Katar als Vermittler in Nahost: Medienmacht und Terrornähe
Ohne das Emirat Katar gäbe es wohl kein Abkommen zwischen Israel und der Hamas. Wie wurde der kleine Golfstaat zu einem großen Player in der Region?
Der maßgeblich von Katar vermittelte Deal zwischen Israel und der Hamas, der den Austausch von Geiseln gegen Gefangene ermöglicht, ist für Doha bei Weitem nicht der erste, aber der größte Vermittlungserfolg. Das Land setzt darauf, international unentbehrlich zu werden und somit sein eigenes Überleben zu sichern. Die Vermittlerrolle, die der seit 2013 amtierende Emir Tamim bin Hamd Al Thani im Außenministerium auch personell deutlich ausgebaut hat, ist dabei einer der Grundpfeiler der Außenpolitik – neben dem Export von Erdgas und der Medienmacht in Form von al-Dschasira.
Diese drei Machtfaktoren haben dem Land eine von Iran und Saudi-Arabien unabhängige Regionalpolitik ermöglicht, die es immer wieder mit seinen Nachbarn in Konflikt gebracht hat. Allerdings konnte Katar selbst aus der von den Saudis und anderen Staaten 2017 verhängten Blockade erfolgreich hervorgehen. Keine der damaligen Kernforderungen – Schließung von al-Dschasira und Stopp der Unterstützung von Islamisten – wurde erfüllt.
Der jetzige Deal ist ein Resultat der langjährigen Kontakte Dohas sowohl zur Terrororganisation Hamas als auch zu Israel. Erst am Dienstag besuchte Mossad-Chef David Barnea erneut das Land. Seit Beginn des Gazakriegs war es Barneas vierter Besuch in dem Land, das mit Ismail Hanijeh und Khaled Mishal zwei prominente Gesichter der Hamas beherbergt.
Auch die USA setzen auf Katar
Für Israels Regierung hat Katar im vergangenen Jahrzehnt nicht trotz, sondern wegen seiner engen Kontakte zur Hamas eine wichtige Funktion eingenommen: Es war Katar, das Gaza immer wieder hohe Geldsummen zukommen ließ, das Küstengebiet wirtschaftlich am Laufen hielt und in sehr enger Kooperation mit Israels Verteidigungsministerium humanitäre Hilfe ermöglichte.
Und auch die USA setzen auf Katar: Die Nähe zu islamistischen Gruppierungen hielt Washington nicht davon ab, in Katar die wichtigste US-Luftwaffenbasis in der Region zu unterhalten. Ob Irak, Syrien oder Afghanistan: Es war die Al Udeid Air Base, von der aus US-Kampfjets abhoben, um Ziele in der Region anzugreifen.
Wenn der laufende Austausch von israelischen Frauen und Minderjährigen gegen palästinensische Gefangene abgeschlossen ist, will Katar weitermachen: Am Dienstag erklärte Außenamtssprecher Majed al-Ansari: „Die aktuelle Priorität ist die Freilassung der zivilen Geiseln, der Frauen und Kinder, dann kommen die militärischen Geiseln an die Reihe.“
Jeder Vermittlungserfolg wird dabei auch eine Rechtfertigung sein für Katars teils äußerst problematische Beziehungen zu islamistischen und terroristischen Kräften. Dass Hanijeh und Mishal in Doha ungestört leben können, könnte das Land auch in Konflikt bringen mit Israel, das eine Eliminierung der Hamas angekündigt hat. Eine gezielte Tötung der Hamas-Anführer auf katarischem Boden ist indes kaum vorstellbar.
Wie gezielt Katar daran arbeitet, Verständnis für seine ambivalente Außenpolitik zu gewinnen, lässt sich in Europa beobachten. Als in Doha noch auf den Deal zwischen Israel und der Hamas hingearbeitet wurde, warb Außenamtssprecher al-Ansari parallel in Deutschland für die Rolle Katars. Diplomaten, Politiker, Journalisten und Analysten wurden zu mehreren Events eingeladen, alles üppig finanziert und organisiert von einer Organisation namens „Der Divan – das Arabische Kulturhaus“, einer 2017 eröffneten Kultur- und Lobbyorganisation Katars, die in einer Villa in Berlin-Zehlendorf sitzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour