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Kein Projekt der Ampel mehrHabeck begräbt Kohleausstieg 2030

Im Koalitionsvertrag steht, Deutschland solle „idealerweise“ 2030 mit dem Abbau von Kohle aufhören. Nun zeigt sich: Ein Gesetz dazu kommt nicht.

Könnte noch bis 2038 weiterdampfen: Kohlekraftwerk Boxberg der LEAG in Sachsen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Es hat sich schon lange abgezeichnet, jetzt sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) es deutlich: Den deutschen Kohleausstieg „idealerweise“ von 2038 auf 2030 vorzuziehen, wie es der Koalitionsvertrag in Aussicht stellt, gehört nicht mehr zu den Projekten der Ampelregierung. „Eine gesetzliche Regelung ist nicht vorgesehen“, so Habeck am Dienstag in Berlin.

Er verwies allerdings darauf, dass die Privatwirtschaft die klimaschädlichen Kraftwerke freiwillig vorher abstellen könne. Steigende CO2-Preise infolge der Reform des Europäischen Emissionshandels würden die Kohleverstromung zunehmend unwirtschaftlich machen. „Langfristig macht es natürlich keinen Sinn, ein Kraftwerk am Netz zu lassen, das gar nicht läuft oder rote Zahlen schreibt – aber das ist eine privatwirtschaftliche Entscheidung.“

Anlass von Habecks Auftritt war eine Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission zu Entschädigungen für den Energiekonzern Leag, der das Kohlerevier im Osten Deutschlands betreibt. Es geht um einen Ausgleich dafür, dass die Leag nach 2038 kein Kohlekraftwerk mehr nutzen darf. Das hatte noch die Große Koalition beschlossen. Insgesamt könnten 1,75 Milliarden Euro fließen. Der Großteil davon ist nicht daran geknüpft, dass es überhaupt zu einem klassischen Entschädigungsfall kommt: 1,2 Milliarden Euro sind fest zugesagt – selbst wenn die Leag die Kraftwerke freiwillig aus unternehmerischen Gründen noch früher abstellt, als sie gesetzlich müsste. Die restlichen 550 Millionen Euro bekommt das Unternehmen nur, wenn ihm durch den Kohleausstieg nachweislich Einnahmen entgehen. Das heißt: wenn die CO2-intensiven Kraftwerke aus Klimagründen dem Kohleausstiegsgesetz entsprechend abgestellt werden, obwohl sie noch wirtschaftlich sind.

Das Geld soll teilweise für Sozialpläne genutzt werden, den bisherigen Koh­le­ar­bei­te­r*in­nen helfen. Außerdem soll es in die Renaturierung der Tagebaue fließen, also die Genesung der zerstörten Umwelt voranbringen. Solche Zahlungen an Unternehmen kann die Bundesregierung nicht einfach tätigen, sie müssen mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Das ist nun geschehen, wie Habeck mitteilte. Im Dezember hatten die europäischen Wett­be­werbs­hü­te­r*in­nen bereits genehmigt, dass Deutschland dem Energiekonzern RWE 2,6 Milliarden Euro staatliche Hilfe für den Kohleausstieg zahlen darf. Der betreibt das Rheinische Kohlerevier im Westen Deutschlands. Dort gibt es allerdings bereits eine Einigung zwischen Bundesregierung, nordrhein-westfälischer Landesregierung und Unternehmen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.

Deutschlands Klimaziele nicht gewährleistet

Der positive Effekt des Deals fürs Klima hält sich allerdings in Grenzen: Während das Abschaltdatum für einige der RWE-Kohlekraftwerke nach vorn gezogen wurde, sodass keines mehr nach 2030 läuft, durften dafür andere länger am Netz bleiben als zuvor geplant. Das gleicht sich nicht ganz, aber teilweise aus. Mit der Leag ist eine solche Regelung nicht zustande gekommen. Dort liegt der Schlussstrich für die Kohle deshalb weiterhin im Jahr 2038.

Eigentlich müsste die Bundesregierung beim Klimaschutz mehr Tempo machen. Am Montag hatte der Expertenrat für Klimafragen ein Gutachten vorgelegt, das zeigte: Es ist nicht gewährleistet, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 oder die Klimaneutralität bis 2045 erreicht.

Leag-Chef Thorsten Kramer ist zufrieden mit den Summen, mit denen er nun rechnen kann: „Wir begrüßen die Fortschritte in diesem Verfahren, welche für unser Unternehmen, die Beschäftigten und die Region von entscheidender Bedeutung sind.“

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16 Kommentare

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  • Wenn die Regierung den Kohleausstieg bis 2030 wirklich gewollt hätte, dann hätte sie dafür sorgen müssen, dass die Gaskraftwerke mit zusammen 40 GW, die im Koalitionsvertrag genau deshalb festgeschrieben sind, auch bis 2030 in Betrieb gehen. Doch bisher tut sich noch gar nichts, es ist kein einziges Gaskraftwerk in Planung, nur wurde beschlossen in diesem Sommer ein Strategiepapier für Gaskraftwerke mit zusammen 10 GW zu verabschieden. So schmilzt die Energiewende langsam aber sicher zusammen.

  • Die Weichen sind längst umprogrammiert, ob das vermeintliche Staatsräson oder Lobbyismusfolge ist, erschließt sich ohne Insider-Kenntnisse wohl nicht.

    WAZ 7.12.23 Quelle waz.de



    "Das modernste Kohlekraftwerk Deutschlands wird vorerst doch keine Industrieruine. Im schier endlosen Rechtsstreit um den 1100-Megawatt-Meiler „Datteln 4“ im Kreis Recklinghausen haben die Kohle-Gegner am Donnerstag eine herbe Niederlage hinnehmen müssen. Thomas Krämerkämper vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) wollte auch gar nichts beschönigen: „Das ist heute ein schlechter Tag für das Klima und die Umwelt.“

  • "idealerweise" sagt doch schon alles. Das war von Anfang an eingepreist.

  • Na ja, es ist schon richtig, ein Gesetz zum Kohleausstieg ist sowieso Quatsch, denn wenn einmal genügend Leistung in Photovoltaik, Windkraft und sonstigen Erneuerbaren installiert ist, werden die Kohlekraftwerke wegen Unwirtschaftlichkeit sowieso abgeschaltet, da ja Kohlekraftwerke wirtschaftlich schon lange nicht mehr gegen die viel preisgünstigere Energie aus Windgraft und Photovoltaik ankommen.



    Solange aber noch nicht genügend Erneuerbare installiert sind, wäre es natürlich Irrsinn, die Kohlekraftwerke abzuschalten.



    Außerdem gibt es schon verschiedene Überlegungen zur Weiternutzung der Kohlekraftwerke, zum Beispiel zur Umnutzung als Speicherkraftwerk durch Umbau zum Wasserstoffkraftwerk.

    • @Heinz Kuntze:

      Und was ist mit der Grundlastsicherung und den Zeiten wenn weder der Wind weht noch die Sonne mehr als ein bißchen und auch nur tagsüber scheint? wo kommt dann der Strom her? Wirtschaftliche bzw realistische Technologien für die Sepicherung der notwendigen Energie gibt es nicht und wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Also müssen Kohlekraftwerke in Betrieb bleiben, und 25 bis 40 GW Gaskraftwerke neu gebaut werden, Das will aber keiner machen weil die unwirtschaftlich wären. Habeck hat von Anfang an Luftschlösser gebaut, auf Wunschdenken vertraut und jetzt holt ihn die Realität ein. Und das muss er halt seinen Wählern irgendwie verkaufen.

      • @Gerald Müller:

        Also wer in den letzten 10 Jahren wenigstens hin und wieder Zeitung gelesen hat, weiß, dass jede Menge wirtschaftliche Lösungen zur Energiespeicherung auf dem Markt und im Aufbau sind.



        Energiespeicherung ist ja alleine schon wegen der schwankenden Bedarfe schon lange Zeit ein Thema, deshalb gibt es ja Pumpspeicherwerke.



        Als dann die nur schlecht regelbaren Atomkraftwerke aufkamen, benötigte man Verbraucher für den nachts zu viel anfallenden Atomstrom, und propagierte die Speicherung des Stromes in Nachtspeicheröfen. In Dänemark wird dieses Konzept in Baggerseen realisiert, in Berlin wird gerade ein solcher Großspeicher gebaut. Dann gibt es bereits heute die von Ihnen auch erwähnten Gaskraftwerke für den Notlauf, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden. Und, wie von mir erwähnt, die Umrüstung von Kohlekraftwerken wir ebenfalls in Erwägung gezogen.



        Weiterhin werden in D immer mehr Batterien installiert, siehe hier: www.battery-charts.de/main-page/



        Auch die in den E-PKWs installierten Batterien sind nutzbar.

        • @Heinz Kuntze:

          "Weiterhin werden in D immer mehr Batterien installiert, siehe..."



          Mit Verlaub: Was dort bejubelt wird, erscheint doch etwas dürftig.



          Zum Vergleich: Allein Gasspeicher gibt es in D für 250 TWh, dazu kommen noch Öltanks und Braunkohleflöze...

          • @sollndas:

            Ja, Sollndas, da haben Sie recht, Gasspeicher die sich übrigens später auch als Speicher für grünen Wasserstoff eignen sind natürlich wesentlich größer als die Batteriespeicherkapazität, und das ist auch gut so.



            Batteriespeicher sind natürlich nur wirtschaftlich zum Ausgleich von kurzzeitigen Schwankungen von einigen Stunden, während Gaskraftwerke natürlich für längerfristigen Einsatz gedacht sind, einige Tage zum Beispiel.



            Also alles Ok.

            • @Heinz Kuntze:

              "Gasspeicher die sich übrigens später auch als Speicher für grünen Wasserstoff eignen..."



              Wo gibt es "Gasspeicher, die sich für grünen Wasserstoff eignen"?



              BTW hat Wasserstoff nur ca. 30 % der Energiedichte von Methan. Selbst wenn die oben erwähnten 250 TWh Gasspeicher für H2 geeignet wären, gingen da nur 75 TWh Wasserstoff rein...



              Es sei denn, man macht aus grünem Wasserstoff E-Methan. Erst dann wäre "alles ok.".

              • @sollndas:

                Korrektur: Erst dann käme man dem "alles ok." wenigstens etwas näher.

  • Lindner "verdanken" wir es, dass der Staat keine Kohle für Investitionen hat.

    Könnte er im Gegenzug bitte mal das offensichtlich Nötige bei der anderen Kohle durchwinken, auch wenn ihm seine Geldgeber etwas anderes sagen?

    • @Janix:

      Tatsächlich verdanken Sie das dem Grundgesetz und der darin verankerten Schuldenbremse. So wichtig ist er dann doch nicht.

      • @Nachtsonne:

        Wir müssten nur die Steuern auf die Höhe wie bei Kohl wieder anpassen.



        Wir müssten nur Subventionen für Klimaschädliches stoppen.



        Was der Finanzminister (!!!) blockt.

        Leider ist er gerade wichtig.

  • taz: *Er ('Habeck') verwies allerdings darauf, dass die Privatwirtschaft die klimaschädlichen Kraftwerke freiwillig vorher abstellen könne.*

    Dieser "Klimaschutz"minister wird immer merkwürdiger - oder meinte er das tatsächlich ernst?

    Vielleicht sollte sich der Minister für Wirtschaft und "Klima" mal überlegen, weshalb viele Bürger die Grünen gewählt haben. Die Spitzenpolitiker der Grünen sind aber anscheinend genau so wenig "grün" wie SPD-Politiker "sozial" und CDU-Politiker "christlich" sind. Wenn da nicht bald wieder grüne Politik zum Vorschein kommt, dann wird diese Partei sich in absehbarer Zeit zur Freude von Merz und Söder selbst zerstört haben.

  • "Kanzler für Klimaschutz" stand auf den Plakaten. Und "Scholz packt das an".



    Ich frage mich ja, wie gehirngewaschen man als SPD-Mitglied sein muss, um angesichts der dreisten Lügen bei der letzten Wahl jetzt wieder Plakate mit dem gleichen Gesicht und neuen Lügen aufzuhängen.

    • @B. Iotox:

      Das ist man als spd wählende doch nunmal gewohnt und gehört dazu oder? Anders kann ich mir das auch nicht erklären.