Klage gegen Videoüberwachung: Grunewald überwachungsfrei

Die Polizei filmte die ankommenden Teilnehmer der 1. Mai-Demo im Grunewald. Die Veranstalter wollen das per Klage grundsätzlich unterbinden.

Polizisten vor einem "Kapitalisten enteignen"-Transparent

So ist schön: ohne Kamera Foto: dpa

BERLIN taz | Als am 1. Mai 2019 Tausende Menschen überwiegend mit der S-Bahn zur Enteignungs-Demonstration des Quartiersmanagements Grunewald reisten, wartete bereits am Bahnhof die Polizei. Mit zwei temporär aufgestellten Kameras auf dem Bahnsteig und im engen Bahnhofstunnel wurden alle Ankommenden abgefilmt. Ein Angriff auf die Demonstrationsfreiheit, findet das Quartiersmanagement, eine Untersektion der Hedonistischen Internationale, und hat deshalb Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht.

Für den Kläger und Demo-Anmelder Felix Jorn ist diese Praxis ein „grundsätzliches Problem“. Im Gespräch mit der taz sagt er: „Für die Demonstrations- und Meinungsfreiheit und die Demokratie ist es essenziell, dass sich die Polizei zurückhält und solche Daten nicht erhebt.“ Zwar könne er trotz der Überwachungsmaßnahmen auf die Demo gehen, jedoch sei „nicht kontrollierbar, was mit den Daten passiert, mit welchen Technologien sie ausgewertet werden und ob die zu einem späteren Zeitpunkt wieder verwendet werden“, so Jorn.

Nach der Demo wendete sich Jorn zunächst an den Bundesbeauftragten für Datenschutz, der wiederum eine Stellungnahme der Bundespolizei einholte. Darin wurde die Maßnahme mit „erforderlichen Lenkungs- und Leitmaßnahmen“ begründet.

Für Jorn ist das „nicht plausibel“, schließlich hätten auch Polizeibeamte ohne Kameras den Überblick behalten können. Der Anmelder glaubt, dass die Begründung in der Erstauflage der Demo 2018 zu suchen ist. Damals waren weit mehr Menschen als erwartet durch das „Problemviertel Grunewald“ gezogen und hatten Anwohnende verschreckt. Medial ging es um Tumulte und Gefährdungslagen, die Polizei leitete Landfriedensbruchverfahren wegen Stickern und Konfetti ein, so Jorn, der schlussfolgert: „Es gab einen erheblichen Druck auf die Polizei, die Aktion so gut wie möglich einzuhegen.“

Klagegrund Wiederholungsgefahr

Die Polizei erklärte, die Aufzeichnungen nach 15 Tagen gelöscht zu haben. Zu lang, befand der Datenschutzbeauftragte und bewirkte, dass Daten künftig in ähnlichen Situationen viel früher gelöscht werden. Dennoch ließ die Polizei erkennen, dass sie wieder bereit ist, so zu handeln. Auch auf diese Wiederholungsgefahr begründet sich die Klage, die eine grundsätzliche Klärung anstrebt. Anwalt Peer Stolle, der den Kläger vertritt, sagt: „Dass im Vorfeld einer Demonstration gezielt Aufzeichnungen angefertigt werden, ist ein Novum.“

Stolle weist darauf hin, dass auch „die Anreise im Vorfeld einer Versammlung grundgesetzlich geschützt“ sei. Die dokumentierte Anwesenheit von Personen bei Demonstrationen, die sich auch gegen die offizielle Politik richtet, könnten von der Teilnahme abschrecken, sagt Stolle. Dies sei die allgemein anerkannte Rechtsauffassung, auch des Bundesverfassungsgerichts. Es gibt sogar Urteile, die sagen, dass etwa fest installierte Kameras, die anderen Zwecken dienen, abgeschaltet werden müssen, um Versammlungen zu schützen.

Das Quartiersmanagement rechnet mit 1.500 Euro Verfahrenskosten und hofft auf Unterstützung. Dafür gibt es einen Adventskalender auf Social Media, der bis Heiligabend täglich Clips gegen Videoüberwachung zeigt. Jorn kündigt auch am kommenden 1. Mai wieder eine „sozialräumliche Intervention im Grunewald“ an – dann hoffentlich ohne Kameras.

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