CO2-Ausstoßes plant die Bundesregierung nicht.
Doch wer das Klima schonen will, kommt an einer Verringerung des Flugverkehrs nicht vorbei, sagte Luftfahrtexperte Reh vom BUND. „Wir brauchen ein Gesamtpaket, das auch weniger Flüge und das Umlegen der Klimakosten auf den Ticketpreis vorsieht“, sagte er. Die Beimischungspflicht habe nur einen geringen Effekt. Denn die Luftfahrt werde in den kommenden Jahren so stark wachsen, dass die Branche im Jahr 2030 klimaschädlicher sein werde als heute. Reh: „Wir sind noch Lichtjahre vom klimaneutralen Fliegen entfernt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!