Streit um Katalonien: Sánchez bietet Dialog an
Spaniens Regierungschef muss Kataloniens Führung entgegenkommen. Doch die Opposition in Madrid warnt weiter vor der „Zerstörung Spaniens“.
„Es gibt keine Lösung ohne Dialog innerhalb des gesetzlichen Rahmens“, erklärte Sánchez nach dem Treffen und versprach „einen Neuanfang“ und einen „sofortigen Kurswechsel“. „Wir sind schon lange zu einem Dialog bereit“, sagte Torra. Dass es bisher nicht dazu gekommen sei, habe an Madrid gelegen, erklärte der Katalane. Torra versprach einen „aufrichtigen Dialog“.
Doch die beiden sind weit voneinander entfernt. Torra verlangte erneut die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes. Sánchez sprach sich einmal mehr gegen ein Unabhängigkeitsreferendum aus und verteidigte stattdessen den Autonomiestatus der Region.
Außerdem lehnte er den Wunsch Torras nach einer Amnestie für die Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten ab, die nach der Abhaltung einer von Madrid untersagten Volksabstimmung im Oktober 2017 zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Stattdessen legte er einen „Fahrplan zur Wiederbegegnung“ vor. Darin ist vor allem von Finanzausgleich, neuen Infrastrukturprojekten und sozialen Hilfen die Rede.
Spanische Justiz sieht „Ungehorsam“
Sánchez, der im Wahlkampf immer wieder harte Absagen an die Forderungen der Katalanen erteilte, sah sich zum Dialog gezwungen. Denn die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), der kleinere der beiden Koalitionspartner in Quim Torras Regierung, hatte die Verhandlungen zwischen den Regierungen in Madrid und Barcelona zur Bedingung gemacht, um Sánchez im Januar an die Regierung zu verhelfen.
Für Torra ist das Treffen ein Erfolg. Denn es bestätigt ihn im Amt. Die spanische Wahlbehörde und der Oberste Gerichtshof hatten ihm vor wenigen Wochen den Abgeordnetenstatus entzogen. Er hatte sich im Wahlkampf lange geweigert, ein Transparent an seinem Amtssitz abzuhängen, das sich eben mit den mittlerweile Verurteilten solidarisierte. „Ungehorsam“ sieht die spanische Justiz darin.
Die Opposition in Madrid will von einer politischen Lösung des Katalonienkonflikt nichts wissen. Die konservative Partido Popular (PP) hatte bereits am Vortag des Treffens eine Klage gegen Torra wegen „Amtsanmaßung“ eingereicht. Denn ohne Sitz im katalanischen Parlament könne er nicht weiter Ministerpräsident bleiben.
Die rechtsradikale VOX – drittstärkste Partei in Spanien – bezeichnet das Gespräch als Treffen eines „illegitimen spanischen Ministerpräsidenten mit einem illegalen katalanischen Ministerpräsidenten“. PP und VOX werfen Sánchez vor, den Separatisten bei der Zerstörung Spaniens zu helfen.
Innerkatalanischer Zwist
Torra pokert. Denn die Regierungskoalition aus seiner Liste „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) und ERC steckt in einer tiefen Krise, seit ERC Sánchez unterstützt. Torra will nach den Haushaltsverhandlungen, die bereits im März zu Ende gehen könnten, Neuwahlen anzusetzen. Noch liegt ERC in den Umfragen leicht vor JxCat. Torra hofft, dass die Gespräche und Sanchez' ablehnende Haltung gegenüber den Hauptforderungen der Unabhängigkeitsbewegung ERC schwächen könnte und somit JxCat erneut stärkste Kraft im Unabhängigkeitslager wird.
In Barcelona bliebe somit alles wie gehabt. Nicht so in Madrid: Dort wäre Sánchez dann auf eine ERC angewiesen, der ihre Kompromissbereitschaft zu Hause an den Urnen nichts eingebracht hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus