Kinotipp der Woche: Auffälliger Inhalt
Beim Radical Frame Film Festival im Berliner Lichtblick Kino erweist sich das Format des Kurzfilms als große Filmkunst.
Troy ist ein aufgeweckter Junge, den seine Eltern ungemein lieben. Nur sind diese Anhänger der White-Supremacy-Bewegung, man kann auch sagen: echte Neonazis. Als Troy in einem Supermarkt Kontakt mit einem Schwarzen aufnimmt, gefällt das seinem Vater gar nicht. Er und seine Rassistenkumpels verprügeln den Schwarzen Jaydee auf das Übelste vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder.
Was dann kommt in dem Kurzfilm „Skin“ (2018), der mit einem Oscar prämiert wurde, ist die brutalste, gleichzeitig auch originellste Form von Selbstjustiz, die man sich so ausdenken kann. Troys Daddy wird Tage lang entführt und sediert. Eine Tätowiermaschine wird angeworfen und einem, der von der Höherwertigkeit der weißen Hautfarbe überzeugt ist, wird das Schlimmstmögliche angetan.
Schwarze Tinte wird ihm unter die Haut geritzt und zwar Literweise. Aus einem Weißen wird ein Schwarzer, den Troy dann auch nicht mehr als seinen Vater erkennt. Und zynischerweise genau das tut, was der ihn gelehrt hat.
Diesen bitterbösen Kurzfilm von Guy Nattiv, aus dem der Regisseur später noch seinen gleichnamigen Spielfilm „Skin“ destillierte, kann man bei der neuen Ausgabe des Radical Frame Film Festivals im Lichtblick Kino sehen, das am neunten und zehnten Mai über die Bühne geht. In vier Blöcken werden Kurzfilme aus den letzten Jahren gezeigt, bei denen versprochen wird, sie seien besonders provokativ und außergewöhnlich.
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Und das Versprechen wird tatsächlich gehalten. Oft sind Kurzfilme ja lediglich Fingerübungen von Regisseuren, die in Wahrheit darauf warten, ihren nächsten großen Spielfilm realisieren zu dürfen und wirken auch so.
Bei dem, was beim Radical Frame Film Festival gezeigt wird, bei diesen Kurzfilmen aus aller Welt, von denen ein paar auch Dokumentationen sind, hat man dagegen immer das Gefühl, große Filmkunst und vor allem fertig auserzählte Geschichten vorgesetzt zu bekommen, auch wenn sie nach einer Viertelstunde schon wieder zu Ende sind.
Etwa in „Frida“ (2021) aus Tunesien von Mohamed Bouhjar, der eine tapfere Lehrerin an einer Schule zeigt, in der der zurückkehrende Islamismus schleichend sein Gift verbreitet. Frida ist keine Anti-Muslimin, sie ist einfach nur mittelmäßig liberal und weigert sich deshalb, den Wunsch der Eltern zu folgen, eine ihrer Schülerinnen in der Klasse nicht mehr neben einen Jungen zu setzen.
Bald muss sie freilich feststellen, dass sie mit dieser Haltung sogar ihr Leben riskiert. Und dass sie in einem Klima der Intoleranz einfach auch nur begrenze Möglichkeiten hat, ihren Schülerinnen solidarisch beizustehen.
Und so geht es weiter bei diesem kleinen Filmfestival mit brisantem und auch hochpolitischen Stoff. „The Letter Room“ (2020) von Elvira Lind etwa, der für den Oscar nominiert wurde, schafft es, das Thema Todesstrafe in den USA beinahe komödiantisch und jedenfalls in ziemlich spezieller Weise abzuhandeln. In dem halbstündigen Film wird der Justizvollzugsbeamte Richard dazu abkommandiert, ein- und abgehende Briefe auf in irgendeiner Weise auffällige Inhalte zu überprüfen.
Richard ist somit dazu gezwungen, das Privatleben von Insassen des Todestrakts besser kennenzulernen, als ihm das vielleicht lieb ist. Und vom möglichst neutralen Begutachter von Worten wird er dann bald zu jemandem, der nicht anders kann, als sich in die Korrespondenzen einzumischen. In einem unmenschlichen System kann er nicht anders, als weiter menschlich zu handeln.
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