Kinder-Betreuung in Hamburg: Mini-Wahlgeschenk für die Minis

Die SPD verspricht mehr Personal für eine Altersgruppe, die es in den Krippen kaum gibt.

Profitieren nicht vom Wahlgeschenk: Kinder, die älter als 18 Monate sind. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es war eine Überraschung als SPD-Fraktionschef Andreas Dressel am Montag ankündigte, man wolle den Betreuungsschlüssel für Kinder, die jünger als 18 Monate sind, um zehn Prozent verbessern. Hatte doch Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) erklärt, dass das nicht geht. Doch von den insgesamt 60 Millionen Euro aus dem Spendiersäckel für zusätzliche Haushaltsanträge kommen in den Kitas nur etwa 3,5 Millionen Euro an. Denn es gibt nur wenige Kinder dieses Alters in den Krippen dieser Stadt.

„Bei mir in der Kita kämen davon nur 0,17 Prozent an“, sagt Heidrun Mildner, eine der 500 Kita-Leitungen, die jüngst einen Protestbrief an den Bürgermeister übergeben hat, weil Hamburg den schlechtesten Krippenschlüssel aller alten Bundesländer hat. Gerade mal 625 Euro im Jahr hätte sie dann mehr. Dabei hat ihre Bahrenfelder Kita 14 Krippenkinder unter drei Jahren. Doch es gibt nur wenige Kinder, die jünger als 18 Monate sind. Der Rechtsanspruch auf einen Platz gilt sogar erst ab dem Alter von einem Jahr.

Stadtweit besuchen nach Auskunft der Behörde nur 3.695 Babys unter 18 Monaten eine Kita. In die Krippen gehen aber rund 20.000. Würde man für all diese Kinder besagte zehn Prozent mehr Personal gewähren, würde das nach Berechnung des Wohlfahrtsverbands „Soal“ fast 17 Millionen Euro kosten. Der GEW-Kita-Fachsprecher Jens Kastner spricht deshalb von einer „Mini-Erhöhung“, die weitere Proteste nicht ausschließe. Die Beschäftigten fordern 25 Prozent mehr Personal für alle Kitas.

Die CDU ist mit ihrem Versprechen, 80 Millionen Euro in Kita-Personal zu investieren, großzügiger. Man werde bis 2020 den Krippen-Schlüssel auf eins zu vier verbessern und dafür jährlich 300 Erzieher mehr einstellen, sagt CDU-Politiker Christoph de Vries. Noch im Dezember will seine Fraktion erklären, wie sie das finanzieren will. „An höhere Gebühren denken wir nicht“, sagt Sprecherin Julia Thiel.

Hamburgs Betreuungsschlüssel für null- bis dreijährige Kinder seien "miserabel", kritisiert Bildungsforscherin Susanne Viernickel, die dazu eine Studie erstellte. Wissenschaftlicher Standard ist die Betreuung von 1:4. Real liegt der Schlüssel laut der Studie in Hamburg bei 1:7,6.

Das sind 15 Kinder auf zwei Fachkräfte. Bei der Rechnung sind Krankheit, Urlaub, Fortbildung und andere Ausfälle mitgezählt.

Zwischen Stadt und Trägern ist eine Fachkraft-Kind-Relation von 1: 6,2 vereinbart. Der Bundesschnitt liegt bei 1: 4,6.

Zurzeit gibt es 19.827 Krippenkinder.

415 der Kinder sind null bis 12 Monate alt, 3.280 sind 13 bis 18 Monate alt, 4.593 sind 19 bis 24 Monate, 5.418 sind 25 bis 30 Monate und 6.121 sind 31 bis 36 Monate alt.

Die angekündigten zehn Prozent für die Kleinsten seien „nur ein erster Schritt“, versichert SPD-Politikerin Melanie Leonhart. Man habe die 18 Monate als Grenze gewählt, weil man damit „über den ersten Geburtstag rüberkommt“, ab dem der Rechtsanspruch gilt. Auch sei ihrer Fraktion wichtig, überhaupt eine Verbesserung finanziert zu bekommen. „Es ist völlig klar, dass es damit nicht stehen bleibt.“

Doch aus Behördenkreisen ist zu hören, dass es nicht viel mehr Geld geben soll. In dem neuen SPD-Antrag heißt es, der Senat solle in Gesprächen mit den Kita-Trägern prüfen, ob finanzielle Potenziale infolge des Kita-Gutscheinsystem für Krippen nutzbar sind. Scheele hatte erklärt, Kitas hätten „finanziell Luft“. Die stadteigene Elbkinder-Vereinigung habe eine Acht-Prozent-Verbesserung in Krippen aus Rücklagen finanziert.

Es sei „perfide“, wie der Senator versuche, mit seinem städtischen Träger die freie Jugendhilfe unter Druck zu setzen, sagt Sozial-Fachreferent Elimar Sturmhoebel. Rücklagen seien in einem per Gutschein finanzierten Modell notwendig, um bei Belegungsschwankungen weiter Gehälter zahlen zu können und Träger vor der Insolvenz zu bewahren. „Wir nehmen gern Gespräche auf“, sagt Sturmhoebel. Er wünsche sich aber, dass es um ein echtes Angebot gehe, und „nicht nur um Wahlmanöver“.

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