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Kein Vorkaufsrecht beim Holsten-ArealHamburg verschenkt schon wieder eine Gestaltungschance

Gernot Knödler

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Gernot Knödler

Der Hamburger Senat hat darauf verzichtet, sein Vorkaufsrecht für das Holsten-Areal zu ziehen. Das hat schon mehrere Spekulationswellen hinter sich.

Seit Jahren eine Brache: das Holsten-Gelände Foto: Christian Charisius/dpa

D er Hamburger Senat hat ein weiteres Mal darauf verzichtet, sein Vorkaufsrecht für das ehemalige Grundstück der Holsten-Brauerei im Stadtteil Altona in Anspruch zu nehmen. Und dies, obwohl das Grundstück in den vergangenen Jahren mehrfach spekulativ verkauft worden war – bis der Preis eine Höhe erreicht hatte, bei der es kaum mehr wirtschaftlich zu verwerten war. Jetzt läuft der Senat Gefahr, den Fehler des damaligen Bürgermeisters Olaf Schlolz (SPD) von 2016 zum zweiten Mal zu begehen.

Damals hatte der Senat auf sein Vorkaufsrecht verzichtet, um dem Holsten-Mutterkonzern Carlsberg einen lukrativen Verkauf seines am Bahnhof Altona gelegenen Grundstücks zu ermöglichen. Im Gegenzug willigte der Konzern ein, seine neue Brauerei wieder auf Hamburger Stadtgebiet zu errichten.

Ging das Grundstück zunächst für 150 Millionen Euro über den Tresen, waren es nach mehreren Verkaufsrunden 320 Millionen. Letzter Käufer war die Luxemburger Adler Group, die 2021 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Im Zuge seiner Sanierungsbemühungen hat der Konzern das Grundstück Anfang November einem Konsortium aus den Hamburger Unternehmen Quantum und Hanse-Merkur sowie dem kommunalen Wohnungsunternehmen Saga und der Hamburger Sparkasse (Haspa) verkauft – unter dem Preis, den Carlsberg beim ersten Verkauf erzielt hat.

Das Konsortium will rund eine Milliarde Euro in das Areal investieren, wie es hieß. Dabei sollen auch Teile der historischen Bausubstanz erhalten und in das neue Viertel integriert werden. Etwa 50 Prozent der neu geplanten Wohnungen sollen entweder Sozialwohnungen werden oder für Studierende und Auszubildende zur Verfügung stehen.

Die Stadt sollte mehr fordern als vom bisherigen Investor

Damit liege das Angebot über dem von der Stadt normalerweise geforderten Mix aus einem Drittel Sozialwohnungen, frei zu vermietenden Wohnungen und Eigentumswohnungen, sagt Mike Schlink, der Sprecher des Bezirksamts Altona. Schlink zufolge ist noch unklar, wie viele Wohnungen das Investorenkonsortium in dem neuen Quartier errichten will und ob das aus Sicht des Bezirks tragfähig wäre. „Am Ende werden wir es in einem städtebaulichen Vertrag festhalten“, sagt der Sprecher des Bezirksamtes.

Die Frage ist, was die Stadt mit diesem Vertrag wird durchsetzen können. Der Vertragsentwurf mit dem alten Investor sah zwei Drittel Wohnungen – darunter inklusive Wohnprojekte – und ein Drittel Gewerbe vor. Es sollten ein Handwerkerhof, ein Hotel, kleine Läden und Kitas gebaut werden. Vorgesehen war auch ein öffentlicher Park, die Erhaltung einiger Bestandsbauten sowie ein Mobilitätskonzept, das den Autoverkehr reduzieren sollte.

Das Vorkaufsrecht hätte eine Gelegenheit dazu geboten, Sozialwohnungen mit 100-jähriger Bindung errichten zu lassen

Mit den neuen Eigentümern sollte es möglich sein, mindestens diese Kriterien zu erreichen. Interessant wird es bei darüber hinaus reichenden Forderungen. So hatte sich der Senat vor drei Jahren mit der Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ darauf geeinigt, keine städtischen Immobilien mehr zu verkaufen und auf städtischem Grund 33 Prozent Sozialwohnungen mit 100-jähriger Bindung errichten zu lassen.

Ob sich das erreichen lässt, ohne dass die Stadt gekauft hat, ist zweifelhaft. Dabei hat der Senat versprochen, 1.000 solcher Wohnungen im Fünfjahresdurchschnitt zu bauen. Das Vorkaufsrecht hätte eine Gelegenheit dazu geboten – und auch eine Gelegenheit, weitere Spekulationen mit den Immobilien auf dem Areal zu unterbinden.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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3 Kommentare

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  • Die Saga ist ein städtisches Unternehmen .insofern gehört das Grundstück anteilig indirekt der Stadt. Welcher private Investor hätte Interesse an 50 Prozent sozialwohnungen mit dem Klientel, das dann dort wohnt und die bekannten Probleme verursacht? Wenn die Stadt es kaufen würde, wäre das Geld blockiert und andere Dinge würden weniger finanziert. Soll doch der das machen ,was er gut kann. Und die Stadt ist kein Profi im Immobilienbereich.

  • Die Stadt hätte das nehmen sollen, Studentenwohnheim und Sozialwohnungen plus Flächen für Vereine schaffen sollen. Stattdessen passiert erstmal nix. Dafür hat man sich diesen idiotischen Tower aufschwatzen lassen ...



    Hamburg ist auf dem falschen Weg. Es könnte so viel besser sein, wenn da jemand die Prioritäten anders setzen würde. Der nette Investor im Immobilienbranche existiert eigentlich gar nicht. Das sollte sich mal langsam rumsprechen. Auf den kannst Du lange warten.

    • @Andreas_2020:

      Man darf aber auch nicht so tun, als könnte die Stadt hier nach Belieben (Steuer)Geld reinstecken ohne jede Erwartung auf Einnahmen. In jedem Fall muss eine Ausgabe (z.B. soziale Nutzung) gegenfinanziert werden, wenn nicht hier, dann wird an anderer Stelle etwas weggenommen. Alles andere ist Augenwischerei.