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Kita-QualitätsentwicklungsgesetzDie Ampel im Kita-Streit

Die grüne Bundesfamilienministerin möchte keine bundes­weiten Standards an Kitas einführen. Das war anders vereinbart, wettern die Koalitionspartner.

Sprachkenntnisse: Die Bedingungen an Kitas sind sehr unterschiedlich Foto: Arno Burgi/dpa

Berlin taz | Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) steht mal wieder in der Kritik. Diesmal wegen des geplanten „Kita-Qualitätsentwicklungsgesetzes“. Damit möchte der Bund die Länder in den Jahren 2025 und 2026 mit insgesamt rund 4 Milliarden Euro für Kitas unterstützen. Aktuell befindet sich der Referentenenwurf aus dem Familienministerium (BMFSFJ), der der taz vorliegt, in der Verbändeanhörung.

Bei SPD und FDP stößt dieser auf scharfe Kritik. Die Koalitionspartner werfen Paus vor, eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zu brechen. Darin hatten die Ampelparteien „bundesweite Standards“ für die Qualitätsentwicklung bei Kitas versprochen. Im Entwurf findet sich dieses Versprechen jedoch nicht wieder.

Fach­po­li­ti­ke­r:in­nen von SPD und FDP zeigen sich deshalb enttäuscht: „Gerade weil die Standards von Flensburg bis Garmisch so variieren, braucht es bundesweit klare und einheitliche Vorgaben für Kitas“, sagte am Mittwoch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Gyde Jensen, der taz. Zu den „absolut notwendigen Standards“ zählt Jensen unter anderem einen angemessenen Personalschlüssel, mehr Freiheiten für Leitungskräfte und der Fokus auf Sprachkenntnisse.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Abgeordnete und für das Thema zuständige Berichterstatter Erik von Malottki: „Ich bin schon ziemlich enttäuscht von dem Referentenentwurf“, so von Malottki zur taz.

Gerade beim Personalschlüssel und beim Umgang mit Ausfallzeiten des Personals seien die Regelungen in den Bundesländern sehr unterschiedlich. „Hier und für die Sprachbildung in den Kitas wären einheitliche Standards dringend notwendig.“ Das habe auch eine vom Ministerium eingesetzte Arbeitsgruppe empfohlen. Als erstes hatte Table Media über die SPD-Kritik an Paus berichtet.

Grüne verteidigen sich

Auch diverse Sozialverbände und Gewerkschaften fordern bundesweite Standards. Bei den Grünen stößt die Kritik nur teilweise auf Verständnis: „Ich kann den Wunsch nach einheitlichen Standards in Kitas nachvollziehen“, sagte die Abgeordnete Franziska Krumwiede-Steiner am Mittwoch zur taz.

Allerdings seien solche Standards in der Praxis gar „nicht umsetzbar“, solange die Bedingungen an Kitas so unterschiedlich seien. Krumwiede-Steiner setzt auf die Kompetenz der Länder, die Bundesgelder „richtig einzusetzen“.

Nach den Plänen von Familienministerin Paus sollen die Mittel vor allem in die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften gehen. Künftig können die Länder die Bundesgelder in insgesamt sieben (statt bisher zehn) „vorrangige Handlungsfelder“ investieren: darunter in bedarfsgerechte Angebote, eine ausgewogene Ernährung oder eine bessere sprachliche Entwicklung der Kinder.

Damit werde „das bislang gültige Kita-Qualitätsgesetz inhaltlich weiterentwickelt“, heißt es im BMFSFJ. Neu ist, dass die Länder künftig keine Mittel mehr in die Gebührenbefreiung geben dürfen.

Auf die Kritik von SPD und FDP ging eine Sprecherin auf Anfrage der taz nicht ein: „Wir befinden uns derzeit noch in der Phase regierungsinterner Abstimmungen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht dazu äußern können.“ Aus Kreisen des BMFSFJ jedoch ist zu hören: „Die Länder haben signalisiert, dass eine Umsetzung bundeseinheitlicher Standards wegen der sehr unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht realisierbar sei.“

Tatsächlich sind die Unterschiede vor allem zwischen den west- und den ostdeutschen Bundesländern sehr hoch. In den neuen Bundesländern muss eine Fachkraft im Schnitt deutlich mehr Kinder betreuen. Dafür können die Bedarfe weitgehend gedeckt werden. Im vergangenen Jahr fehlten bundesweit rund 384.000 Kita-Plätze.

Seit 2019 investiert der Bund in die Kita-Qualität. Das geplante Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz wäre das dritte entsprechende Gesetz.

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7 Kommentare

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  • Vorher: Wir werden einheitliche Standards schaffen weil die Bedingungen an Kitas so unterschiedlich sind.

    Nachher: Einheitliche Standards sind nicht durchsetzbar, weil die Bedingungen an Kitas so unterschiedlich sind.

    Ohne Worte.

  • Die FPD verlangt: Vereinheitlichung von Flensburg bis Garmisch, mehr gesetzliche Regelung, und pocht auf den Koalitionsvertrag? Ist das Satire?



    .



    Unterstellt, der Bund hätte die Gesetzgebungskompetenz für alle Fragen; wie kommt es dass die Branchenverbände fachliche Fragen nicht selbst verbindlich regeln? Gibt es keine Gremien von Erziehungswissenschaftlern und Fachkräften?

    • @THu:

      Die Länder wollen Geld vom Bund. Der Bund kann dann Standards bestimmen, die erfüllt werden müssen, damit es dieses Geld gibt.

  • Möglich wäre erst mal eine einheitliche Vorgehensweise zur Beschreibung verschiedener Qualitätsmerkmale. Beispielsweise, wie erkrankte Kita-Mitarbeiter beim Personalschlüssel berücksichtigt werden, oder wie ein Anteil von Bioprodukten berechnet wird (nach Menge, nach Einkaufswert, nach Kalorien) und welche Grenzen gelten (reichen 99%, 95% oder 90% Bio-Anteil der Lebensmittel, um in die höchste Stufe zu kommen?).

  • Irgendwas läuft ja wohl schief. Warum der Fokus auf Sprachentwicklung, und nicht auf die Entwicklung sozialen Verhaltens? Sprachentwicklung ist nicht die vorrangige Aufgabe von Kindergärten, und bei den vorhandenen ErzieherInnen sicher nicht Schwerpunkt der Ausbildung gewesen. Der Staat macht Versprechungen, die in der Praxis nicht erfüllt werden können.

    Ausnahmsweise stimme ich den Grünen und auch Frau Paus zu. Einheitliche Standards wären schön, aber da die Situation vor Ort extrem unterschiedlich ist, sollte sich der Bund hier nicht schon wieder Kompetenzen anmaßen, die er nicht hat. Also bitte die genaue Umsetzung den Ländern und Kommunen überlassen.

    Manche PolitikerInnen scheinen aus dem Giffey-Chaos mit dem Gute KiTa Gesetz nichts gelernt zu haben. Es reicht eben nicht, wenn eine Bundesfamilienministerin viel Aufwand in den Namen eines Gesetzes investiert, und "frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung und die Teilhabe an der Kindertagesbetreuung" verspricht, und sich dann nicht dafür interessiert und dafür sorgt, dass ausreichend geeignetes Personal und Räumlichkeiten verfügbar sind.

    Das führt nur zu neuem, massivem Frust bei Eltern, ErzieherInnen und Kindern.

  • Frau Paus ist wirklich ein absoluter Schwachpunkt der Koalition und sicher für einen Teil der Stimmenverluste der Grünen verantwortlich. Sie erweckt den Eindruck, dass es ihr allein darum geht, Geld zu verteilen, ohne jedes Konzept. Ob sie nicht kann oder nicht will, wäre die einzige Frage.

  • Erst mal wäre die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu klären. Bildung ist Ländersache (Art. 30 GG), daher fehlt es an einem rechtlichen Rahmen.

    Bevor man also mal wieder an irgendwelchen Einzelthemen herummurkst sollte man das GG ändern und Bildung zur Bundesangelegenheit machen.