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Kita- und Schulöffnungen in BerlinDas wird knirschen

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Die Schulen in Berlin sollen nach den Sommerferien zurück in den Regelbetrieb, die Kitas schon ab Montag. Das ist richtig so.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat gute Neuigkeiten zu verkünden Foto: picture alliance/Jörg Carstensen/dpa

D ie Schulen kehren nach den Sommerferien wieder zurück in den Regelbetrieb, die Kitas sollen sogar schon ab kommender Woche wieder unter Volllast laufen – und das ist auch gut so. Politisch ist es die richtige Entscheidung, weil es nicht zu rechtfertigen wäre, wenn die Bundesregierung die Wirtschaft mit einem milliardenschweren Konjunkturpaket pampert, die strengen Coronaverordnungen für Kneipen gelockert werden – aber die Kinder weiter bei den Homeoffice-gebeutelten Eltern ausharren müssen.

Apropos Eltern: Wer die Wirtschaft wieder ankurbeln will, wird diese große Gruppe unter den ArbeitnehmerInnen und Selbstständigen nicht mehr viel länger in Kurzarbeit schicken können. Und da wies Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung ganz zu Recht darauf hin, dass es bei der Schul- und Kita-Öffnung eben auch um die seit März schmerzlich vermisste Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht.

Ohne volle Personaldecke

In der Sache also richtig entschieden – aber für die Kitas und Schulen wird das dennoch eine ziemlich heftige Nummer. Die Kita-Leitungen müssen die Nuss knacken, wie man „Vollbetrieb“ (O-Ton Scheeres) ohne volle Personaldecke hinkriegen will. Kita-Verbände schätzen, dass derzeit rund 5.000 ErzieherInnen fehlen. Und auch wenn man inzwischen ein Attest braucht fürs Zu-Hause-Bleiben und „Risikogruppe“ zu rufen nicht mehr reicht: Dieser „Vollbetrieb“ dürfte ganz schön knirschen.

In der Realität werden vielerorts wohl einfach die Gruppen größer werden und qualitativ womöglich auch weniger gut betreut sein.

Und die Schulen: Da liege die Konzentration, „das A und O“, auf dem Unterricht, hatte Scheeres gesagt. Auch wenn wieder beinahe alle LehrerInnen an Bord sein sollen, ist auch klar, was dann hinten runterfällt: Sprachunterricht, Extraförderung für die Kinder, die sonst beim „A und O“ schon mal gar nicht mitkommen. Etwas wacklig wirkte auch Scheeres’ Plan B, was die Schulen eigentlich im Falle von steigenden Infektionszahlen machen sollen. 50 Prozent Präsenz, 50 Prozent Homeschooling soll dann die Norm sein – was kaum zu machen sein dürfte, wenn dann doch wieder in kleinen Gruppen unterrichtet werden muss und womöglich wieder mehr LehrerInnen ausfallen.

Das alles macht die Schulöffnung nach den Ferien nicht schlechter. Aber das muss man offensiv dazu sagen. Problematisches offen zu kommunizieren ist nicht gerade Scheeres’ Stärke – weshalb sie auch am Dienstag so wirkte, als müsse sie sich verteidigen. Muss sie in diesem Fall gar nicht.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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8 Kommentare

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  • Es ist und bleibt eine Wette, wie die anderen Lockerungen auch. Ob es gelingt, die Virus- Verbreitung in Schulen und Kitas zu unterbinden ist schon fraglich. Klug wäre es jedenfalls, sich beizeiten darauf einzurichten, dass es bei einer zweiten Welle im Herbst nicht wie gewünscht weitergehen kann. Und natürlich macht die Öffnung von Kneipen die Öffnung von Schulen nicht besser oder sicherer, solches Gerechtigkeitsdenken ist noch nie ein gutes Argument gewesen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Nein, bitte keine Wette mehr. Die Messung und Übermittlung der Fallzahlen hat zeitnah zu erfolgen.



      Anstieg der Fallzahl, dann wird diese Kita geschlossen, vollständig. Nach einer Woche wieder voll geöffnet. Hier könnte das RKI mithelfen, das bisher nicht durch schnelle Reaktionen glänzt.



