Klausur auf Schloss Mesberg: Die Ampel verspricht Wuchtiges
Die Bundesregierung hat in Meseberg über ihre Energiepolitik diskutiert. Habeck lobt den Kanzler. Und Lindner? Überrascht mit Klassenkampfrhetorik.
Auf der Kabinettsklausur, die ja traditionell eher den Charakter einer Klassenfahrt hat, beruhigte sich die Atmosphäre wieder. Bis in die Nacht habe man gelöst zusammengesessen, Christian Lindner habe Anekdoten erzählt, hieß es aus Regierungskreisen. Selbst die traurigen Nachrichten vom Tod Michael Gorbatschows und des Grünen Christian Ströbele sowie der erneute Gasstopp durch Nordstream 1 änderten daran wenig.
Habeck schwang sich in der Abschlusspressekonferenz sogar zu einer Lobpreisung des Kanzlers auf. Die Klausur habe einmal mehr gezeigt, wie gut es sei, dass Olaf Scholz diese Regierung führe, mit seiner Erfahrung, Umsicht und Ruhe. Scholz hatte sich und seine Regierung ebenfalls gelobt: Man habe früh die Bedrohung erkannt, dass Russland Energieexporte als Druckmittel benutzt und Gegenmaßnahmen getroffen, etwa den Bau von Flüssiggasterminals. Scholz sieht Deutschland nun gewappnet für den Winter: man könne da gut durchkommen.
Die Energiesicherheit war eines der zentralen Themen der Klausur, wobei sich die Diskussion zunehmend verlagert: Von der Frage, wie man die Versorgung mit Gas, Öl und Kohle sicherstellt, dahin, wie man Energie weiter für alle bezahlbar macht. Scholz versprach Entscheidungen, „die garantieren, dass die Preise nicht durch die Decke schießen“. Welche genau, verriet er nicht.
Fraktionen reden mit
Jedenfalls scheint Scholz nun auch Finanzminister Lindner überzeugt zu haben, dass weitere Hilfen nötig sind. Der FDP-Mann kündigte in Meseberg ein weiteres „wuchtiges Entlastungspaket an“, erwähnte explizit auch Rentner:innen und sieht im Bundeshaushalt in diesem Jahr noch Luft und im kommenden Jahr sogar Spielräume „in zweistelliger Milliardenhöhe“. Laut dem Nachrichtensender ntv könnte ein weiteres Entlastungspaket bis zu 40 Milliarden Euro umfassen.
Was im Paket drinsteckt, wird gerade noch verhandelt, eine Entscheidung darüber könnte womöglich schon am Wochenende im Koalitionsausschuss fallen. Wann genau sich diese Runde führender Partei-, Fraktions- und Regierungsmitglieder trifft, steht indes noch nicht fest. Zuvor treffen sich auch noch die SPD- und FDP-Fraktion zu Klausuren.
Die SPD-Fraktion hatte zu Wochenbeginn schon mal vorgelegt und Direktzahlungen an alle Bürger:innen, auch Rentner:innen und Studierende, vorgeschlagen. Außerdem soll der Grundbedarf an Energie für jeden Haushalt preislich gedeckelt werden. Die FDP wiederum legte ein Papier vor, in dem sie vor allem den Abbau der kalten Progression vorschlägt und energiepolitische Maßnahmen, welche die Knappheit an den Strom- und Gaspreisen abschwächen soll, ohne konkreter zu werden.
Ob es möglich ist, für Verbraucher:innen „ein bestimmtes Kontingent preislich zu reduzieren“, lässt auch der Wirtschaftsminister gerade prüfen. Habeck hält ein solches Modell für überlegenswert, hat aber auch Bedenken. Zum einen wegen der Kosten. Das seien erhebliche Summen, die in Konkurrenz zu anderen Entlastungen stünden, warnte Habeck in Meseberg. Zum anderen, sei eine solche Maßnahme „sozial unspezifisch“, da ja alle Haushalte, auch die solventen, davon profitieren würden.
Selbst die FDP ist mittlerweile für Eingriffe in den Strommarkt, Lindner forderte in Meseberg gar den „Rendite-Autopiloten abzuschalten“ – eine Formulierung, die man eher der Linkspartei zutraut. Damit meint der Finanzminister aber keine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne, wie sie neben Linken, auch die Grünen und die SPD-Fraktion ins Spiel gebracht haben, sondern zielt auf eine Reform der Strukturen im Energiemarkt. Bisher ist der Preis für Strom auch ans Gas gekoppelt und damit an den teuersten Energieträger zur Stromerzeugung. Dieser Zusammenhang soll gekappt werden, das geht aber nur zusammen mit anderen EU-Ländern.
Scholz berichtet, dass es unter seinen europäischen Kollegen Bewegung gebe und man jetzt schnell handeln wolle. „Der Schmerz, den wir empfinden, dass hier Gewinne erzielt werden, die niemand richtig finden kann, haben alle anderen auch.“ So groß scheint der Schmerz dann aber doch nicht zu sein, dass Scholz auch die Übergewinne der Konzerne abschöpfen will. In Meseberg sagte er jedenfalls nichts davon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen