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Katalanen demonstrieren in FrankreichJenseits der Grenze

Der ehemalige katalanische Regierungschef Puigdemont spricht vor Zehntausenden Anhängern. Er hält am Ziel der Unabhängigkeit von Spanien fest.

Puigdemont-Anhänger bei der Demonstration unter einer katalanischen Fahne in Perpignan Foto: Emilio Morenatti/ap

Madrid taz | „Ich bin zu Hause“, erklärte der in Belgien lebende ehemalige Regierungschef der spanischen autonomen Region Katalonien, Carles Puigdemont, sichtlich gerührt, als er am Freitag in Perpignan eintraf. Dank seiner Immunität als Europaabgeordneter konnte er erstmals seit über zwei Jahren wieder nach Katalonien reisen, wenn auch nur in den französischen Teil. In Spanien besteht noch immer ein Haftbefehl wegen „Aufruhr“ gegen ihn.

Puigdemont hielt auf dem Messegelände der nordkatalanischen Stadt Perpignan eine Großkundgebung für die Unabhängigkeit seiner Heimat von Spanien ab. „President, President“, rief die Menge, als Puigdemont die Bühne betrat. Hunderte von katalanischen Unabhängigkeitsfahnen wehten in der steifen Mittelmeerbrise.

„Unabhängigkeit war nie einfach und wir haben es immer gewusst. Die Unterdrückung, die Generationen und Generationen von Katalanen durchlebt haben, ist uns auf die Haut geschrieben,“ sagte Puigdemont unter Applaus. „Wir wissen, dass wir nicht aufhören werden und sie uns nicht aufhalten werden. Wir müssen nicht auf bessere Zeiten warten, weil sie hier sind. Das Ziel der katalanischen Republik hat eine Mehrheit innerhalb der katalanischen Gesellschaft“, fügte Puigdemont hinzu.

Rund 150.000 Menschen waren nach Angaben der Veranstalter – dem in Belgien ansässigen „Rat für die Republik“, dem Puigdemont vorsteht – gekommen. Sie waren mit PKWs, Bussen und Zügen angereist, um nur 25 Kilometer von der spanischen Grenze entfernt ihre unabhängige Republik Katalonien zu fordern. Unter den Teilnehmern befanden sich wichtige katalanische Politiker unterschiedlicher Parteien, so der jetzige Regierungschef Quim Torra.

Freiheit versus Aufruhr

„Freiheit, Freiheit“, riefen die Demonstranten immer wieder und forderten damit ein Ende des Exils von Puigdemont sowie von Toni Comin und Clara Ponsatí, zwei seiner ehemaligen Minister, die ebenfalls im Ausland leben – und die Freilassung von neun wegen „Aufruhr“ bis zu 13 Jahren Haft verurteilten Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten.

Das Urteil steht im Zusammenhang mit dem am 1. Oktober 2017 trotz Verbots durch die Regierung und Justiz in Madrid abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien. Kurz bevor er das Land verlies, hatte Puigdemont die Abspaltung der Region von Spanien ausgerufen. Madrid stellte Katalonien unter Zwangsverwaltung, löste die Regionalregierung und das Parlament in Barcelona auf.

Puigdemont und seine beiden Minister selbst werden von der spanischen Justiz per internationalem Haftbefehl wegen „Aufruhr“ gesucht. Nach dem die europäische Justiz die Immunität als Europaabgeordnete anerkannte, wurde der europäische Haftbefehl ersteinmal unwirksam. Die Reise nach Südfrankreich wurde so möglich.

Puigdemont war bereits am Vorabend der Kundgebung in Perpignan eingetroffen. Er besuchte ein Rugbyspiel des örtlichen Zweitligisten USAP und traf sich mit Politikern aus den französischen Katalonien, darunter den Kandidaten für das Bürgermeisteramt von Perpignan und engen Vertrauten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Romain Grau.

Getrennt für Katalonien

Auf der Kundgebung wurden Grußadressen der Inhaftierten verlesen. Doch das Bild der Einheit, dass die Unabhängigkeitsbewegung bot, täuscht. Die beiden großen Separistenparteien, Puigdemonts „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) und die Republikanische Linke (ERC) seines inhaftierten, ehemaligen Stellvertretenden Regierungschefs Oriol Junqueras, die gemeinsam in Barcelona regieren, sind seit Monaten zerstritten.

Sie streiten um die Vorherrschaft im Unabhängigkeitslager und um die richtige Strategie – Dialog oder harte Haltung. Während ERC der neuen Regierung in Madrid unter Pedro Sánchez ins Amt verhalf, stimmte Puigdemonts Partei gegen den Sozialisten. Der jetzige katalanische Regierungschef wird in den kommenden Monaten vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Dann werden die Urnen entscheiden, wer auf dem richtigen Weg ist.

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4 Kommentare

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  • Hallo Herr "EUROPALIEBENDER" , meine Note für Ihren Beitrag: "Thema verfehlt", daher eine "sechs".



    Katalonien liebt Europa noch wesentlich mehr als Sie. Trotzdem kämpft es für die Eigenständigkeit, die eine Zentralgewalt in Madrid seit Jahrhunderten verwehrt. Wie soll denn Ihr Europa ausschauen? Sie sind gegen den Nationalismus verschiedener Minderheiten, aber Sie finden es richtig, dass europäische Staaten ihren Nationalismus auf die Spitze treiben. sollen denn die Polen, Ungarn, Tschechen künftig ihre Sprache, ihre Traditionen, ihre Kultur zu Gunsten einer über den Kamm gescherten Einheitsnorm verzichten?

  • Stellen Sie sich einmal vor, die AfD würde mit FDP und CDU die Mehrheit in einem Bundesland erhalten (nicht an Stimmen, aber dank des Wahlrechts, das ländliche Regionen bevorzugt, an Sitzen). Diese würden dann ein Gesetz verabschieden, das das Abhalten eines Referendums zur Einführung der ... (fügen Sie hier ein, was sie wollen „Todesstrafe“, „Unabhängigkeit“) möglich macht und schreiben in das gleiche Gesetz, dass, wenn eine Mehrheit dem Vorschlag zustimmt (unabhängig von der Wahlbeteiligung), die Verfassung außer Kraft gesetzt wird und eine Übergangsverfassung gilt.

    Das ist ein Aspekt der Geschehnisse in Katalonien, der so gut wie immer ausgeblendet wird. Es erschreckt mich jedes Mal aufs Neue, wie verkürzt der Katalonien-Konflikt in Deutschland dargestellt wird. Das gegen Gerichtsbeschlüsse trotzdem von regionalen, staatlichen Stellen (also von oben herab – wir reden hier nicht von einer Underdog-Bewegung) organisierte Referendum konnte nur zu drastischen Verurteilungen führen, ohne dass sich die Judikative der Lächerlichkeit preisgibt!

    Ich verstehe ja den linken Habitus, alles was sich gegen das Establishment richtet, zu huldigen und im Angesicht der spanischen Rechten ist das ja auch kaum zu verdenken, aber ich bleibe dabei: Warum sollte ich als Linke jemals Nationalismus unterstützen? Gibt es nicht schon genug Nationalismen, die es zu bekämpfen gilt?

    Was Spanien dringend braucht, ist ein echter Föderalismus, der die Regionen an der Macht beteiligt (wie der deutsche Bundesrat), ihre Sprachen auch im Parlament etc. erlaubt und übersetzt (wie im EU-Parlament), ansonsten aber klar macht: Solidarität geht über einen exklusiven Nationalismus in welcher Form auch immer! Dass die katalanische Linke hier mit den katalanischen Rechten ins Bett steigt und nicht an Alternative arbeiten mag, ist für mich das große Trauerspiel. Leider werden die Regionalist*innen immer und zunehmend zwischen den Extremen „Zentralstaat“ und „Unabhängigkeit“ zerrieben.

  • Freiheit versus Diktatur.



    Dass Puigdemont und andere katalanische PolitikerInnen im Exil Immunität als EU-Abgeordnete besitzen, und diese Immunität in den Pyrenäen enden soll, ist ein Fall für die europäische Justiz und keinesfalls akzeptabel.

    Dass der Slogan "Spain is different" vom damaligen Turismus-Minister Manuel Fraga unter Franco auch heute noch gültig zu sein scheint, sollte für die spanische Monarchie ernsthafte Konsequenzen haben.

    Wem Demokratie und Menschenrechte als Grundwerte der EU etwas wert sind, sollte bei diesem Konflikt nicht neutral bleiben sondern aktiv werden.

  • Ich war vor ein paar Jahren in Barcelona, An der Rambla gab es in einigen Bareingängen Grüppchen von Jugendlichen, die den nationalistischen Ideen verfallen waren und ich fühlte mich das erste mal unerwünscht. Da fühlt man als Deutscher auch einmal den Geschmack, was es bedeutet nicht dazuzugehören. Ich denke lasst diese Nationalisten (Südtirol, Bayern, Schottland ...) aus Europa raus und lasst Sie draußen, damit sie dort in Ihrem Hass gegen alle, die nicht ihrer Nation und somit nicht ihrer Meinung sind alleine die nationale Unabhängigkeit feiern. Es lebe ein geeintes Europa!