Kippender RWE-Strommast bei Garzweiler: Dreierlei Schieflage
Am umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler ist ein Strommast ins Wanken geraten. War es Sabotage? Nicht nur diese Frage ist aktuell ungeklärt.
Ein RWE-Sprecher erklärte, der Mast sei „bewusst beschädigt“ worden, er habe offenbar „zum Einsturz gebracht werden“ sollen. „Sollte es Sabotage auf die kritische Infrastruktur gewesen sein, verurteilen wir das aufs Schärfste.“ Die Polizei nennt „die Einwirkung Dritter wahrscheinlich“.
Auf einem Foto sieht man gelöste Schrauben und abgeflexte Metallstreben. Möglich, dass alles vor langer Zeit passierte und erst starke Windböen am Freitag den Mast geneigt haben.
Zwei der vier über die Masttrasse laufenden Stromkreise seien abgeschaltet, so RWE. Die Infrastruktur im stromerzeugenden Tagebau werde aber weiter bestromt, „auch die Kraftwerke können weiterarbeiten“. Ab Sonntag wollte man mit schwerem Gerät zur Reparatur anrücken.
RWE will bleiben
Ebenfalls in zunehmende Schieflage gerät die Diskussion, was aus den fünf wahrscheinlich geretteten Dörfern wie Keyenberg oder Kuckum werden soll. Am Samstag wagte sich NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) erstmals seit der Räumung von Lützerath im Januar wieder in das Krisengebiet. In Erkelenz erklärte sie, die Leitentscheidung, die zwischen Regierung und RWE auszuhandeln sei, werde länger dauern als geplant, sie werde aber weitere Mitsprachemöglichkeiten geben.
Da RWE fast das gesamte Gelände gehört, will der Konzern es auch nach der Kohlegewinnung weiter nutzen. Das kritisiert ein Bündnis aus Umweltgruppen, lokalen Initiativen und Kirchengruppen: Man erlebe ein intransparentes Hinterzimmer-Verfahren zwischen Land und Kohlekonzern, ohne öffentliche Protokolle und ohne direkte Beteiligung der Zivilgesellschaft. Angemessen wäre stattdessen „eine Modellregion für eine zukunftsfähige, sozial-ökologische Transformation“, inklusive Biotopverbundsystem und Enteignungsstopp. Protestplakat in Erkelenz: „Leitentscheidung in NRWE: Simulierte Demokratie.“
Prozess verschoben
Die dritte Schieflage dieser Tage betrifft die Justiz: Eigentlich sollte an diesem Montag vor dem Amtsgericht Erkelenz ein Prozess wegen Landfriedensbruch stattfinden. Ein junger Mann hatte im Herbst 2022 direkt bei Lützerath mit ausgebreiteten Armen kniend vor einem der Monsterbagger für eine Fotografin posiert. Das Bild wurde zum NRW-Pressefoto des Jahres und stolz in der Lobby des Landtages ausgestellt. RWE behauptet, der Widerstandsdarsteller müsse dazu Betriebsgelände betreten haben und zeigte ihn an. Weil der Beschuldigte kurzfristig eine Reihe von ZeugInnen benannt hat, wurde die Verhandlung verschoben
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland