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Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Klimaaktivismus gegen VolkswagenIn der Höhle des Löwen

Seit Jahren kämpfen Ak­ti­vis­t*in­nen gegen den Autobauer VW und für eine Verkehrswende – die jährliche Aktionärsversammlung ist ihr wichtigster Aktionstag. Was können sie erreichen?

Alina Götz
Von Alina Götz aus Wolfsburg

M ittwochmorgen um halb zehn bricht kurz Tumult aus. Vor dem VW-Werkstor Sandkamp in Wolfsburg schreit eine Wachfrau laut: „Ey, hier“, winkt ihren Kollegen zu und pfeift laut, denn eine Frau steht auf dem Dach des Werktores. In den nächsten Minuten befestigt und entrollt sie ein Banner: „Diese Fabrik ist besetzt, VW in Arbeiter*innenhand“.

Auf der Straße stoppt ein Polizeiauto, Be­am­t*in­nen halten fünf beteiligte Ak­ti­vis­t*in­nen auf. Auch sie entrollen kleine Stoffbanner mit den Aufschriften „VW = Verkehrswende“ und „Au Auto Au“. Später, das Banner ist längst wieder abgehängt, melden sie eine Versammlung an. Eine holt eine Gitarre raus, sie singen. Auf einem kleinen Parkplatz stehen gleich acht Mannschaftswagen der Polizei.

Der Grund für die Nervosität, mit der die vergleichsweise kleinen Protestaktionen begleitet werden: Es ist wieder Hauptversammlung bei VW. Seit fast zwei ­Jahren nun kämpft Amsel44 in Wolfsburg dafür, VW zu vergesellschaften und zu einem straßenbahnproduzierenden Betrieb umzubauen. Um dem zweitgrößten Automobilkonzern der Welt etwas entgegenzusetzen, hat sich die Gruppe in Wolfsburg mit einem Projekthaus niedergelassen. Die Adresse: Amselweg 44. Die Proteste im vergangenen Jahr schafften es bis in den britischen Guardian; Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen hatten mit Nacktprotest und Tortenwurf die Versammlung unterbrochen.

Aktionen zur Hauptversammlung von VW

Das Bild von Mannschaftswagen und Be­am­t*in­nen an jeder Ecke in der Innenstadt zieht sich wie ein roter Faden durch den Tag. Die Wasserschutzpolizei patrouilliert auf dem Kanal. Wo auch immer Aktionen sind, die Polizei ist da. Dabei findet die Vollversammlung, wegen der Erfahrungen aus 2023, nicht mal in Präsenz statt, sondern virtuell. Doch die Ak­ti­vis­t*in­nen vom Projekthaus Amsel44 wollen die Flucht ins Virtuelle nicht einfach hinnehmen; sie halten die Stadt am Mittwoch mit unterschiedlichsten Aktionen auf Trab. Ein VW-Sprecher begründet die Verlegung ins Digitale anders: „Aus organisatorischen Gründen“ versammle man sich online. Außerdem werde so CO2 eingespart, wenn niemand anreisen müsse, und es könnten so noch viel mehr Ak­tio­nä­r*in­nen teilnehmen.

Tobi Rosswog, Aktivist von Amsel44, lässt sich die Teilnahme an der diesjährigen Veranstaltung nicht nehmen. Er wurde mit Rederecht von den Kritischen Aktionären ausgestattet: einer Nichtregierungsorganisation, die sich von Ak­tio­nä­r*in­nen ihr Stimmrecht übertragen lässt. So können sie auf Hauptversammlungen verschiedener Konzerne auch für mehr Klima- und Arbeitsschutz einstehen.

Rosswog wählt sich also am Mittwoch in die Jahreshauptversammlung bei VW ein und hält seine Rede. Später erzählt er, dass er mehrfach ermahnt und unterbrochen worden sei – weil er die Tagesordnung gestört habe. „Dabei habe ich mich doch auf die Ausschüttung der Dividenden bezogen, die nur einige wenige erhalten.“

Der Beginn der Proteste

Im Sommer 2022 begannen die Proteste der Amsel44-Aktivist*innen. Zunächst demonstrierten sie gegen den Ausbau der A 39 und starteten eine Kampagne gegen das damals geplante Werk in Warmenau bei Wolfsburg, in dem VW sein neues E-Limousinen-Modell Trinity bauen wollte. Bei den Anwohnenden von Warmenau tauchten gefälschte Flugblätter mit dem Titel „VW übernimmt Verantwortung“ auf, dazu das Logo des Konzerns, illegalerweise verwendet.

Die Kampagne hatte Folgen für die Aktivist*innen: Ende Mai 2023 stand die Polizei vor der Tür im Amselweg, durchsuchte das Haus und nahm Datenträger und Elektrogeräte mit.

Nach drei Monaten war das Trinity-Werk tatsächlich vom Tisch. Allerdings nicht wegen der Proteste, sondern weil sich die Entwicklung einer Fahrzeug-Software verzögerte. Statt auf Werksneubau setzt VW nun auf die Umrüstung be­stehender Werke, um die E-Modelle zu fertigen.

VW ist der zweitgrößte Autokonzern weltweit

Amsel44 protestiert weiter gegen VW: Zwei Ak­ti­vis­t:in­nen seilen sich am Mittwoch von einer Fußgängerbrücke ab. Die verläuft vom Wolfsburger Hauptbahnhof über den Mittellandkanal und führt direkt zur Autostadt, einem Tourismus-Ort des Konzerns: Konzerte, Schlittschuhlaufen, Ausstellung, Shop, Gastronomie. Die Ak­ti­vis­t*in­nen zurren ein Banner an der Brücke fest, das den Umbau zur „Verkehrswendestadt“ fordert. Es ist eine der Aktionen, die für Aufruhr sorgen. „Holt doch mal ein Messer“, ruft ein Bauarbeiter von der Baustelle, die sich derzeit auf der Brücke befindet. „Geht lieber nach Berlin oder Brüssel“, schreit einer vom VW-Wachpersonal. Sein Kollege filmt die Aktion. Ein anderer schickt die Presse vom Gelände der Autostadt und verweist aufs Hausrecht.

Es brauche einen anderen Mix aus ÖPNV und Radverkehr und eine reduzierte Rolle des Autos, fordert die IG Metall

Am Nachmittag gelingt es Rosswog doch noch, eine medienwirksame Botschaft in die Haupt­versammlung zu schicken: Er filmt sich und rund 20 andere Ak­ti­vis­t*in­nen mit einem riesigen Stoffbanner auf der Berliner Brücke, der großen Straße in Richtung Werkstor Ost. Von der Berliner Brücke ist der Blick frei auf das riesige VW-­Gelände. Akkurate Wiesen umranden die Zufahrtswege und die Teststrecke. Das Banner auszurollen ist schwierig: „Das ist nicht erwünscht“, sagt ein Polizist, umringt von etwa fünf Kolleg*innen. „Zwischen unerwünscht und nicht erlaubt liegt ja auch noch ein Unterschied“, entgegnet ein Aktivist.

Schließlich halten sich die Ak­ti­vis­t*in­nen an die Vorgabe der Polizei; hängen das Banner nicht direkt an die Außenseite des Geländers. Gegen den Wind und den heftigen Regen kämpfend, entrollen sie es. Die darauf gemalte Straßenbahn ist nur im Ansatz zu erkennen, doch Rosswog hat sein Bild bekommen. Klatschnass gehen die meisten zurück Richtung Amsel44.

Doch warum eigentlich Wolfsburg, warum VW? Die Ak­ti­vis­t*in­nen nennen mehrere Gründe: „VW ist der zweitgrößte Automobilhersteller“, sagt Amsel44-Aktivistin Lotte Herzberg, „zudem ist die juristische Konstellation mit dem Land Nieder­sachsen als Miteigentümer spannend.“ Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmanteile bei der Volkswagen Group.

Adolf Hitler beauftragte den Bau des Werks 1938

Auch die Geschichte der Stadt ist eine besondere – und ein Grund für die Aktivist*innen, hier zu demonstrieren: Gegründet 1938 als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“, ist Wolfsburg eine Erfindung der Nazis. KdF ist die Abkürzung für „Kraft durch Freude“. Adolf Hitler beauftragte damals den Bau eines Werkes zur Produktion des von Ferdinand Porsche entworfenen Volkswagens. Doch dazu kam es lange nicht: Wegen des Kriegs wurden in Wolfsburg Rüstungsgüter produziert – von Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen.

Laut VW waren das etwa 20.000 Menschen, der Konzern hat die eigene Vergangenheit inzwischen aufgearbeitet, unter anderem in einer 1999 eröffneten Dauerausstellung. Das sei längst nicht ausreichend, sagen viele, wie auch die protestierenden Aktivist*innen. 1945 bekam Wolfsburg seinen jetzigen Namen. „VW prägt hier das Lebensgefühl. Es gibt den Witz mit den zwei Rathäusern: eins auf jeder Seite des Mittellandkanals. Das mächtigere sitzt nördlich davon.“ Dort steht das VW-Werk.

Heute hat die Stadt rund 125.000 Einwohner*innen. Die historische Prägung ist kaum zu übersehen: Die Haupteinkaufsstraße heißt immer noch Porschestraße, VW fördert Kunst und Kultur, sponsert Profi-Sportler*innen. Herzberg sagt: „Dass bis heute der Enkel des Kriegsverbrechers 53 Prozent der Anteile hält und die Straße Porschestraße heißt, macht deutlich, dass die Kontinuität des Nationalsozialismus nicht aufgearbeitet wurde.“

Die Ak­ti­vis­t*in­nen üben auch Kritik an den Besitzverhältnissen der Volkswagen Group, die größtenteils in den Händen der Familien Porsche und Piëch liegt. Verschiedene Medien berichten von einer geplanten Dividendenausschüttung von 4,5 Milliarden Euro für das Jahr 2023, der Umsatz liegt nach Volkswagen-Angaben bei 322 Milliarden Euro.

Die IG Metall

Rosswog ging es von Anfang an nicht um „ein bisschen weniger Autos“, sondern um eine andere Welt. „Das lässt sich aber nicht im luftleeren Raum machen“, sagt er. VW sollte der Ort der Auseinandersetzung sein, das konkrete Beispiel für die Utopie. Ein anderer Grund, sagt Rosswog: der hohe Organisierungsgrad der Gewerkschaft IG Metall. Sie vertritt Ar­bei­te­r*in­nen aus der Industrie, um die es den Ak­ti­vis­t*in­nen neben der ökologischen Komponente ihrer Vision auch geht. Doch der Kontakt mit der IG Metall lief anders als gedacht. „Am Anfang war uns nicht klar, dass es so miserabel sein wird.“

Ein Jahr lang habe man „Klinken geputzt und Kaffee in Hinterzimmern geschlürft“. Immer wieder sei man vertröstet worden. „Es gibt unglaubliche Seilschaften, auch in der Stadt. ‚Ihr habt ja recht‘ oder ‚über Trinity reden wir nicht‘ haben wir immer wieder gehört“, sagt Rosswog. Nach einem Jahr stand fest: „Wir lassen uns nicht verarschen. Mir können Leute sagen, dass sie mich oder meine Position scheiße finden, aber so etwas kann ich einfach nicht ab.“

Anfang August 2023 stellten dann (angeblich) Unbekannte eine Website online, auf der frei erfundene Pläne der IG Metall zur Transformation VWs veröffentlicht wurden. Am Tag danach sei man mit Transpi und Infotisch zum Sitz der IG Metall gegangen, sagt Rosswog. Man wollte reden, wurde weggeschickt. Tags darauf folgte eine größere Aktion, bei der die Ak­ti­vis­t*in­nen an den meterhohen Säulen vor dem Gebäude ein Banner aufhängten. Herzberg sagt, einige seien während der normalen Öffnungszeiten ins Gebäude gegangen, ebenfalls mit einem Plakat. Eine Person von ihnen werde nun wegen Hausfriedensbruch und Mittäterschaft angeklagt.

Die IG Metall wandte sich danach endgültig von den Ak­ti­vis­t*in­nen ab, verteilte im Werk sogar Flyer zum Umgang mit der Amsel44. Der Inhalt: Argumente gegen die Forderungen der Gruppe. Die Hoffnung dieser, ihre Vision rund um Werksumstellung und Vergesellschaftung weiter zu spinnen, liegt nun auf den Kol­le­g*in­nen im Werk – und nicht bei der Gewerkschaft.

Was sagt die IG Metall dazu? Für die sei es völlig normal, mit vielen gesellschaftlichen Akteuren im Austausch zu sein, schreibt Sprecher ­Steffen Schmidt. „Deswegen standen wir auch Gesprächen mit den Aktivisten aus dem Umfeld der ­Amsel44 zunächst offen gegenüber.“ Voraussetzung für ein Gespräche sei jedoch Vertrauen – diese Basis habe man nach der „Fake-Kampagne und der Besetzung des Hauses“ nicht mehr gesehen.

Straßenbahnen aus VW-Werk? „Utopisch!“

Bezüglich der inhaltlichen Forderung schreibt Schmidt, auch die IG Metall setze sich „generell für einen klimagerechten Umbau der Industrie“ ein. Eine Wende könne jedoch nur sozial fair und nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen verlaufen. „Nur so lässt sich auch in der Bevölkerung das Verständnis für Klimaschutzmaßnahmen herstellen.“

Die Forderung nach einem straßenbahn­produzierenden VW-Konzern halte die IG Metall für „utopisch“. Die Güter Auto und Straßenbahnen seien zu verschieden, entsprechend müsste sich die gesamte Produktion und das Wissen der Beschäftigten „quasi über Nacht“ wandeln. Schmidt stellt zudem infrage, ob die Produktion von Straßenbahnen „so eine rosige Zukunft hat, wie die Amsel44 bescheinigt. Die Fahrgastzahlen im ÖPNV steigen zwar wieder, haben aber auch 2023 noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht“, sagt er.

„Wenn wir hier in 20 Jahren noch arbeiten und leben wollen, muss was passieren. Die ganze Gesellschaft muss sich bewegen“

Lars Hirsekorn, VW-Betriebsrat

Dass die massenhafte Produktion von Straßenbahnen nur Sinn ergibt, wenn die Schiene massiv ausgebaut wird und sich Politik und Gesellschaft zu einer radikalen Verkehrswende bekennen, ist der Amsel44 klar.

Die bundesweit agierende IG Metall positioniert sich beim Thema Verkehrswende klarer, forderte Anfang des Jahres gemeinsam mit anderen Organisationen von der Ampelregierung, „in der verbleibenden Amtszeit ihre Verkehrspolitik stärker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten“. Im entsprechenden Papier heißt es: „Wir brauchen einen anderen Mix mit einer deutlich gestärkten Rolle von Schienenverkehr, öffentlichem Verkehr und Radverkehr sowie einer neuen, darauf abgestimmten und in Anzahl und Wege-Umfang reduzierten Rolle des Automobils.“

Man hätte gern öffentlich mit den VW-Managern gestritten, sagt Rosswog. Immer wieder habe man sie eingeladen – ohne Erfolg. So haben sich die Ak­ti­vis­t*in­nen mit offenen Diskussionsrunden, beispielsweise zum Trinity-Werk, zufriedengeben müssen – und parallel geschaut, wie sie in die Hauptversammlungen kommen.

„Es ist und bleibt unser Anspruch, für den Wunsch vieler Menschen nach individueller Mobilität die passenden Angebote zu unterbreiten“, schreibt ein VW-Sprecher.

Ermittlungen und Geldstrafen

VW sei an einem konstruktiven Dialog interessiert und „offen für Kritik“, so der Konzernsprecher. Proteste gehörten zur freien Meinungs­äußerung. Aber: „Die Form des Protests sollte sich dabei stets innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegen, gewaltfrei durchgeführt werden und die Eigentumsrechte anderer respektieren.“ Er spielt auf gefälschte Plakate an, die wenige Wochen vor dem Protesttag in Wolfsburg aufgetaucht sind. Unter anderem Wolfgang Porsches Gesicht inklusive VW-Logo war darauf gedruckt, versehen mit dem ausgedachten Zitat: „Als Enkel des Kriegsverbrechers Ferdinand Porsche sind mir Ausbeutungsstrukturen durchaus bekannt. Deswegen sollte gerade bei VW endlich Schluss sein, auch mit dem Leben auf Kosten Anderer für einige Wenige wie mich. VW steht ab sofort für Vergesellschaftung wagen.“ Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigt, dass Ermittlungen eingeleitet wurden.

Vorige Woche stand Rosswog vor Gericht. Er erzählt, dass er wegen Stickerklebens zu einer Geldstrafe veruteilt worden sei. „Berufung einzulegen ist ja kein Problem“, sagt Rosswog.

Die alternative Hauptversammlung

Am Werkstor Ost, an dem die meisten Ar­bei­te­r*in­nen ein und aus gehen, findet am Mittag die alternative Hauptversammlung statt – in Präsenz. Zwei Pavillons, Biertischgarnituren, ein Podium aus Aktivistinnen, einer Ökonomin und zwei VW-Angestellten. Etwa 20 Menschen hören zu – das sind wenige. Vor zwei Jahren aber, sagt Thorsten Donnermeier von VW in Kassel, habe man nicht mal über eine alternative Produktion geredet.

„Angefangen haben immer wenige.“ Donnermeier erzählt von Arbeitsplatzabbau und dem enormen Druck. Die gesundheitlichen Folgen: Bandscheibenvorfälle, Hörprobleme, Darmprobleme durch die ständige Schichtarbeit. „Die Frage ist immer, ob das was mit der Arbeit zu tun hat – aber unter gleichaltrigen Arbeitskollegen hat jeder dritte die gleichen Beschwerden.“

VW-Betriebsrat Lars Hirsekorn erlebt diese Probleme in seiner täglichen Arbeit. Seit Fridays for Future beschäftige er sich aber auch mit den klimaschädlichen Auswirkungen des Produkts Auto. „Wenn wir hier in 20 Jahren noch arbeiten und leben wollen, muss was passieren. Die ganze Gesellschaft muss sich bewegen.“ Eine Veränderung gemeinsam mit den Eigentümerfamilien funktio­niere nicht.

Das Werk ist nach Ansicht von Herzberg und Rosswog nicht zu groß, um Straßenbahnen herzustellen. „Man braucht viele Ingenieur*innen“, sagt Rosswog. Die Anforderungen an die Bahnen – Kurven, Steigungen – seien von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Und die derzeit produzierenden Unternehmen hätten die Auftragsbücher für zehn Jahre voll. Zudem, sagt Herzberg, gehe es auch um den Rückbau von Altlasten; darum, Menschen erst mal aus ihren „Bullshit-Jobs“ mit entsprechenden Krankheitsbildern zu holen.

Bald wird das Haus im Amselweg verkauft

Die Frage, ob die Ar­bei­te­r*in­nen überhaupt etwas anderes bauen können, beantwortet Donnermeier klar mit Ja. „Ich habe Schlosser gelernt, nicht Automobilbauer.“ Die Vision der Ak­ti­vis­t*in­nen hält er für ein Ziel, „für das wir kämpfen sollten.“ Das sehen noch nicht alle so: „Dummes Gelaber“, oder „Geh arbeiten“, sagen Arbeiter im Vorbeigehen. Den meisten sei es schlicht egal, was sie produzieren, meint Hirsekorn. Auch er hält die Straßenbahnpläne mit dem Blick auf das Fabrikgelände und das Wissen der Belegschaft für sinnvoll und machbar.

Am Protesttag nehmen auch andere Gruppen teil, darunter Die Falken, die Letzte Generation, Robin Wood. Letztere haben ein Banner dabei: „Porsche, Hands off Bosco D’Arneo“. Annika Fuchs, Mobilitätsreferentin bei Robin Wood, erklärt, dass VW-Tochter Porsche im süditalienischen Apulien eine Teststrecke erweitern und dafür einen alten Eichenwald roden will.

Das Haus im Amselweg 44 soll im Sommer verkauft werden. „Selbst in so einer Höhle des Löwen intervenieren zu können macht mich dankbar“, resümiert Rosswog nach fast zwei Jahren, auch mit Blick auf die Aufmerksamkeit in den Medien für ihre Aktionen, die für die Gruppe durchaus als Erfolg verbucht werden können. Er wird im Herbst Vorträge halten, einen Film über die Proteste im Gepäck. Es wird nicht seine erste Vortragstour sein und auch nicht das erste Projekthaus, das er hinter sich lässt. Bereits 2009 begann seine Aktivisten-Reise mit dem Thema „geldfrei leben“.

Lotte Herzberg geht es gut mit der Vorstellung, wegzugehen – wohin, weiß sie noch nicht. Und man werde ja wiederkommen, „wenn das Landgericht Braunschweig uns einlädt“.

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18 Kommentare

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  • @EXOPTIMIST

    Das sagen Sie mal in 15-20 Jahren, wenn die Kosten der Klimaerwärmung Ihren Heiligen BSP um einen Faktor (10? 100?) in den Schatten gestellt haben.

    @ANDERE MEINUNG

    Ich glaube kaum, dass diese "massiven" Steuern nur annähernd



    - die Verkehrstoten und -verletzten



    - den Flächenfrass in Städten und auf dem Land



    - die Lungen- Herz- und Kreislauferkrankungen durch NOx und Feinstaub

    die der motorisierte Individualverkehr hinter sich zieht nur /annähernd/ abdecken.

    Insofern ja: wir bezuschussen als Gesellschaft diesen Wahnsinn.

    • @tomás zerolo:

      Wir bezuschussen das nicht nur, wir werden dominiert von einer Generation, der das Auto quasi als Freiheitsmobil in die DNA eingraviert wurde. Die Boomergeneration (zu der ich auch zähle) wird sich rein altersbedingt kaum verändern, entlernen ist eine große Herausforderung.

      • @Nordischbynature:

        Ach herrje, und wieder Boomer-Bashing, weil es so eine tolle Zielgruppe für all den Frust ist. Denken Sie ernsthaft, nur ältere Menschen wissen die Vorzüge eines Autos zu schätzen? Ich persönlich kenne auch nicht einen einzigen jungen Menschen, der nicht den gleichen Wunsch hat. Führerschein und eigenes Auto sind nach erreichen der Volljährigkeit die ersten Wünsche die sich erfüllt werden, noch vor der eigenen Wohnung. Und ich kenne schon berufsbedingt sehr viele junge Leute.

        • @Tom Tailor:

          Naja, ich kenne dann wohl die Ausnahmen.



          Warum sollen Kinder aber immer schlauer sein als ihre Alten? Grundversorgung heißt dabei schon nicht der teure Führerschein und das Gebrauchtauto, sondern Rad, Bahn, Bus fast flächendeckend in Deutschland,



          Warum das eine gute Idee ist, haben die zwei Kollegen oben schon dargelegt.



          Wir sind doch angeblich das vernunftbegabte Wesen.

  • Wir müssen als Staat, als Gemeinwesen dringend aufhören, obsolete Verbrennerproduktion auch noch künstlich und sehr teuer zu bezuschussen.



    Indirekt und direkt.



    Was uns die Vergünstigungen, Zuschüsse, abgewälzte Kosten die letzten Jahrzehnte alles kosteten, das hätte weniger starke Volkswirtschaften schon in die Knie gezwungen.



    VW, BMW & Co. leben auf Kosten Dritter, ökonomisch und ökologisch, und das darf aufhören!

    • 6G
      601161 (Profil gelöscht)
      @Janix:

      Natürlich darf man träumen. Aber "starke Volkswirtschaften" sind eben stark. weil sie Produkte verkaufen, die nachgefragt werden. Der weltweite Pkw-Absatz von über 70 Mio. spricht eine deutliche Sprache. Der Stromeranteil wächst, jetzt 15 - 20 %. Da Afrika noch kaum Autos hat, wird die Nachfrage erst noch kommen. E-Mobilität ist dort in der Fläche kaum vorstellbar. Nix mit "obsolet"! Und nochmal als Hinweis: das deutsche BSP, welches eben zu manche Bezuschussung ermöglicht, erwirtschaften in der Regel Fertigungsbetriebe, eher selten NGOs oder -ogen. Ist nun mal so!

    • @Janix:

      Ob das die anderen Autobauer auf der Welt genau so sehen?

      Jedes Auto das in D weniger produziert wird, entsteht an einem anderen Teil der Welt, solange die globale Nachfrage nicht abnimmt.

      • @Tom Tailor:

        Das war jetzt unverdaute Gleichgewichtsphysik. Die viel zu hohe Nachfrage in der BRD, drittgrößte Volkswirtschaft, will ich ja dämpfen durch Stopp der teuren Bezuschussung (vgl. Umweltbundesamt, FÖS), wieder gute Alternativen, ...

        Handeln wir hier und verplempern wir weniger volkswirtschaftlich nötige Ressourcen, um die Quandt-Klattens und Co. noch reicher zu machen.

        • @Janix:

          Da gibt es also tatsächlich jemand den die Binnennachfrage stört :D

          Aber Spaß beiseite: ob wir nun die Quandt-Klattens und Co. pampern, oder andere Unternehmen denen wir das Geld dann geben, macht volkswirtschaftlich gar keinen Unterschied. Was Sie aber niemals erreichen werden ist, dass sie die Vorzüge des PKW durch ÖNPV ersetzen können, egal wie gut er ausgebaut wird.

          Ich denke ich weiß da sehr genau wovon ich spreche, da ich in einer Großstadt mit gut ausgebauten Öffis lebe und diese auch nutze, um das Auto aber trotzdem nicht herum komme. Ich habe es einige Jahre versucht, die Schmerzgrenze war aber irgendwann erreicht und ich habe mir wieder einen guten Gebrauchten gekauft.

          • @Tom Tailor:

            Ich verstehe etwas, woher Ihr Ansatz kommt. Ich muss ihm aber nicht folgen.



            Natürlich hat die größte Volkswirtschaft der größten Wirtschaftszone Entscheidungsräume, und haben diese eine Auswirkung. So wie wir politisch seit 1933 die Weichen auf Auto gestellt haben, können wir sie 2024 wieder auf Mensch stellen.



            Es wird etwas dauern, aber zeitig sollten wir damit beginnen.



            Es spart volkswirtschaftlich deutlich Geld (s. Quellen), es ermöglicht wieder eine Grundversorgung ohne teures Auto und ohne teuren Führerschein, also wirklich für alle. Für Einzelfahrten zu Großonkel Rübezahl am anderen Ende der Republik hinter den sieben Bergen gäbe es Mitfahrgelegenheiten, Taxen o.ä. Ebenso für den Zementsack oder Krankentransporte.



            Und ja, vielleicht sind wir wieder näher an den Arbeitsplatz, und können nicht beide Partner ihren "perfekten" Arbeitplatz jeweils 100 km in die andere Richtung leben, doch was das wiederum auch an Lebenszeit und Gesundheit bringt, ist ja auch etwas.



            Ich hätte Stadt übrigens fast definiert als: Alles in Fuß- oder Radentfernung erreichbar. Ich kenne beides selbst noch: die Radfahrt von 14 km zum nächsten Zahnarzt und gleich sechs Supermärkte in Gehentfernung.

            • @Janix:

              Es gibt nur eine einzige Frage, die Sie sich stellen sollten: möchte ein relevanter Teil der Gesellschaft überhaupt auf individuelle Mobilität verzichten, gleich wie gut ihr alternatives Angebot ausgebaut ist?

              Kaum etwas hat die menschliche Zivilisation so geprägt wie das Auto, gleich nach der Erfindung der Glühbirne. Mit einem Schlag war das "zu-Bett-gehen" mit Sonnenuntergang vorbei. Geschäfte und Lokale konnten abends und nachts betrieben werden, es hat sich eine ganz andere Freizeitkultur entwickelt, der den menschlichen Biorythmus erheblich beeinträchtigt hat. Aber wenn Sie die Frage stellen würden: wollen wir zurück zur Kerze und künstliches Licht wieder abschaffen, meinen Sie dafür gäbe es eine Mehrheit?

              Genau so verhält es sich mit der individuellen Mobilität. Das ist keine Frage von Werbung, es gehört zum Menschsein einfach inzwischen dazu, zumindest in den modernen Industrieländern. Und es ist ja kein deutsches Ding, Milliarden von Menschen empfinden so. Und warum sollte Deutschland gegen den Markttrend, mit einer fulminanten Expertise an Automobilbau, genau diese Branche zurück entwickeln? Damit andere diese Marktanteile abgreifen, nur für unser Gewissen?

              • @Tom Tailor:

                Auch hier danke für Ihre Skepsis, doch für Kneipen und schöne Abende reichen Abendbusse, Räder oder einfach nur eine Kneipe im Dorf (wie der Dorfladen durch die Autos kaputtgemacht).



                Wer kein Auto braucht, hat Freiheit. Der andere nicht so.

                Einigen können wir uns ansonsten darauf, dass wir einfach nur die Kosten des Autos auch berechnen und nicht mehr so derb bezuschussen (Q.: UBA).

                • @Janix:

                  Tfa da dürfte der Besuch drr Großraumdisco auf dem Land schon schwieriger werden, die weder mir dem Rad kurzfristig zu erreichen oder zu der irgendein Bus fährt, egal zu welcher Uhrzeit. Auch da weiß ich wovon ich spreche.

                  Und da ich beide Varianten kenne, mit oder ohne Auto, kann ich auch hier bestätigen: natürlich ist die Freiheit mit Automobil größer als ohne, das ergibt sich schon an der gewonnen Spontanität, auch kurzfristig Dinge zu erledigen, die sonst nicht möglich wären.

                  Stichwort Grundversorgung: ist sinnvoll, aber die wenigsten Menschen definieren sich nur darüber. Wer will gerne nur Mittelmaß sein? Wäre das ein Erfolgsmodell würde es dir DDR noch geben.

    • @Janix:

      Sorry - da wird nichts "bezuschusst".



      Diese Industrieunternehmen zahlen massiv Steuern und finanzieren damit unser Sozialsystem!

      • @Andere Meinung:

        Tja, lesen Sie sich gerne noch ein. Unser Umweltbundesamt und FÖS sind gute Quellen zum Beginnen.

        50-60 Mrd. Euro jedes Jahr. Was wir mit dem Geld noch Sinnvolles machen könnten statt umweltschädliche ineffiziente fahrende Verbrennerheizungen!

        • @Janix:

          Die GuV dieser Unternehmen ist auch eine sehr gute Quelle - nachzulesen auf den Investor Relations-Seiten der Unternehmen.

          • @Andere Meinung:

            Ja, sie verbrauchen die Ressourcen unseres Systems mit staatlich teuer ausgebildeten Ingenieuren, Pendelzuschüssen, Abwrackprämien, Kurzarbeitergeldern, bezuschussten Flächen, künstlich exportorientiertem Steuersystem, Dienstwagenprivilegien, "Forschungs"zuschüssen, CO2, Lärm, Feinstaub, öffentlichen Raum für lau (die Kfz-Steuer trägt gerade mal Autobahnen und einige Bundesstraßen, da gibt es aber noch viel mehr),



            da lässt es sich leicht Hr. Klatten eine Million an Dividende täglich rüberschieben.

            Sie hatten mal beim UBA nachgesehen oder nur reflexhaft etwas geschrieben?

            • @Janix:

              Die Gewinn- und Verlustrechnungen dieser Unternehmen sind im Gegensatz zu den UBA Berichten durch unabhängige Wirtschaftsprüfer geprüft. - und a, ich habe mir diese GuV's angeschaut.