Kanzlerkandidatur der SPD: Spitzenjob, gar nicht so spitze
Sigmar Gabriel will 2017 als Kanzlerkandidat gegen Merkel antreten. Offiziell loben Spitzengenossen sein Signal. Aber intern gibt es Zweifel.
Sigmar Gabriel, SPD-Chef und sehr von sich überzeugt, hielt das Kieler Gedankenspiel für ziemlich bescheuert. Nicht nur, dass Journalisten danach wochenlang über geeignete SPD-Spitzenkandidaten spekulierten. Auch die Idee, die stolze SPD könne von vornherein jeden Machtanspruch aufgeben, ist Gabriel fremd. Jetzt hat der Chef einen deutlichen Wink gegeben. In einem Stern-Porträt sagt er einen Satz, der alle Spekulationen erledigt. „Natürlich will ich Bundeskanzler werden, wenn die SPD mich aufstellen will.“ Das „wenn“ muss man erklären, aber dazu später.
Gabriels Ansage wurde am Donnerstag von führenden Sozialdemokraten gelobt. „Ich freue mich über dieses klare Signal des Vorsitzenden“, sagte Johannes Kahrs, Chefhaushälter der SPD-Fraktion. „Sigmar Gabriel steht für Elan, Schwung und Bewegung. Er ist einer, der mit der SPD etwas reißen will.“ Auch SPD-Bundesvize Ralf Stegner begrüßte die Ankündigung. „Das ist eine gute Nachricht“, so Stegner. „Die CSU befindet sich in heller Aufregung, die CDU auch. Sigmar Gabriel sendet ein Signal, das Orientierung gibt und Selbstbewusstsein ausstrahlt.“
Nun zum „wenn“ in Gabriels Satz. Zum Sommertheater der SPD gehörte auch der – an sich interessante – Vorschlag der Juso-Vorsitzenden, die SPD-Mitglieder über den oder die KanzlerkandidatIn abstimmen zu lassen. Gabriel, für jede modern klingende Idee zu haben, setzte sich flugs an die Spitze der Bewegung. Ein Mitgliederentscheid brächte sicher eine große Mobilisierung, lobte er damals. Allerdings brauche es dafür „mehr als nur einen Kandidaten“. Gabriel nimmt bei seiner Ankündigung also Rücksicht auf ein mögliches Votum der Basis.
Johannes Kahrs, SPD
Und er wies auf die schlichte Tatsache hin, dass sich die Spitzengenossen nicht gerade um die zweifelhafte Ehre drängeln, Merkel herauszufordern. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat ihrer Basis öffentlich geschworen, „nie, nie“ nach Berlin zu wechseln. Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeichnet mit 23 Prozent für das schlechteste SPD-Ergebnis im Bund verantwortlich – und dürfte wenig Lust haben, sich das noch einmal anzutun. Und weder Andrea Nahles noch Manuela Schwesig verfügen über die Statur und den parteiinternen Rückhalt, um Gabriel ernsthaft herauszufordern.
„Gabriel wird keine Konkurrenz bekommen“
Der Mitgliederentscheid wird also vermutlich ausfallen, mangels Interesse. „Gabriel wird keine Konkurrenz bekommen“, sagt ein Spitzenmann. Der Job ist ja auch eher unattraktiv: Ein Sieg gegen die Union ist unwahrscheinlich, die SPD liegt in Umfragen wie festgefroren bei 25 Prozent. Manche Sozis hoffen darauf, dass der unionsinterne Streit bei dem Flüchtlingsthema das Ende der Ära Merkel einläuten könnte. In dem Fall bekäme es Gabriel 2017 mit einer am Boden zerstörten CDU und einer schwachen Chefin zu tun, etwa mit Ursula von der Leyen. Die Theorie spiegelt eher Wunschdenken und nicht die Realität.
Die Schwächen des künftigen Kanzlerkandidaten sind den SPDlern sehr bewusst. Gabriel liegt in Beliebtheitsumfragen weit abgeschlagen hinter Merkel. Im linken Parteiflügel regt viele auf, dass er die Partei in die Mitte rückt, etwa indem er auf Steuererhöhungen für Reiche verzichten will. Dann die Sprunghaftigkeit, die Zuspitzungen und die Neigung, jede Woche eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Außerdem schießt Gabriel gern übers Ziel hinaus, wie etwa, als er den SPD-Justizminister wegen seiner liberalen Haltung zur Vorratsdatenspeicherung öffentlich rundmachte. Diplomatisch Begabtere hätten die Sache intern geklärt.
Aber so ist das eben mit manchen Spitzenjobs. Der Chef muss sie machen, auch wenn viele seiner Leute nicht glücklich darüber sind.
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