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Klimafreundliche MobilitätBahn streicht Sitzplätze im Fernverkehr zusammen

Der Staatskonzern mistet alte Waggons aus. Er verteidigt sich: Die Sparmaßnahme werde die Situation für die Fahrgäste letztlich sogar entspannen.

Soll aufs Abstellgleis: der Intercity Zug IC 1 Foto: Rüdiger Wölk/imago

Berlin taz | Die Züge der Deutschen Bahn sind zu Stoßzeiten häufig mehr als gut gefüllt. Dennoch will das Unternehmen viele Triebwagen und Waggons abstoßen. In den kommenden zehn Jahren soll die Zahl der Sitzplätze im Fernverkehr den Plänen nach von 265.000 auf 244.000 sinken, wie die Bahn gegenüber der taz bestätigte. Zuerst hatte der Spiegel berichtet.

Obwohl Sitzplätze wegfallen, soll sich die Lage für Bahn­kun­d*in­nen sogar entspannen. Der scheinbare Widerspruch erklärt sich aus dem technischen Zustand der Fahrzeugflotte. Die Bahn schafft es nicht, die bisher theoretisch verfügbaren Plätze auch wirklich alle für den laufenden Verkehr anzubieten. Die alten Züge fallen häufig aus oder müssen plötzlich repariert werden.

Deshalb mustert die Bahn sie aus. Die neueren Modelle sind stabiler unterwegs. So sollen für die Fahrgäste in der Praxis mehr Sitzplätze zur Verfügung stehen, während sich ihre Zahl im Bestand verringert. „Die Anzahl der für unsere Fahrgäste verfügbaren Sitzplätze steigt bis zum Jahr 2036 an“, teilt das Unternehmen mit, „die Flottenstrategie von DB Fernverkehr hat das klare Ziel, die Flotte zu verjüngen und zu modernisieren, um den Betrieb zu stabilisieren“.

Erste ICE-Generation wird aus dem Verkehr gezogen

„Das Durchschnittsalter der Flotte beträgt heute 17 Jahre und wird bis 2028 auf knapp 15 Jahre sinken“, erklärt das Unternehmen. Dafür sorgen viele neu beschaffte Züge. In den vergangenen neun Jahren kamen 170 neue ICE dazu. 380 sind es nun insgesamt. Der moderne ICE 4 und der ICE 3neo sind zu 90 Prozent verfügbar. Weitere 100 neue Züge kommen in den nächsten Jahren noch dazu.

Im Gegenzug werden etliche alte Modelle verkauft oder zerlegt. Im kommenden Jahr wird den Plänen nach die erste Generation des ICE aus dem Verkehr gezogen. Die ab 1991 eingesetzten Fahrzeuge sind in die Jahre gekommen. Die letzten davon sind im Ferienverkehr nach Sylt und zwischen Berlin und Amsterdam im Einsatz.

Abgeschafft werden auch die Intercity-Züge (IC), die vor allem in der Fläche unterwegs sind. „Gerade die Ausmusterung der alten IC 1 bedeutet einen großen Qualitätssprung für unsere Fahrgäste“, versichert das Unternehmen.

Vorwürfe, die Bahn wolle sich aus der Fläche zurückziehen und auf rentable Verbindungen konzentrieren, weist der Konzern zurück. Die IC würden durch moderne ICE ersetzt. „Wir wollen deutschlandweit ein stabiles Verkehrsangebot bieten“, heißt es weiter.

An dieser Darstellung sind jedoch Zweifel erlaubt. Denn der Fernverkehr fährt derzeit wirtschaftlich dem Erfolg hinterher. Alleine im vergangenen Jahr haben die vielen Verspätungen rund zehn Millionen Fahrgäste vertrieben. Die Bahn musste fast 200 Millionen Euro allein an Entschädigungen bezahlen. Wie hoch das Minus derzeit ist, wird die Halbjahresbilanz der Bahn zeigen.

Weniger Fahrten auf teureren Trassen

Dazu kommt, dass auf den Fernverkehr wie auch auf den Güterverkehr stark steigende Trassenpreise zukommen. Eine Antwort darauf könnte in weniger Fahrten bestehen. Das hat der Vorstand nicht ausgeschlossen.

Der Ausverkauf der Züge hat schon begonnen. Nahverkehrszüge wurden an die österreichische Staatsbahn ÖBB verkauft. Von klassischen Nachtzügen mit Schlafwagen hat sich die Bahn schon vor Jahren getrennt. Dieses Geschäft betreibt sie nun in Kooperation mit der ÖBB.

Auch der Baureihe 415, auch als ICE T bekannt, ist keine große Zukunft mehr beschieden. Die Züge werden zerlegt, um das Ersatzteillager für die Baureihe 411 zu füllen. Dann könnten diese Züge noch bis in das kommende Jahrzehnt hinein betrieben werden. Das Ende der Neigetechnik-Fahrzeuge trifft vor alle Verbindungen zwischen Frankfurt und den ostdeutschen Städten Dresden und Leipzig.

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2 Kommentare

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  • Wird Zeit dass die EU das übernimmt. Fernab deutscher Autolobbykorruption, mit vernünftigem Budget und ohne diese überflüssigen Grenzen überall.

  • Warum ist eigentlich immer die DB schuld und nicht der Bundesverkehrsminister und die Regierung zu der er gehört? Du Umgestaltung der Bahn in einen Haufen AGs hat zwar dem Kunden nicht geholfen, aber für die Politik hat das prima funktioniert.



    Ich möchte mal eine Maßnahme der DB sehen, bei der der Verkehrsminister befragt wird, warum die das machen.

    Aktuell wird überall massiv versucht zu sparen, weil die Politik aka der Eigentümer mehr Verkehrsleistung, weniger Verspätungen UND Gewinn fordert.