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Kinderarmut in BerlinHungrig im Jugendklub

Kinder und Jugendliche haben in Freizeiteinrichtungen oft Hunger. Dem Senat ist das Problem bekannt. Doch wie viele es betrifft, erfasst er nicht.

Bei Politik-Besuchen stehen Snacks bereit – an anderen Tagen fehlen Jugendclubs oft die Mittel Foto: Christoph Soeder / dpa

Jugendliche und Kinder in Berlin verbringen ihre Freizeit oft hungrig. Und dem Land mangelt es an einem Konzept dagegen. Das geht aus den Antworten auf eine parlamentarische Anfrage an die Senatsverwaltung für Jugend und Familie zur Situation in Jugendfreizeiteinrichtungen hervor. Die Grünen-Politiker*innen und Mitglieder im Abgeordnetenhaus Klara Schedlich und Louis Krüger hatten den Senat danach gefragt, wie er Jugendeinrichtungen beim Kampf gegen Kinder- und Jugendarmut unterstützt.

Schedlich und Krüger hatten Jugendklubs und Jugendfreizeiteinrichtungen in Berlin besucht. „Sehr viele haben uns berichtet, dass die Jugendlichen und Kinder am Nachmittag oft hungrig aufschlagen. Und dass sie als Einrichtung wenig Mittel und Möglichkeiten haben, um Essen anzubieten“, sagt Schedlich der taz.

Sie ist Sprecherin für Jugendpolitik in ihrer Fraktion. Selbst Snacks seien teilweise nicht finanzierbar. „Kinder- und Jugendarmut ist eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Stadt“, sagt sie. Dazu gehöre auch Essensversorgung. Schedlich und Krüger kritisieren „gravierende Lücken in der Versorgung, der Transparenz und der langfristigen Planung“ im Vorgehen gegen Armut in dieser Altersgruppe.

Essen von der Tafel

Aus den Antworten geht hervor, dass viele Jugendklubs auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen sind, um überhaupt Essensangebote machen zu können. Allerdings wissen sie weder was noch, wie viel die Tafel liefert. Das stelle Jugendklubs „vor personelle Herausforderungen“, da die Lebensmittel teils „zeitnah verarbeitet“ werden müssten. „Daher erwägen einige Einrichtungen, die Lebensmittellieferungen der Tafel trotz des grundsätzlichen Bedarfs an kostenfreien Lebensmittelspenden zu beenden“, schreibt der Senat.

Es ist auch je nach Bezirk sehr unterschiedlich, inwieweit die Tafel Jugendklubs beliefert. In Mitte stehen Einrichtungen aktuell demnach bei der Tafel auf der Warteliste: Sie hat nicht genug Lebensmittel, um sie zu beliefern. Neben Neukölln ist Mitte besonders arm: In diesen Bezirken sind jeweils rund 37 Prozent der Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren von Bürgergeld abhängig. Im Durchschnitt sind es in Berlin 22,8 Prozent.

„Dem Senat ist die Problematik, dass manche Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen hungrig erscheinen, bekannt, hierzu werden jedoch nicht flächendeckend Daten erfasst“, schreibt die Senatsverwaltung. Essensangebote seien in der Jugendarbeit und in Jugendeinrichtungen zentral, da sie „zunehmend auf die prekäre Lebenslage vieler Kinder und Jugendlicher reagieren“ und auch der „grundlegenden Versorgung dienen“. Wie viel Geld den Einrichtungen für Mahlzeiten und Snacks zur Verfügung steht, weiß der Senat aber nicht.

Lücke im Monitoring

Schedlich kritisiert das stark. „Eine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut fehlt“, sagt sie. Dem Senat fehle dazu auch der Überblick, weil er nicht flächendeckend erfasse, wie viele Kinder hungrig in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen kämen.

„Dies zeigt eine erschreckende Lücke im Monitoring, obwohl die Problematik anerkannt ist“, sagt die Grünen-Politikerin. „Dass Einrichtungen sogar auf Wartelisten stehen, weil die Kapazitäten der Tafeln nicht ausreichen, ist ein sozialpolitischer Skandal“, findet sie. Jugendfreizeiteinrichtungen seien besonders für armutsbetroffene junge Menschen wichtig, Berlin müsse sie ausreichend finanzieren. „Hier muss der Senat schnell handeln, damit keine junge Person hungrig bleibt“, sagt sie.

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