      Die Erfahrungen aus den Kitas lassen sich auf das ganze öffentliche Leben, samt Arbeitswelt und Wirtschaft übertragen, unter Berücksichtigung der altersmäßig unterschiedlichen Inkubations- und Genesungszeiten.

      ÖPNV und Massenveranstaltung bleiben unkalkulierbar, bitte weiter Verzicht. Fahren wir doch die Fußbälle lastwagenweise durchs Tor. Wem der Jubel dann zu laut wird, kann sich ja die Ohren zuhalten.

      • @Bernd Schlüter:

        Na als nicht-Fussballer würde ich eher die Stadien versuchsweise öffnen wollen ;)

  • Ob das eine gute Entscheidung ist wird sich zeigen. Kollektiv wird ab 22. Juni für 170.000 Kita-Kinder und ab 10. August für 360.000 SchülerInnen die Abstandsregel aufgehoben, das ist sehr gewagt. Die Zahl der Neuinfektionen ist niedrig, aber in Berlin doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt und seit 3 Wochen wieder leicht ansteigend. So eine Politik kann böse enden, siehe nur das Beispiel Schwedens.

  • 8G
    89598 (Profil gelöscht)

    sorry, kleiner Fehler:



    Die Verdopplungsrate von Frankreich laut taz-Tabelle basierend auf JHU liegt bei -653,7 Tage (MINUS!), was aber einen besondren Anstieg anzeigen müsste? Dagegen lauten die Zahlen 191 Tausend, gegenüber der Zahl von 192 Tausend vor 5 Tagen...

  • 8G
    89598 (Profil gelöscht)

    @Sachmah

    Stimme zu. Obwohl es hier nicht pauschal um Sinn oder Unsinn des Lockdowns geht, fand ich schon bemerkenswert: Neue Studien geben an, dass in Europäischen Ländern 6- bis 7-stellige Todeszahlen durch den Lockdwon verhindert werden konnten. Im Einzelnen lässt sich streiten und argumentieren für oder gegen diese oder jede Lockerungs-Strategie.



    Eine Frage am Rande: Wer kann mir den drastischen Unterschied der Fallzahlen zu Frankreich von heute, 09.06., seitens der WHO (150.000) und der John Hopk.Universität (191.000) erklären? Auf den Daten letzterer basierend, liegt dort (siehe taz-Tabelle) die Verdopplungsrate (Tage) im hohen dreistelligen Bereich. Gab es kürzlich einen Anstieg um 40.000 Infizierte, daher die drastische Abweichung?



    Versteh ich nicht. Habe gegoogelt und nichts gefunden (hab ich da was verpasst, was diese drastische Differenz erklären könnte?)

    • @89598 (Profil gelöscht):

      Vielleicht eine rückwirkende Zuordnung von CT-Befunden?

  • Eine Sicht, pauschal gut finde ich sie nicht. Bin anderer Meinung. Die ändert sich mit zur Verfügung stehen einer Behandlung im Falle von Covid-19. Solange braucht es gescheite Schutzmaßnahmen. Die sind glasklar, nach derzeitigem Stand zum Beispiel keine vollen Klassen, offene Fenster und, da man damit rechnen muss dass es bei 20 Kindern auch min. ein Paar ignorante Eltern gibt die sich für unverwundbar halten, trotzdem MNS. Unpopulär? Tja. CoV-SARS-2 würde ich jetzt auch nicht für einen Publikumspreis nominieren. Und Wetten abschließen bzgl. Ansteckung von oder durch Kinder auch nicht.



    Situation: Auch ich bin in homeoffice, bei uns klappt es schadlos für alle. Und da sind wir bei weitem nicht die einzigen. Wir nehmen uns aber auch schon ohne Corona Zeit. Kann einerseits nicht jeder, will vielleicht andererseits auch nicht jeder in dem Umfang. Momentan hört man eben die denen es zur Zeit nicht passt, das ist typisch für Deutschland, sich nur zu melden wenn es einem nicht passt. Daher schreibe ich das Mal.