piwik no script img

Klage gegen UnterkunftBlankeneser unter sich

Bewohner in Blankenese kündigen Klagen gegen Flüchtlingsunterkunft Ufer an. Angeblich, weil auch wohnungslose Deutsche einziehen könnten.

Nicht alle Araber sind hier unerwünscht: Vierbeiner beim Derby in Blankenese Foto: dpa

Die Argumention, in den Ohren mancher Bezirkspolitiker aus Altona klingt sie geradezu „hanebüchen“: Im noblen Blankenese versuchen Anwohner mit der Sorge, es könntenhier demnächst auch Obdachlose untergebracht werden, eine Flüchtlingsunterkunft oberhalb des Falkensteiner Ufers zu verhindern. In einem Brief an die Altonaer Bezirksversammlung kündigte ein Rechtsanwaltsbüro Widerstand an. Getreu der erfolgreichen Klage, die Flüchtlings-Unterkunft im ehemaligen Kreiswehrersatzamt an der Sophienterrasse in Harvestehude verhinderte.

Eine für 192 Menschen große öffentliche Unterbringung aus neun Pavillions für „Zuwanderern und wohnungslosen Menschen“ möchte die Sozialbehörde am Bjönsonweg nahe der Rissener Landstraße auf einer grünen Wiese errichten. Auch wenn es sich nach den aktuellen Plänen um eine klassische Folgeeinrichtung für Flüchtlinge aus den Erstaufnahmelagern handelt, gilt der Antrag auf dem Papier für beide Personengruppen. „Derartige Unterkünfte sind immer auch für Obdachlose vorgesehen“, sagt Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer.

Möglich macht den Bau eine im November vom Bundestag auf Initiative Hamburgs verabschiedete Änderung des Paragraf 246 Baugesetzbuchs, der „Sonderregelungen der Länder“ zum Bau von Unterkünften in Gewerbe- und sogenannten Außengebieten ermöglichen. So wollte der Bundestag den Kommunen bei der Schaffung neuer Flüchtlingsunterkünfte helfen. Auch für die Grünfläche am Björnsonweg greift diese neue Regelung.

Schon vor einem Monat regte sich in Blankenese Widerstand - vor allem gegen die Größe der Unterkunft. Bei einer Anhörung wurde allerdings auch deutlich, dass es unter den Anwohnern auch die Bereitschaft gibt, Flüchtlinge zu unterstützen. Es gab auch hier Menschen, die von positiven Erfahrungen berichteten, die sie mit den Bewohnern der früheren Flüchtlingsunterkunft gemacht hatten.

Neue Praxis im Baurecht

Viele Flächen in der Stadt waren nach Auskunft der Stadtentwicklungsbehörde für Obdachlosen- oder Flüchtlings-Unterkünfte geeignet, allerdings wurden sie wegen baurechtlicher Beschränkungen und Hürden letztlich doch nicht als solche genutzt.

Durch eine Änderung dieses Baurechts ermöglicht der Senat seit November nun auch ein Umfunktionieren von Gewerbegebieten und anderen Freiflächen.

Die neue Praxis ist vor allem auf die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zugeschnitten.

Auf Tauglichkeit geprüft müssten diese Gewerbeflächen nach dem Willen von Flüchtlingsorganisationen und Sozialarbeitern.

In der Kritik stehen Unterkünfte in Gewerbegebieten, weil es keine Ärzte, Schulen, Kindergärten oder Einkaufsmöglichkeiten gibt.

Nun kam ein Brief der Rechtsanwälte, der selbst den Sozialpolitiker Andreas Grutzeck von der Altonaer CDU-Bezirksfraktion den Kopf schütteln lässt. Beeindruckt habe ihn das aber nicht: „Das sind nicht die Anwohner, sondern höchstens ein, zwei Leute“, wie er sagt.

Dennoch zeigen die Erfahrungen aus Harvestehude, dass bereits wenige Querulanten mit ihren Anwälten ein städtisches Flüchtlingsprojekt zu Fall bringen können. Die Anwälte argumentieren, dass die Neuregelung „explizit auf Flüchtlinge“ abziele. In der Tat gelten die neuen Sondergenehmigungen formal nur für Bauvorhaben, „die der Unterbringung von Flüchtlingen dienen“.

Für Grutzeck ist das ein „verzweifelter Versuch“, einen juristischen Hebel gegen das Bauvorhaben zu finden. „Da wird nie ein klassischer Obdachloser untergebracht, das ist wohl eher eine theoretische Möglichkeit“, sagt Grutzeck der taz. Der Altonaer Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Robert Jarowoy, bezeichnete die Argumentation gegenüber dem Straßenmagazin Hinz & Kunzt als „menschenverachtend“, Flüchtlinge und Wohnungslose auf diese Weise gegeneinander auszuspielen. „Es ist doch unerheblich, ob es deutsche oder ausländische Wohnungslose sind“.

Die Sozialbehörde hält daher an ihrem ursprünglichen Antrag fest, aus Bezirksamts-Kreisen ist allerdings zu hören, dass die Baugenehmigung sich wohl auf die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern beschränken werde. Das wird die Sozialbehörde schlucken.

„Damit halten wir uns nicht auf, wir brauchen dringend die Plätze zur Unterbringung“, betont Behördensprecher Marcel Schweitzer. Die Sozialbehörde sehe da auch keine Gefahr, sagt er, „dass das jetzt einreist und fortan Anwohner bestimmen, wer ihre neuen Nachbarn werden“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich sehe da überhaupt kein Problem. Wenn die Flüchtlingsunterkünfte konsequent auf alle Stadtteile verteilt werden, fällt auch das Argument mit dem (rein theoretischen) Verfall des Grundstückswertes flach. Nach allen Erfahrungen wäre eine Gettoisierung irgendwo im Niemandsland keine Option. Es gibt auch in Blankenese genügend vernünftige Leute, die für ein gedeihliches Miteinander stehen und nicht nur immer gleich Nachteile wittern.

  • Ich lebe in Blankenese und nehme eine große Entspanntheit zur Aufnahme von Flüchtlingen wahr. Klar, die unmittelbaren Anwohner sorgen sich um den Wert ihrer Grundstücke, den würde nämlich jede Art größerer Wohnanlage in einer Gegend wie dem Björnsonweg beschädigen (einfach mal auf Streetview suchen). Das dürfte aber so in jedem Stadtteil mit Einzelhausbebauung sein und hat nichts mit 'Blankenese/Harvestehude' zu tun. Übrigens zum Foto und der Bildunterschrift: es gibt in Blankenese kein Derby, nicht einmal irgendwelche Reitplätze. Das nächste Derby findet zwei Stadtteile weiter in Klein Flottbek statt, von da stammt eventuell das Foto...

  • " weil auch wohnungslose Deutsche einziehen könnten"

    Das ist ja eine Idee , auf die wäre ich nicht gekommen.

    Da muss man schon rechtlich gegen vorgehen, verstehe.

  • Die Assis pöbeln und drohen ( Jenfeld), die Pfeffersäcke klagen(Blankenese/Harvestehude). Was schlimmer ist, mag jeder für sich entscheiden.

    • @Lütt Matten:

      Die Frage ist welche Sorte Mensch der größere "ASSI" ist...