Kinotipp der Woche: Pflege eines Weges

Docudays UA, das Internationale Festival der Menschenrechte, konnte diese Jahr nicht in Kyjiw stattfinden. Das Krokodil zeigt drei der Festivalfilme.

Ein meterhoher Heuhaufen türmt sich auf Äste gestützt auf einer Weide auf. Der Landwirt Dmytro nähert sich auf seinen Krücken dem Turm aus Heu

Erst allmählich wird der Krieg zum Thema: Szene aus Eva Dzhyshyashvilis „Plai. A Mountain Path“ Foto: DOK Leipzig

Nachts, wissen die Katzen, sind ihnen die Menschen weniger im Weg. Und so streichen die Katzen entspannt in der Dunkelheit über den Pryvoz, den Markt von Odesa, in Eva Neymanns Dokumentarfilm über den Markt. „Pryvoz – Tales of a Market“ beobachtet das Treiben auf einem der ältesten Märkte Europas. Vier lange Reihen von Tischen, zwischen den beiden in der Mitte stehen Frauen mit Kittelschürze und bieten Butter, Sahne und Käse feil. Zwei ältere Damen auf Einkaufsbummel ziehen an den Tischen vorbei, doch eine Sonnenbrille erweist sich als interessanter als die Milchprodukte. Neymann schlendert von Marktbesucherin zu Marktbesucher wie diese von Stand zu Stand. Einmal driftet der Film weg vom Markt, fährt mit der Tram den Strand des Schwarzen Meeres entlang, auf dem abendlichen Wasser segelt ein Boot.

„Pryvoz – Tales of a Market“ bildet am Freitag den Auftakt zu einem dreiteiligen Nachspiel von DokLeipzig im Berliner Kino Krokodil. Drei Filme aus dem Programm dessen, was das diesjährige Menschenrechtsfilmfestival Docudays UA in Kyjiw hätte sein sollen, aber angesichts des russischen Überfalls nicht stattfinden konnte. DokLeipzig hat eine Auswahl des Festivals nach Deutschland geholt, das Krokodil holt einige Filme der Auswahl nun nach Berlin.

Zeigt „Pryvoz“ städtisches Marktleben, führen die anderen beiden Filme der Auswahl aufs Land. Ein Bauernhaus ganz im Westen der Ukraine in den Karpaten. Auf den Feldern weht der Weizen im Wind. Ein älteres Bauernpaar lebt mit den beiden Enkelkindern von Viehhaltung in einem Tal zwischen den Bergen. Aus dem Radio tönen religiöse Radiosendungen, Hannusya Malkovich, die Großmutter, spricht selten so viele Worte am Stück, wie beim Gebet. Dmytro, der Großvater, hat im Krieg im Donbass ein Bein verloren. Die Tochter der beiden verdient ihr Geld in Polen, weil es in der Gegend keine Arbeit gibt.

Nachspiel DOK Leipzig – Spotlight on: Dokudays UA 2022, Kino Krokodil; Screenings: Привоз (Pryvoz), OmeU in Anwesenheit der Regisseurin Eva Neymann, OmEU, 23.10., 19 Uhr; Плай (Plai. A Mountain Path), OmeU, 26. 10., 19 Uhr; Між небом та горами (Mountains And Heaven In Between), OmeU, 27. 10. 19 Uhr

„Plai. A Mountain Path“ ist das Langfilmdebüt der ukrainischen Dokumentarfilmregisseurin Eva Dzhyshyashvili. Der Film beginnt mit den alltäglichen Verrichtungen der Landarbeit, der Pflege eines Wegs hinauf in die Berge, dem Melken der Kühe. Erst allmählich dringt in den Gesprächen der Krieg, die Verletzung des Großvaters in den Film hinein.

Mikrostudie in den Karpaten

Auch Dmytro Hreshkos „Mountains and Heaven in Between“ zeigt das Leben in den ukrainischen Karpaten. Vier Sanitäterinnen im Dorf Kolochava zu Beginn der Coronapandemie. Zwischen den Einsätzen der vier spannt sich Dorfleben, in das die Pandemie im Laufe der Zeit hineinsickert. Kinder werden geboren, Menschen heiraten, ein alter Mann schimpft über die Maske der Sanitäterin. „Mountains and Heaven in Between“ ist eine quirlige Mikrostudie des Dorflebens in den Karpaten.

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Leider war Hreshko zu sehr in seine Kameradrohne verliebt, um die Geschichte wirklich konzentriert zu erzählen. Alle drei Filme sind die Gelegenheit, aktuelle Dokumentarfilme aus der Ukraine in Berlin und in der kundigen Umgebung des auf osteuropäischen Film spezialisierten und zu recht gerade erst wieder mit zwei Kinoprogrammpreisen der Bundesregierung ausgezeichneten Kino Krokodil zu sehen.

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